Low Carb und ketogene Ernährung, sportliche Veganer, Supplemente: Die Österreichische Gesellschaft für Ernährung (ÖGE) widmete ihre Jahrestagung dem Thema Sporternährung. Wir haben uns die Veranstaltung angeschaut und interessante aktuelle Inhalte für Freizeitsportler herausgegriffen.
Die hohe Zeit der Nudelparty ist lang vorüber: Geht es nach Empfehlungen, die im Internet und vor allem in den sozialen Medien kursieren, kommen Sportler mit deutlich weniger Kohlenhydraten aus, als man lange Zeit gedacht hat. Und mit weniger sogar besser über die Runden.
Sagt jetzt aber welcher Experte genau? Um Empfehlungen realistisch einordnen zu können, ist es immer noch am besten, sich an wissenschaftlich fundierte Quellen zu halten. Solche, wie sie von der Österreichischen Gesellschaft für Ernährung (ÖGE) herangezogen und in allgemeine Empfehlungen umgesetzt werden. Österreichs größte wissenschaftliche Ernährungsgesellschaft widmete ihre Jahrestagung 2018 ganz dem Schwerpunkt „Sporternährung“. SPORTaktiv hat sich die Tagung angesehen, die auch deshalb spannend war, weil sie die derzeit mittels sozialer Medien gepushten Ernährungsformen unter die Lupe nahm.
Kohlenhydrate, Eiweiß, Fett
Starten wir mit dem „Big Picture“, den Makronährstoffen Kohlenhydrate, Proteine und Fett. Wie ist das nun mit den Kohlenhydraten – unverzichtbarer Brennstoff für den Körper oder überschätzter Müde- und Dickmacher? Ihre besondere Bedeutung im Vergleich zum zweiten Energieträger, den Fetten, ergebe sich aus den begrenzten Speichern, erklärte die Sportwissenschafterin Barbara Prüller-Strasser. Nach 90 Minuten intensiver Belastung wären die körpereigenen Glykogen- sprich: Kohlenhydrat-Speicher erschöpft.
Und damit gleich eine Kernbotschaft: Der allgemeine Kohlenhydratbedarf von Sportlern hängt stark vom Trainingsumfang ab: Während man bei einer Stunde Sport am Tag mit 3-5 Gramm Kohlenhydraten pro kg Körpergewicht das Auslangen findet, steigt der Bedarf bei extremen Sportumfängen auf 8 bis 12 Gramm pro kg Körpergewicht auf über das Doppelte an. Bei den typisch moderaten Sportumfängen im Freizeitsport darf man den Kohlenhydratbedarf folglich nicht überschätzen.
Die Wissenschafterin sprach auch das „Train Low“-Konzept (nicht zu verwechseln mit einer generell stark kohlenhydratreduzierten „Low Carb“-Ernährung) an, bei dem eine gewisse Zahl an Trainingseinheiten gezielt ohne Kohlenhydrat-Verfügbarkeit absolviert wird. Das soll den Körper lehren, vermehrt Fett als „Brennstoff“ heranzuziehen. Studien hätten gezeigt, dass ein gezieltes Beschränken der Kohlenhydratzufuhr bei einem Teil der Trainingseinheiten tatsächlich zu einer gewissen Leistungsverbesserung führen könne.
Protein, also Eiweiß, werde im Ausdauersport oftmals unterschätzt, hielt Prüller-Strasser weiters fest: Empfohlen sind 1,2 bis 1,7 g pro kg Körpergewicht. Und die Fette? Hier würden sich die (sparsamen) Empfehlungen für Sportler nicht von denen für Nichtsportler unterscheiden: 20 bis höchstens 35 Prozent der täglichen Gesamt-Energiezufuhr sollten aus Fett gewonnen werden.
Low Carb und „ketogen“
Der kohlenhydratarmen „Low Carb“-Ernährung für Sportler, und speziell dem kohlenhydratarmen und fettreichen „ketogenen“ Ernährungskonzept widmete sich die Ernährungswissenschafterin Petra Rust. Die ketogene Ernährung wird aktuell auch mit Spitzensportlern wie Rennradprofi Chris Froome in Verbindung gebracht.
