Seit Jänner ist Georg Michl im Training für den Dolomitenmann, wobei schon beim fahrbaren Untersatz nicht alles nach Plan läuft. Hier sein Bericht zur aktuellen Lage.
Man kennt das aus der Kindheit, als sich der Advent gefühlte 2.578 Tage gezogen hat und man wochenlang auf nichts anderes gewartet hat als auf das eine Packerl. Wenn es dann endlich vor einem gelegen ist, waren die Hände feucht und man spürte seinen Herzschlag am Hals. Endlich. Man reißt den Karton auf. Wie ein ausgehungerter T-Rex zerfetzt man seine Beute, diesen elendigen 100-fach-zugepickten Karton und dann liegt es vor einem.
Das falsche Geschenk. Der T-Rex hat „Tofu" erlegt. In meinem Fall war es ein Mountainbike, aber das Rad mit dem ich den Dolomitenmann bestreiten soll, war zu klein. Im niederländischen Giant-Hauptquartier gab es wohl einen Zahlensturz bei meiner Größe. 1,79 Meter statt 1,97 und schon steht quasi ein Kinderrad in meinem Wohnzimmer. Bei einer Probefahrt habe ich mir dann drei Mal das Knie gegen den Lenker geschlagen. Da half auch der lange Vorbau nichts mehr. Wie ein Affe auf dem Schleifstein oder besser Kieselstein. Hup Holland, ab nach Haus mit dem Large-Rahmen und wieder rauf aufs Rennrad.
Video: Highlights vom Dolomitenmann 2016
WEITER IN DER AUFBAUPHASE
Grundlage ist Grundlage – man muss es positiv sehen und auch die Profi-Biker verbringen in der Aufbauphase viel Zeit auf dem Renner, denn der Vorteil ist, dass so in den gewünschten Leistungsbereichen konstanter trainiert werden kann.
Im Gelände sind extreme Spitzen nach oben und unten ja nicht zu vermeiden. So geht es derzeit wie vor dem Ötztaler-Radmarathon: Langes Pedalieren im Grundlagenbereich und gelegentliche Kraftintervalle an oder über der Schwelle, bei denen die zehn Minuten noch langsamer vergehen, als der gesamte Advent. Komischerweise verfliegt die Zeit zwischen den Kraftakten so schnell wie seinerzeit, als ich in den letzten Minuten der Mathematik-Schularbeit erst auf die mögliche Lösung gekommen bin.
DIE BREMSEN GLÜHEN
Trotz aller Rennrad-Freude ist es an der Zeit, sich mit den harten Fakten auseinanderzusetzen, den Renndaten. Schluss mit der romantischen Vorstellung eines Wochenend-Almhütten-Ausflugs: Zuerst warten beim Dolomitenmann ein elendig langer 15-Kilometer-Anstieg mit einigen Tragepassagen auf die Biker und dann eine Abfahrt von 13 Kilometern, unter anderem über eine ehemalige Weltcup-Skipiste. Das durchschnittliche Gefälle in der Abfahrt nach Lienz beträgt 26,4 Prozent. Sauber!
Der Blick in die Bestenliste lässt meine Kinnlade blitzartig nach unten schnellen: Der Tscheche Kristian Hynek hält den Streckenrekord mit 1:36:50 Stunden. Öha. Snowboard-Ass und Wahllienzer Benjamin Karlbenötigte im Vorjahr 2:11:01 Stunden und echte Hobbetten bis zu 3:20 Stunden. „Du sagst dir, dass es ‚nur' ein Berg ist und es schon nicht so schwierig sein wird. Du wirst dann aber jedes Jahr eines besseren belehrt. Und wenn du endlich oben bist, stehen dir noch die Abfahrt und der giftige Gegenanstieg bevor", verrät Benjamin Karl.
