E-Bikes, Trailboom, Waldwirtschaft. Der Druck auf die Natur wird von allen Seiten größer, das Coronajahr verstärkt das. Die Lage ist komplex und verworren. SPORTaktiv versucht, mit drei Experten Lösungsmöglichkeiten zu skizzieren.
Die Situation ist leider höchst komplex, einfache Antworten liegen nicht auf der Hand. Die Natur im Großen und die Wälder im Speziellen müssen viel aushalten: die vielen Naturnutzer, die Realität als Arbeitsplatz für Wald-, Forstwirtschaft und Jägerschaft, als Refugium für Tiere und Pflanzen, als Spiel- und Sportplatz und natürlich als rechtmäßiges Eigentum von Grundbesitzern. Österreichs großer Mountainbike-Kongress in Saalbach widmete sich Anfang Oktober in aller Breite dem Thema (Anm.: neue Erkenntnisse daraus ausführlich in unserer Dezember-Ausgabe) und auch wir schauen hin auf die Konfliktzone Wald. Dazu haben wir drei Experten mit reichlich Praxiserfahrung um ihre Sicht der Dinge gebeten.
Andreas Wernik
Der Salzburger ist seit mehr als 30 Jahren begeisterter Mountainbiker, Jagdschutzorgan der Salzburger Jägerschaft und Mitgründer des ambi, des Austrian Mountainbike Institute. Für ihn alles kein Widerspruch.
Schon vor Corona gab es eine spürbare Steigerung der Naturnutzung durch Wanderer und Biker. Durch die Pandemie und den Lockdown hat sich das vervielfacht. Der Megatrend E-Bike verstärkt das enorm. Die Tourismus-Branche wittert zurecht ein gutes Geschäft und immer mehr Konflikte der unterschiedlichen Naturnutzer entstehen. Windbrüche, anhaltende Trockenheit und der damit einhergehende Schädlingsbefall setzen dem Wald und der Holzwirtschaft zusätzlich stark zu. Fehlende Abnehmer durch Corona-Lockdown, dadurch Überschuss an Holz, verfallende Holzpreise und wirtschaftliche Stagnation bei den Waldbesitzern sind die Folgen. Erschwerend wirkt auch in den urbanen Gegenden das nicht vorhandene oder viel zu geringe Angebot an attraktiven Bike-Strecken und eine undurchsichtige gesetzliche Lage. Oft kommt noch eine Mischung aus Unwissenheit, Ignoranz und Egoismus ins Spiel. Kein Wunder, wenn bei diesen Zutaten der Kochtopf kurz vorm Übergehen ist!
Was kann man also tun?
Unwissenheit kann man nur mit Information und Aufklärung über die Tätigkeiten und Pflichten des jeweils anderen – vor allem von Waldeigentümern und der Jägerschaft – eliminieren. Besonders über das ewige Thema „Haftung“ müssen die Waldbewirtschafter und Landwirte immer wieder aufgeklärt und ihnen unnötige Ängste genommen werden. Kurzfristig müssen Lenkungsmaßnahmen kommen, dies kann räumlich und/oder zeitlich passieren, z.B. eine Mischung aus getrennten Wegen und Trails für Wanderer und Biker und so genannten „Shared Trails“, mit Hinweisen auf Rücksichtnahme und Respekt. Verbote bringen wenig, schließen immer jemanden aus und helfen meistens niemandem. Mittelfristig müssen mehr legalisierte und vor allem attraktive Strecken für Biker geschaffen werden. Forststraßen können maximal als Zufahrts- und Verbindungswege zu Singletrails oder zu Hütten verstanden werden. Tourismusverbände müssen stärker einbezogen werden in der Planung und Freigabe von legalen Bike-Strecken.
Langfristig wäre ein möglicher Ansatz die neue Novelle des Forstgesetzes, die heuer zur Begutachtung vorliegt. Darin könnte ein zukünftiges, mögliches Befahren von Wegen und Forststraßen mit Fahrrädern implementiert werden.
Christian Schemmel
Der Architekt ist Gründungsmitglied des Enduro-MTB-Klubs „Do-Biker“ in Bruck an der Mur. Die Initiativen des Vereins sind ein Beispiel dafür, wie auch in Regionen abseits des großen Bike-Tourismus Lösungen möglich werden.
