ÖSV-Trainer Hannes Schwarz über den richtigen Zugang zum Training für Hobby-Skifahrer, warum Trinken nicht gleich Après-Ski bedeutet und wann es eigentlich nur noch um Schadensbegrenzung geht.
Keine Sorge. Wer schon einmal einen Profi-Skifahrer in natura vor sich gesehen hat (im Idealfall in kurzer Hose, kurzem Shirt) oder Bilder der Skifahrerinnen beim Stand-up-Paddeln oder auf der Slackline kennt, der weiß: Das sind Topathleten und -athletinnen. Muskelberge, Stabi-Wunder, Supersportler. Was man mit solchen Körpern und Talenten im Training anstellen kann, sieht man eindrucksvoll im Film „One Hell of a Ride“. Da werden Baumstämme über Böschungen gezogen, Gewichte auf Pezibällen gestemmt und Helme mit Gummibändern hin- und hergerissen. Keine Sorge. Das werden wir dir hier nicht als Trainingstipps für die Skisaison mit auf den Weg geben.
Aber wir haben einen Experten gefragt, ob wir normalsterblichen Skifahrer etwas von der Vorbereitung der Profis lernen können. Auch wenn wir nicht über den Hundschopf oder den Ganslernhang müssen, sondern nur die Familienabfahrt in Hinteruntereggendorf halbwegs sturzfrei bewältigen wollen. Und wir haben mit Hannes Schwarz den Mann für aufschlussreiche Antworten. „Ja, man kann sich durchaus etwas abschauen“, verrät der Kärntner Sportwissenschaftler und Konditionstrainer der Weltcupstars wie Marco Schwarz, Manuel Feller und Matthias Mayer.
Fitness
Klar ist, die monatelange Vorbereitungsphase von Profisportlern ist für den Laien nicht machbar. „Aber wer sich über den Sommer hinweg fit hält mit Laufen oder Radfahren – Mountainbiken ist etwa ein sehr gutes Training fürs Skifahren –, bringt schon einiges mit für den Skiwinter“, sagt Schwarz. Dazu noch ein bis zwei Mal pro Woche Krafttrainings mit Kniebeugen und Ausfallschritten, das bringt die nötige Power in die Beine. Wer nicht ständig an seiner Fitness arbeitet, sollte etwa zwei, drei Monate vor dem Winter damit beginnen. Für Minimalisten: Am Dienstag zu starten, wenn es am Samstag auf die Piste geht, ist zu spät. Schwarz: „Da geht es nur noch um Schadensbegrenzung.“
Skitraining
Um fürs Skifahren spezifisch zu trainieren, empfiehlt Schwarz zum einen Einheiten auf „instabilen Untergründen“ wie Slacklines, Pezibällen oder Balance-Boards und zum anderen, den Fokus nun generell aufs Rumpftraining zu legen. „Wenn der Körper über Bauchmuskeln und Rücken keine Stabilität hat, komme ich am Ski nicht zurecht.“ Diesbezüglich auch ein wohl noch praxistauglicherer Rat: „Zu solchen Einheiten zähle ich durchaus auch Tennis oder die Fußballrunde.“
Am Tag X
Fast am idealsten scheint der Ratschlag zu sein, sich von den Profis die Routine am Renntag abzuschauen, vor allem das Aufwärmen. Und dabei meint der ÖSV-Coach ausdrücklich nicht das Programm, das wir von den TV-Bildern eines Marcel Hirscher kennen, der hinter den Starthäusern noch Liegestütze gemacht und Therabänder oder Schlingentrainer malträtiert hat. „Die Basisübungen reichen, um warm zu werden und Verletzungen vorzubeugen. Ich mache das selbst vor jedem Skitag.“ Seine Empfehlungen: nicht aus dem kalten Auto hechten und gleich in den erstbesten Steilhang knallen, sondern vor dem Anschnallen ein paar Minuten investieren. Beinschwingen, Ausfallschritt, Kniebeugen, dabei mit den Skistöcken auch den Oberkörper beschäftigen. Was Olympiasiegermachen, kann uns doch nicht peinlich sein, oder?
Profi-Tipps
- Rechtzeitig das Fitnessprogramm starten: Kraft, Ausdauer, Stabilisation
- Den Rumpf (Bauch, Rücken) auf keinen Fall vernachlässigen
- Ein ordentliches Aufwärmprogramm machen
- Die ersten Fahrten langsam angehen
- Technikübungen zum Gewöhnen an die Position und die Bewegungsabläufe
- Häppchenweise essen und trinken nicht vergessen
- Früh genug aufhören
Erste Fahrt
„Unsere Profis stellen sich nicht ins Starthaus und fetzen weg, sondern sind sich davor in Ruhe ein- und warmgefahren. Das sollte jeder Hobbyskifahrer auch machen“, empfiehlt Schwarz. Das heißt, einfache Pisten für die ersten Fahrten auswählen, nicht den knackigsten Hang. Vorsichtig starten, sich langsam wieder an die Bewegungsabläufe gewöhnen. Dabei kann man durchaus zum Auffrischen ein paar Technikübungen machen, ohne Stöcke fahren, bewusst die Hoch- und Tiefbewegung machen, Schwünge technisch ganz korrekt fahren, Pflugbögen machen und sich generell wieder an die Position am Ski gewöhnen. „Das machen sogar die Profis am Beginn unserer Trainingslehrgänge“, verrät Schwarz.
Essen und Trinken
Es ist merkwürdig, aber was für uns beim Laufen, Radfahren und Bergsteigen ganz normal ist, scheinen wir beim Skifahren oft zu vergessen, nämlich das regelmäßige Essen und Trinken. Und dabei ist jetzt weder das Cordon bleu um 10.45 Uhr noch das Hüttenbier gemeint (und Après-Ski schon gar nicht!), sondern der gelegentliche Schluck aus der Trinkflasche im Rucksack oder im Auto, Obst sowie der Müsli- und Energieriegel in der Jackentasche. Skifahren ist ein richtig anstrengender Sport, unser Körper braucht Energie und entsprechenden Nachschub.
Früh genug aufhören
Klingt komisch, aber selbst das kann man von Top-Athleten lernen. Man muss den Skitag nicht bis zum letzten Tageslicht und dem letzten Körnchen Kraft in den Oberschenkeln ausreizen. Lass es früher gut sein, bevor du müde wirst und die Verletzungsgefahr steigt. „Wenn Profis an einem freien Tag frei Ski fahren und acht bis zehn Mal voll am Zug über eine Piste ziehen, ist es ihnen auch genug und sie hören auf. Trainingsläufe kann man ebenfalls nicht endlos machen“, weiß Schwarz. Also Mut zur Pause, zum Aufhören, zum Ruhetag oder freien Nachmittag im Skiurlaub. „Man kann ja auch shoppen gehen“, lacht Schwarz. Und wie Profis shoppen, erzählen wir beim nächsten Mal ...