Wer Touren fährt, braucht ein Tourenbike, ganz klar. Aber so viele Forststraßen und Trails es gibt, so viele unterschiedliche Touren warten auch. Gibt es dafür überhaupt das „eine“ Bike?

Lukas Schnitzer
Lukas Schnitzer

Höhenmeterreiche Transalp, abenteuerliche Trailtour tief in die Bergwelt, gemeinsam mit den besten Ride-Buddys auf Zug durchs Hügelland. Mountainbiketouren sind vielfältig. Wie sieht das „ideale“ Tourenbike aber nun aus? Wenn ich in meinen langen Jahren als Produkttester eines gelernt habe, dann, dass jedes Bike ein Tourenbike sein kann – die Tour muss bloß zum Bike passen. Christoph Joch von Specialized Deutschland sieht es ebenfalls als sehr individuell, für welches Bike man sich mit geplantem Toureneinsatz im Sinne von Transalp, Tages­tour und Co. entscheidet. Routenwahl, Erfahrung, persönliche Vorlieben und Sitzposition spielen hier eine große Rolle. Joch weiß aber zumindest grobe Bike- und Fahrer-­Typen zu identifizieren. Da wären einmal Räder wie das Specialized Epic World Cup (oder auch ein Conway RLC FS, KTM Scarp Evo III, Scott Spark, Trek Top Fuel oder Simplon Cirex) für Freunde langer Distanzen – effizient, leicht und mit sportlicher Sitzposition. Dann das neue Stumpjumper 15 (aber etwa auch ein Trek Fuel EX, Focus Jam oder Conway WME), das viel Komfort für alle bietet, die eher von aufrechten Sitzpositionen profitieren und gerne mit viel Federweg viele Trails fahren. Zwischen den beiden Ausprägungen findet sich noch eine große Zahl an weiteren „Allroundern“, die ein breites Spektrum an Fahrer- und Tourenprofilen gut bedienen. Man sieht: Das Feld ist breit.

Gemeinsam mit Christoph Joch haben wir fünf Punkte etwas genauer unter die Lupe genommen, die am Weg zum individuell perfekten Tourenbike hilfreich sein können.

1. Brennpunkt Federweg
Wer ein Rad für den Toureneinsatz sucht, sieht sich vermutlich im Federwegsbereich von 120 bis 150 mm um. Womit man nun wirklich glücklich wird, das, so Christoph Joch, ist „je nach Strecke sehr individuell“. Wir empfehlen eine persönliche Gewichtung zu machen. Ist mir im Toureneinsatz die Effizienz bergauf, das „Streckemachen“ und die Zahl der Höhenmeter am Ende des Tages am wichtigsten und ist dagegen der Trailanteil nicht wirklich wichtig, respektive zwar gern gesehen, aber nicht im Fokus, liegt man um die 120 mm recht gut. Ausgewogene Allrounder für Up- und Downhill finden sich oft um die 130–140 mm respektive auch im Segment der Downcountrys. Um die 150 mm Federweg ist man im Toureneinsatz in jedem Gelände gut aufgehoben, wirklich Sinn macht das aber vor allem dann, wenn die geplanten Trails auch einen gewissen technischen Anspruch haben. Zu beachten: Moderne Geometrien können die Bereiche etwas verwässern, da kann manch 150-mm-Bike besser klettern als erwartet, manch 120-mm-Bike bergab weit über seine Zahlen am Papier hinaus Spaß bringen.

2. Geometriestunde
So viel gleich vorneweg: Die perfekte Geometrie als Blaupause für jedermann gibt es nicht. Um seine individuell optimalen Rahmenmaße und -winkel zu finden, sollte man sich, wie es Christoph Joch ausdrückt, ein paar Fragen ehrlich beantworten: „Wie lange sind die Strecken, die man fahren will, welche Strecken(längen) ist man gewohnt, wie groß und anspruchsvoll ist der erwartete Trailanteil?“ Schließlich sei die Entscheidung aber auch davon abhängig, so Joch, welche Sitzposition man gewohnt ist (sehr aufrecht oder eher gestreckt), ob man seine Touren mit Rucksack fährt oder ohne (Gepäcktransport bei der Transalp, Taschen am Rahmen). Tourenbiker mit schwerem Rucksack sitzen oft besser etwas kompakter und aufrechter. Hier wirklich alle Aspekte zu beleuchten, würde den Rahmen sprengen – habt ihr obenstehende Fragen aber für euch beantwortet, hilft ein qualifizierter Fachhändler gezielt weiter.