In Österreich hat man es in tourismusnahen Bundesländern wie Tirol und Salzburg geschafft, ähnlich wie in Italien für Mountainbiker eine gute Infrastruktur in Zusammenarbeit mit Grundeigentümern, Behörden und Tourismusverband bereitzustellen. Bei uns in der Hochsteiermark ist offensichtlich das enorme touristische und volkswirtschaftliche Potenzial dieser zahlungskräftigen Klientel in dem Ausmaß noch nicht erkannt worden. Der in Bruck an der Mur beheimatete Enduro-Radsportverein Do-Biker kämpft schon seit Jahren um Gehör bei den Verantwortlichen. Der Verein hat sich zum Ziel gesetzt, das Biken auch in unserer Region zu legalisieren. Dabei schwebt ihm eine Lösung ähnlich der des Biosphärenparks Wienerwald vor. Hier ist von Grundeigentümern, Behörden, Tourismusverband und dem ansässigen Verein eine gemeinsame Lösung erarbeitet worden, die erfolgreich funktioniert.
Tatsache ist, dass der Bikesport extrem boomt. Durch die Infos aus den sozialen Netzwerken finden die Sportler ihre Hotspots wie eben unsere Region. Und so hat es sich rasch herumgesprochen, dass sich gerade rund um Kapfenberg, Bruck und Leoben aufgrund des vorhandenen Wanderwegenetzes ein wahres Paradies für Enduro-Biker entwickelt hat. Es strömen Biker aus ganz Österreich hierher, um die tollen (leider noch immer meist illegalen) Trails zu befahren. Das Befahren von illegalen Wegen läuft neben dem Konflikt mit den Grundbesitzern in manchen Fällen auf Konflikte mit Wanderern hinaus. Die momentane Situation ist für alle Seiten nicht befriedigend.
Der Versuch, bestehende und über Jahre gewachsene Wege (Trails) durch aktive Gespräche mit den Grundstückseigentümern zu legalisieren, ist kläglich gescheitert. Rückbauten wurden erzwungen. Nach vielen Jahren, vielen Konzepten und Gesprächen, viel Herzblut der Do-Biker und dem ständigen Anklopfen bei den Gemeindeverantwortlichen ist es nun gelungen, die Genehmigung für den Bau eines eigenen Enduro-Trails im Brucker Stadtwald zu erhalten. Somit ist ein erster Schritt gesetzt worden. Doch was fehlt, ist ein ganzheitliches Konzept.
Wünschenswert wäre eine strukturierte Vorgehensweise aller Verantwortlichen, um ein Konzept für die ganze Region auszuarbeiten und umzusetzen. Eine komplexe Situation ist nur dann erfolgreich zu bewältigen, wenn wirklich alle Beteiligten über sämtliche Ideen und Aktionen lückenlos informiert werden. Nur gegenseitige Information bringt gegenseitiges Verständnis.
Armin Kaltenegger
Er ist Jurist beim Kuratorium für Verkehrssicherheit, selbst Radfahrer und kennt die gesetzlichen Bestimmungen rund um das Mountainbiken wie kein Zweiter.
Die Nutzung des Waldes erfolgt auf vielfältige Arten durch unterschiedlichste Personen mit den verschiedensten Interessen. Interessenkonflikte sind dabei zwar vorprogrammiert, aber lösbar. Nämlich dann, wenn alle Beteiligten Verständnis für die jeweils andere Position zeigen, wenn alle Beteiligten vom selben Wissensstand, was Recht und Rahmenbedingungen betrifft, ausgehen und wenn allen Beteiligten ihre berechtigte Angst vor Nachteilen genommen wird.
Beim Mountainbiking im Wald hat die Ausgangslage eine gewisse Schieflage: Es ist grundsätzlich verboten! Bliebe es dabei oder wäre es bisher dabei geblieben, so hätten wir einen endlos dauernden Konflikt mit sich stets verhärtenden Fronten. Dort, wo dieser Konflikt aber schon erfolgreich gelöst wurde, kann man sehr klare Erfolgsfaktoren erkennen: Strukturierte Dialoge ohne Berührungsängste zwischen den Interessengruppen, Wegekonzepte von Experten als Basis für Freigaben, Betrachtung der wirtschaftlichen Chancen aus der Vogelperspektive und faire Verteilung bzw. Ausgleich von Lasten und Erträgen sowie Freizeichnung der Eigentümer von Haftung und Schadenersatzpflichten durch kooperative Mountainbikemodelle. Gerade Letztere sind ein großer Schlüssel zum Erfolg, sie erfolgen unter anderem sogar unter Beteiligung des Landes.
Mein Tipp an regionale Entwickler: Starten Sie mit einem transparenten Dialog und arbeiten Sie Schritt für Schritt obige Erfolgsfaktoren ab.