Wie geht legales Biken in Österreich? Fortsetzung unserer Serie zum Thema Mountainbiken mit Exkursen in die Wachau, nach Mödling und neuen Ideen fürs ganze Land. 

Christoph Heigl
Christoph Heigl


Wie macht’s ihr das bitte? Diese Frage bekommen die Macher der „Trailarea Göttweig“ oft gestellt. Wir stehen unweit der Donau am Parkplatz („Base“) unterhalb des imposanten Stiftes Göttweig in Niederösterreich und Martin Samek holt aus zu einer Story, die ungefähr so unglaublich klingt wie viele Geschichten aus dem Alten Testament.

Kirche goes Bike. Es war nämlich das Benediktinerstift Göttweig, das die Initiative zu den legalen Mountainbike-Trails ergriff. Der ganze Göttweiger Berg, schon ab 2000 vor Christus besiedelt, ist im Besitz des Stiftes, das selbst auf eine knapp 1000 Jahre alte Geschichte zurückblicken kann. Klar, dass bei so einer Historie auch jahrhundertealte Wege über den gesamten Berg laufen, der sich mit seiner Höhe von 430 Meter nur etwa 200 aus der Ebene erhebt. Tiroler würden es wohl „Hügel“ nennen. Aber Mountainbiker aus der gesamten Region entdeckten die Göttweiger Pilgerpfade und Wanderwege als ideale Bike-Trails für sich – zunächst illegal. Als Konflikte mit Wanderern entstanden, kam es aber nicht wie zu erwarten zum Streit und zu juristischen Schritten des Stiftes, sondern ganz im Gegenteil zu einem großzügigen Angebot. „Das Stift würde Teile des Stiftswaldes zur Verfügung stellen, um Mountainbiketrails bauen zu lassen“, erzählt Samek die Vorgeschichte. „So ist unser Verein ,Trailwerk Wachau‘ entstanden.“ Es wird aber noch besser, denn der Leiter des Forstamtes des Stiftes stellte sich als begeisterter Mountainbiker aus Ramingstein (S) heraus. Sein Name: Pater Maurus. Mit ihm gibt es bestes Einvernehmen, der Pater hilft sogar beim Ausräumen des Altholzes.

Ebenso unerwartet: Die Trails sind kein touristisches Projekt und werden nicht kommerziell vermarktet und verwertet. „Es kommen schon so viele zu uns, viel mehr müssen es nicht werden“, meint Vereinsobmann Samek mit Augenzwinkern über das „Geheimprojekt“ in der Wachau. Der „Mehrwert“, den die Trailarea in der Konfliktvermeidung liefert, sei schon Erfolg genug. „Ein herausragender Kompromiss für Radfahrer“, titelte „Die Presse“.
 
So geheim ist es also nicht und somit darf verraten werden: Seit 2018 sind am Göttweiger Berg 16 Bike-Trails mit einer Gesamtlänge von mehr als 20 Kilometern (!) entstanden, die Strecken tragen Namen wie Schickhnway, Potschnweg, Brettljausn, Pandemie, Warteschleife und Anno1083 (das Gründungsjahr des Stiftes). SPORTaktiv-Selbsterfahrung: Die Trails sind sehr kreativ und spielerisch angelegt, von leicht (Kinder) bis richtig schwer, machen trotz weniger Höhenmeter im ständigen Auf und Ab viel Spaß, auch bergauf. Ebenfalls vorbildlich: Der Verein appelliert auf seiner Website an die Biker: „Unsere Projekte bekommen viel Vertrauensvorschuss, bitte bestätigt durch euer Verhalten, das wir Mountainbiker dieses Vertrauen auch verdienen.“