Befürworter der Low-Carb-Konzepte stützen sich meist auf die US-Wissenschafter Stephen Phinney und Jeff Volek sowie auf den Südafrikaner Tim Noakes. Die Theorie: „Athleten machen sich zu stark von Kohlenhydraten abhängig.“ Der Körper sollte lernen, die Glykogenspeicher zu schonen und die Fettoxidation zu maximieren, weil eben Fette praktisch unbegrenzt verfügbar seien.
Bei der ketogenen Ernährung, oft auch als „Low Carb/High Fat“ bezeichnet, soll die Energie zu über 60 Prozent aus Fettquellen gewonnen werden, berichtete Ernährungswissenschafterin Rust. Doch die Expertin zeigte sich skeptisch: Es gäbe zwar eine Studie mit Elite-Ausdauersportlern (Anmerkung: die Ergebnisse kann man allein dadurch nicht auf Freizeitsportler einfach umlegen). Leistungsvorteile für Sportler, die sich „Low Carb/High Fat“ statt traditionell kohlenhydratlastig ernähren, ließen sich daraus aber nicht ableiten.
Skepsis sollte aber vor allem aus gesundheitlicher Sicht herrschen: eine derart fettlastige Ernährungsweise würde den üblichen Empfehlungen einer ausgewogenen und gesunden Ernährung diametral widersprechen, warnte Rust. Ihr Fazit: Man soll weder eine „Low Carb“ noch „High Carb“-Ernährung allgemein bevorzugen. Vielmehr sollte eine individuelle Anpassung der Kohlenhydratzufuhr an die Sportart, die Trainingsziele und den Trainingszyklus erfolgen.
Es geht nicht um ‚Low Carb’ oder ‚High Carb’, Sondern um eine Anpassung der Kohlenhydratzufuhr an die Sportart, die Trainingsziele und den Trainingszyklus.
Vegan läuft’s auch
Die Ernährungswissenschafterin beschäftigte sich auch mit der vegetarischen und veganen Lebensweise. Rund 10 Prozent der österreichischen Bevölkerung lebt vegetarisch – im Breitensport ließen sich ähnliche Zahlen vermuten. Rust sieht Vorteile wie Nachteile durch das Einschränken tierischer Produkte. Zu den Vorteilen zählten ein hoher Anteil an Kohlenhydraten aus Gemüse und Obst und ein generell geringerer Fettkonsum. Für den Sport bedeute das in der Regel: einen geringeren Körperfettanteil und ein gutes Immunsystem.
Nachteile könnten Nährstoff-Mängel sowie ein geringer Proteinanteil in der Nahrung sein. „Eine Lösung dafür wäre, Lebensmittel clever zu kombinieren: etwa Kartoffel mit Ei und Erbsen mit Reis.“ Speziell Veganer sollten auch ihren Eisen- und Zinkhaushalt im Auge behalten. Die Auswahl an Lebensmitteln müsse bewusst erfolgen. Doch insgesamt könnten sich mit entsprechender Umsicht sogar Sportler mit höchsten Sportumfängen vegetarisch und vegan ernähren, ohne Vor- oder Nachteile.
Wer braucht Supplemente?
Vegane Sportler gehören auch zu den wenigen Gruppen, bei denen eine gezielte Nährstoff-Supplementation tatsächlich notwendig sein kann – erklärte ÖGE-Präsident Karl-Heinz Wagner. Ob und wann Breitensportler Nahrungsergänzungsmittel benötigen, war Thema seines Vortrags. In den USA habe die Wissenschaft schon Probleme, Studienteilnehmer zu finden, weil Supplementierung mit Vitaminen, Mikronährstoffen und Spurenelementen flächendeckend zum Lifestyle gehöre, so Wagner. Solche Verhältnisse habe man in Europa nicht. Jedoch würden beispielsweise 80 Prozent der Breitensportler in Deutschland gelegentlich Magnesium supplementieren.
Die Nährstoffversorgung aus der Alltagsernährung sei heute gut. Und: „Der Mikronährstoffbedarf steigt nicht proportional mit dem Energiebedarf an“, klärte Wagner einen häufigen Irrtum auf. Auch wichtig: Eine zu hohe Dosierung von Vitaminen, Mikronährstoffen und Co. könne auch schaden.
Fazit: „Nur bei einem nachgewiesenen schlechten Status ist eine Supplementation sinnvoll“, plädierte Wagner dafür, sich im Zweifel medizinisch auf Nährstoffmängel testen zu lassen. Auf die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln auf bloßen Verdacht hin sollte man dagegen verzichten.