3. Carbon oder Aluminium
Ob euer nächstes Tourenbike nun mit Rahmen aus Carbon oder Aluminium aus dem Shop rollt, das hängt ganz von eurem Geschmack und Budget ab. „Carbon bietet klar viele technologische Vorteile. Bikes mit modernen Aluminiumrahmen wie das Specialized Chisel sind aber ebenfalls für viele Fahrertypen attraktiv und bieten in modernsten Entwicklungsstufen ebenso viele Vorzüge“, drückt es Christoph Joch diplomatisch aus. Wir sagen: Wer das nötige Kleingeld mitbringt, der darf ruhig zu Carbon greifen. Die Geschichte von der „Empfindlichkeit“ der Rahmen, welche sich am Stammtisch noch immer hält, halten wir 2024 für eine Mär. Moderne, hochwertige Alurahmen bringen etwas mehr Gewicht mit sich, hier lässt sich aber auch viel Geld sparen. Es bleibt also eine Frage des Budgets und Anspruchs.

4. Kontaktpunkte
Wichtig auch bei den Kontaktpunkten, sprich Lenker, Griffe und Sattel: „Das Bike muss immer dem Fahrer und seinen Zielen angepasst sein, nicht andersherum“, rät Christoph Joch. Ist der Sattel zu tief, kann das Knie schmerzen, auch ein zu weit nach vorne geschobener Sattel kann den Druck auf die Kniescheibe erhöhen. Beim Sattel sollte man beachten, dass lange Touren und viel Gepäck im Rucksack andere Anforderungen stellen können als die schnelle Runde auf den Hausberg. Ebenfalls wichtig: Beim Lenker gilt es eine angenehme Breite zu finden, zu breite Lenker können auf Tour zu Verspannungen führen. Wer lange Touren plant, weiß eventuell auch Lenker mit mehr Rise zu schätzen, da sich so die Position entspannt. Gegen taube Arme und Hände kann eine exakte Anpassung des Lenkers (leichte Rotation in oder gegen die Fahrtrichtung beeinflusst dessen „Biegewinkel“, was die Handgelenke begradigt und entlastet) und des Bremshebels wirksam sein. Auch Griffe mit unterschiedlichen Strukturen oder „Flügeln“ als Auflage können hier helfen.

5. Eine Frage der Reifen
Beim Thema Reifen ist vieles möglich, auch hier spielt das gewählte Terrain wieder die Hauptrolle. Es macht wenig Sinn-Reifen mit Downhillkarkasse tagelang über Forststraßen zu walken, genauso riskiert man mit extrem leichten XC-Reifen Defekte, die sich mit irrelevant geringem Mehrgewicht und etwas höherem Rollwiderstand hätten vermeiden lassen. „Im Zweifel lohnt es sich in vielen Fällen eine etwas dickere Karkasse und gröberes Profil zu wählen. Stürze und Pannen gilt es auf Touren und gerade in Gruppen einfach zu vermeiden. Und der Gewichtsnachteil und eventuelle Zeitverlust bergauf relativiert sich nach der ersten Panne oder einem Ausrutscher ebenso schnell“, weiß Christoph Joch. Was er an Tourenbikes jedenfalls als gesetzt sieht, ist ein Tubeless-Aufbau. Dazu gehören dann auch immer ein Tubless-Reparaturkit, eine Pumpe und/oder Kartusche, aber trotzdem auch ganz klassisch Ersatzschlauch, Flicken und Reifenheber mit auf Tour.