Im südlichen Niederösterreich findet sich ein weiteres Projekt, dass zeigt, dass es grundsätzlich in Österreich möglich ist, nachhaltige Mountainbikeideen voranzutreiben. Wir stehen am Fuß des berühmten „Anninger“ bei Mödling. Hier war es der Nutzerdruck, der Lösungen erforderte, denn das Einzugsgebiet ist riesig: Fünf Gemeinden grenzen an den Anninger, dazu ist die 2-Millionen-Einwohnerstadt Wien nur 20 Minuten entfernt. Hier ist Lisa Ribarich unser Guide, sie kennt jedes Eck, jeden Trail, jede Wurzel. Anders als in Göttweig sind hier Interessen von mehreren Dutzend Grundbesitzern zu berücksichtigen. „Gebaut wird so natürlich wie möglich“, erklärt Ribarich. Die Trails sind einfach, zum Teil aber knackig, Hotspots wie der sehenswerte Husarentempel mit genialem Blick auf Wien sind immer wieder überlaufen. Wie weit man die gesamten Strecken des Wienerwaldes ausdehnen kann, bewiesen zwei Biker im Juli, die bis auf den Anninger alle offiziellen Trails des Wienerwaldes an einem Tag abgeradelt sind – ein langer 14-Stunden-Tag im Sattel bei 30 Strecken, 119 km und 4300 Höhenmetern.
 

Legales Biken: Wo liegt das Problem?
Im Forstgesetz aus dem Jahr 1975 war für das Mountainbiken kein Platz, weil es das Radfahren im Gelände schlichtweg noch nicht gab. Das 46 Jahre alte Gesetz hat aber nach wie vor seine Gültigkeit und verbietet das Radfahren auf Forststraßen, auf Waldwegen und ganz generell im Waldbereich. Erlaubt ist das Biken nur dort, wo Strecken und Wege ausdrücklich durch entsprechende Beschilderung für die Allgemeinheit freigegeben sind (touristische Streckennetze, Bikeparks) oder wo man eine entsprechende Erlaubnis des Grundeigentümers hat.

Im Regelfall steht am Beginn einer Biketour eine Forststraße und auch dort am Beginn das rot-weiße Fahrverbotsschild mit dem Hinweis „Forststraße“. Das verbietet per Gesetz jegliches Befahren durch Unbefugte. Der oft zu sehende Zusatz „Gilt auch für Mountainbiker“ ist rechtlich überflüssig, weil Biker im Verbot sowieso eingeschlossen sind. Auf Wanderwegen darf man per Gesetz auch nicht fahren, querfeldein schon gar nicht. Das Thema der Verbote gibt es natürlich auch in unseren Nachbarländern Deutschland, Schweiz und Italien, wo es regional aber ganz unterschiedliche Modelle gibt, von kompletter Freigabe bis hin zu absolutem Verbot.

Lösungen
Weil der Status quo im Bike-Boom der letzten Jahre heftig diskutiert und der Nutzerdruck hoch wurde, haben Mountainbiker-Initiativen, Klubs, Alpenverein, Naturfreunde und politische Interessensvertretungen immer wieder Lösungsvorschläge am Tisch. Sie reichen von der Forderung nach völliger Freigabe aller Forststraßen und Wege für Radfahrer und Mountainbiker bis hin zu Insel- und Hotspotlösungen mit gezielt freigegebenen Strecken, Bikeparks und Trailcentern. Letzteres funktioniert seit Jahren sehr gut, schließt auch die lückenlose Klärung der Haftungsfragen mit ein und ist speziell in Tourismusgebieten eine praktikable Lösung. Generell ist in Österreich zu beobachten, dass die westlichen Bundesländer den östlichen in diesem Punkt etwas voraus sind, was meistens an einer anderen touristischen Infrastruktur (Stichwort Bergbahnen mit Sommerbetrieb, viele Sommergäste) liegt. Unsere Beispiele aus Ost-Österreich zeigen aber, dass auch hier erstaunlich viel möglich ist.

