Wenn beim Spaziergang im Wald plötzlich vor dir jemand aus dem Dickicht auftaucht, der auf seinem Radl scheinbar planlos durchs Unterholz ächzt – bleib entspannt: Es ist kein Postbote, der sich verirrt hat. Und vermutlich auch kein illegaler Einwanderer. Womöglich hast du es mit der raren Spezies eines Orientierungsbikers zu tun. Wobei: So rar ist der Typus gar nicht – immerhin bis zu 250 Athleten stehen hierzulande bei einem Mountainbike-Orienteering-Event am Start. Und weil diese Zahl sogar stetig im Steigen ist, wollten wir uns diese Sportart einmal näher anschauen.

vom O-laufen zum O-Biken

Die Anfänge des Mountainbike-Orien­teering (es heißt tatsächlich so!) reichen in Österreich bis in die 70er-Jahre zurück. Aus dem Orientierungslauf heraus entwickelte sich auch der Zweirad-bewerb. Die Steiermark und Kärnten gelten in diesem Sport in Österreich als Vorreiter – Orientierungsbiker-Urgestein Michael Wendler in der Rückblende: „Ich erinnere mich an einen Rad-Orientierungslauf im Juni 1974. Damals hatten wir keine Mountainbikes, sondern fuhren mit normalen 8-Gang- oder 10-Gang-Rennrädern. Das war natürlich Material mordend: Bei einer Abfahrt hatte einer einen Rahmenbruch, alle Räder waren am Ende ziemlich ramponiert! Wir haben damals übrigens diesen Radsport Mountainbiken genannt, aber den Namen leider nicht patentieren lassen!“

Aber nicht nur die Räder waren dereinst wenig geländetauglich, auch das Kartenmaterial ließ allzu oft Wünsche offen, sodass nicht selten 50 Prozent der Teilnehmer nichts in Ziel fanden. Heute ist das freilich anders: das Renngerät top, das Kartenmaterial präzise und die Fahrerinnen und Fahrer bestens vorbereitet. Und dazu gibt es bereits eine Fülle von Bewerben, bei denen sich Orientierungsbiker messen können – vor allem in Tschechien und Ungarn sowie auf heimischem Terrain. Seit Ende der 90er-Jahre stehen nicht nur Staatsmeisterschaften, sondern auch Welt- und Europameisterschaften und der Weltcup auf dem Programm, garniert mit punktuellen Highlights wie den 5-Days in Pilsen (Tschechien) oder dem Austria Cup, bei dem bis zu 250 Rennläufer am Start stehen.

Kopflastig

Zieht man einen Vergleich zum herkömmlichen Mountainbiken, dann könnte man den wichtigen Unterschied so beschreiben: Die O-Biker sind einfach etwas „kopflastiger“ – gilt es doch, nicht nur flott zu radeln, sondern unter zeitlichem Druck auch noch das Wichtigste herauszufinden, welcher Weg tatsächlich ins Ziel führt.

Die besondere Faszination des Mountainbike-Orienteering wird durch den Mix aus Athletik, Konzentration und Stressmanagement bestimmt: Erst eine­ Minute vor dem Start erhalten die Teilnehmer die Streckenkarte (Maßstab 1:15000) mit den anzusteuernden Posten und müssen binnen Sekunden richtige Entscheidungen für die Routenwahl treffen.

Michaela Gigon, Österreichs Aushängeschild in dieser Sportart (siehe Interview), erläutert die speziellen Anforderungen: „Man muss das Tempo der Situation anpassen, damit man keine Abzweigung übersieht. Wer sich verfährt, kann den Zeitverlust mit Athletik meist nicht mehr aufholen.“ So mancher Mountainbiker, der einen Ausflug in die MTBO-Szene wagte, kann davon ein Liedchen trällern: Vor dem Start noch über die viel zu kurze Strecke gelästert – und dann als Letzter ins Ziel gekommen ...