Das beruhigt nicht wirklich. „Die Abfahrt ist der wahre Knackpunkt", sagt Karl weiter, „sie ist zwar technisch nicht so anspruchsvoll, aber extrem steil und verdammt schnell und so kommt es zu großen Problemen mit überhitzenden Bremsen. Da bekommen viele Fahrer große Augen." Kompromisse gibt es da eher keine. Wer schnell sein will, muss riskieren. „Wenn du so fährst, dass die Bremsen nicht überhitzen, bist du richtig langsam und verlierst bergab wirklich viel." Karl kommt zusätzlich zu seinem spezifischen Training für den Snowboardweltcup und diverse Großereignisse im Jahr übrigens auf rund 7.000 Kilometer auf dem Rad – Rennrad und Mountainbike.
HARDTAIL ODER FULLY?
Wie alles im Leben ist beim Mountainbiken auch die Wahl des Bikes ein Kompromiss. So leicht wie nur irgendwie möglich für den Aufstieg, robust für die Abfahrt. Und da kommt natürlich wieder das leidige Thema Gewicht zum Tragen (in den Aufstiegspassagen sogar wortwörtlich). Die meisten Athleten ziehen beim Dolomitenmann das Hardtail dem Race-Fully vor. „Es geht knapp 1.600 Höhenmeter hinauf, da hat das Gewicht schon einen großen Einfluss auf die Leistungsfähigkeit. Ein Fully bringt in der Abfahrt zwar Komfort, wiegt aber eben mehr", sagt Karl.
Und Gewichtsersparnis geht ins Geld, denn ein Kilogramm weniger bei einem Rad kostet zirka 1.000 Euro mehr, frei nach dem Motto „Karbon statt Kondition" kann somit die Brieftasche einen gehörigen Beitrag leisten. Selbst wenn Geld keine Rolex spielt, hat irgendwann aber auch die Kohlenstofffaser ihr Limit erreicht. Und diese Grenze liegt für massivere Biker (wie mich) teilweise gefährlich niedrig. Vor allem bei Laufrädern sollte daher vor dem Kauf der edlen Teile das erlaubte Systemgewicht, vom Biker über das Rad bis hin zum Riegel, geprüft werden. Sicher ist sicher, denn wenn sich einmal die Speichen unter einem zerbröseln, nimmt der Spaß ein jähes und schmerzvolles Ende.
DIE LAUFRÄDER SIND DA!
Ich habe mich bei den Laufrädern für die belastbarere Alu-Variante entschieden. Karbon ist zwar ebenso belastungsfähig, oder fallweise sogar „stärker" – allerdings ist das höchstzulässige Systemgewicht meist niedriger. Als ich die zwei Packerl von Laufradhersteller Mavic aufgerissen habe, musste ich als Rennradfreund kurz schlucken. In Relation zum Material für die Straße sind die 29er-Walzen optisch echte Monster. Aber sie bringen einen großen Vorteil. „Die 29er laufen viel ruhiger und so fühlt sich ein gutes Hardtail an wie ein schlechtes Fully", erklärt Karl.
Die Wahl der Mäntel und des Reifendruck ist dann nicht nur Geschmacks-, Witterungs- und vor allem Erfahrungs-Sache und schon habe ich wieder etwas zum Tüfteln, wenn der richtige „Bock" dann endlich da ist. Zudem werde ich an meinem Rad zumindest die Bremsen upgraden und vorne eine Scheibe mit 200 Millimetern Durchmesser fahren. Selbst mit idealem Wettkampfgewicht bin ich weit über dem eines durchschnittlichen Mountainbikers. Je nach Erzeuger und Produkt gibt es Umrüst-Sätze mit Adaptern. Allerdings sollte es erstens von einem Fachmann umgerüstet und zweitens auch für Gabel oder Rahmen zulässig sein.
Zum Glück habe ich aber beim Systemgewicht auch ohne den Einsatz des Bausparers und von Karbon noch massives Einsparungspotenzial. In diesem Sinne, Mahlzeit.
Das begehrte Stück kam leider in der falschen Rahmengröße: Georg muss sich bis zur ersten Ausfahrt auf seinem Giant-XTC-Advanced-29er noch gedulden. |