Umfrage
Der Alpenverein hat heuer eine Umfrage mit knapp 15.000 Teilnehmern und sehr interessanten Ergebnissen veröffentlicht. Demzufolge gaben 46 % der Befragten an, dass die Möglichkeiten zum Mountainbiken in deren unmittelbarer Umgebung völlig ausreichend wären, aber Strecken und Wege eben nicht freigegeben sind. „Ein klarer Mangel an legaler Infrastruktur“, schlussfolgerte der Alpenverein.  37 % der Freizeitsportler gaben ehrlicherweise zu, mit dem Bike auf nicht freigegebenen Strecken unterwegs zu sein.

Legales Biken auf einer permanenten Rennstrecke? Auch das gibt es, weiß nur fast keiner. In diese Nische ist man in Obertraun in Oberösterreich gestoßen. Unweit des Hallstätter Sees wurde beim Bundes­sport- und Frei­zeit­­zentrum (BSFZ) für Mountainbiker die Bikearena Obertraun errichtet, eine permanente Cross-Country-Rennstrecke, für Trainingskurse genauso geeignet wie für hochkarätige Rennen, die hier auch schon stattgefunden haben. Eine Runde hat 5,6 km und 269 Höhenmeter und wurde mit Steilkurven, Sprüngen, Brückenelementen, Steinpassagen und Tunneldurchfahrten attraktiv aufgepeppt. „Und wir haben keinerlei Verkehr, den man wegsperren muss“, sagt Geschäftsführer Andreas Holzinger, der seine Bikearena im Salzkammergut auch als ideales Gelände für Testivals und Messen sieht. „Vom E-Bike-Anfänger bis zum Weltcupprofi kann sich jeder bei uns auspowern.“ Zusätzlich steht ein 1000 Quadratmeter großer Pumptrack zur Verfügung.

„Ja, Österreich macht das ganz gut und ist auf dem richtigen Weg“, sagt Tommy Squibb. Der Engländer ist seit Jahren in Österreich als Trailbauer aktiv und hat viel gesehen. „In Österreich wurde sehr viel Geld in Mountainbikeangebote gesteckt und das ist gut. Viel Geld wurde leider aber auch falsch investiert“, sagt er. „Das ist noch ein Lernprozess, aber es entwickelt sich positiv. Mit seiner Firma „Trailbauers“ hat er gerade in Seeboden (K) einen Kinderbikepark gebaut. „Es ist unfassbar, wie gut die Kinder schon sind. Vor zehn Jahren hat man Sprünge nur für Profis und Freaks gebaut, heute springen schon die Zehnjährigen.“ Zu wissen, dass man Trails für Anfänger sehr, sehr einfach bauen muss, zähle ebenfalls zu diesem Lernprozess. Was Österreich noch fehlt? „In Großbritannien gibt es bestes Einvernehmen der Bike-Community mit der ,Forestry‘, also so was wie bei euch die Forstbehörde oder die Bundesforste. Auf der Insel wird Hand in Hand entwickelt. Das sollte Österreich noch lernen, aber ich merke, dass schon ein Umdenken einsetzt. Man muss eben alle ins Boot holen, bevor man große Pläne schmiedet.“ Squibb spürt, dass Österreichs Biker nach wie vor auch großes Interesse an normalen, weitläufigen Panorama-Runden auf Forststraßen haben. „Also sollte man hier weitere Öffnungsschritte angehen.“ Noch mehr legales Biken für die Zukunft? Wir machen uns auf die Suche. Fortsetzung folgt in der Oktober-Ausgabe. Im Fokus: Pumptracks.

Neue Strecken: Was braucht es?

  • Nutzerdruck bzw. Konfliktvorgeschichte und entsprechende Frequenz
  • Attraktive Bike-Strecken, sowohl Trails als auch Forststraßen und/oder Zubringer 
  • Einsteigerfreundliche Schwierigkeitsgrade
  • Verantwortliche und „Kümmerer“ (Verein, Bergbahn, Gemeinde, Tourismus)
  • Bewerbung, Aufklärung, Beschilderung, Vermarktung
  • Trailpflege
  • optional: Services wie Verleih, Reparatur, Shop, Schulen, Guiding