Was es mit „Flex“ und „Leisten“ auf sich hat und worauf es sonst noch beim Skischuh ankommt. Gut beraten lassen zahlt sich aus – der Skischuh ist der wichtigste Teil eurer Ausrüstung.

Lukas Schnitzer
Lukas Schnitzer


Ja, Skischuhe sind hart, steif und unnachgiebig. Und ja, unsere Füße sind nicht dafür gemacht, Stunden in derlei Milieu zu verbringen. Doch ein gut passender respektive angepasster Schuh – der macht genau hier einen gewaltigen Unterschied. Tauscht man doch mit ihm kalte, taube Zehen und Druckstellen rundum gegen genügend Komfort für einen ganzen Skitag und perfekte Kraftübertragung auf den Ski. ­Alles, was es dazu braucht, ist ein erfahrener Verkaufsberater und Bootfitter im hochwertigen Fachhandel – und eine entsprechend große Auswahl an Modellen, um „seinen“ Perfect Match zu finden.

Passform ist (fast) alles
Der ideale Skischuh sollte sich für Shannon Korff von Rossignol grundsätzlich „anfühlen wie eine zweite Haut. Er sollte fest genug sein, um Stabilität zu bieten, aber nicht so eng, dass er Schmerzen oder Druckstellen verursacht. Der Fuß sollte dabei gut gestützt werden, besonders im Bereich des Rists, des Knöchels und der Ferse. Die Zehen sollten im vorderen Teil des Schuhs leichten Kontakt haben, ohne gedrückt zu werden“. Die Passform ist entscheidend für Kontrolle, Komfort und das Vermeiden von Verletzungen. Da jeder Fuß individuell ist, betont Korff, dass es bei der Auswahl auch auf das Gefühl ankommt: Es passt einfach nicht jeder Schuh auf jeden Fuß.

Stefan Bieringer von Skischuhhersteller Dalbello unterstreicht trotz aller „Komfort“-Wünsche aber auch einen Punkt, den man bei Beratungen oft zu hören bekommt, als wenig erfahrener Skifahrer aber vielleicht zu wenig ernst nimmt: Ein Skischuh sollte keinesfalls zu groß gekauft werden. Bei bekannten Problemstellen – kritische Stellen identifiziert Bieringer etwa an der Knöchel-Innen- oder -Außenseite, bei einer Hallux-Zehe, einem hohen Rist, einem niedrigen Wadenansatz oder Fehlstellungen der Beine – könne ein Bootfitter wahre Wunder bewirken und Schmerzquellen in der Regel beseitigen. Aber: Platz im Schuh zu schaffen ist immer leichter als Volumen zu reduzieren.

In der Praxis sollte man stets mehrere Modelle zum Vergleich probieren und dann die Schale mit der besten Passform wählen. Ob von diesem Startpunkt dann noch weitere professionelle Bootfitting-­Maßnahmen (wie Fräsen, Drücken, Dehnen, Innenschuh-Anpassungen oder Schäumen) vorzunehmen sind, ist von Fall zu Fall zu entscheiden.

Flex und Leistenbreite
Skischuhersteller, so erklärt Shannon Korff, verwenden unterschiedliche Leistenbreiten (Last) und Flex-Werte, um der Vielzahl an Fußformen und Fahrstilen, Fahrertypen sowie Gewichtsklassen entgegenzukommen. Leistenbreite (Angabe in mm) und Flex sind dabei allerdings nicht als standardisierte Zahl zu verstehen, sondern kategorisieren das jeweilige Modell nur im Sortiment des Herstellers. Ähnlich wie ein T-Shirt in Large nicht überall gleich groß ausfällt oder ein Laufschuh in Größe 43 mal etwas größer oder kleiner geschnitten ist. Grundsätzlich lässt sich aber sagen, dass Schuhe mit angegebenen Leistenbreiten von 96 bis 98 mm im Vorfuß- und Mittelfußbereich sehr schmal ausfallen und für schmale Füße mit wenig Volumen passen. Um die 100 mm gelten als Mittelmaß, sehr breite, voluminöse Füße verlangen vielleicht nach breiten Modellen mit 102 bis 106 mm Leisten. Das Schuh-Volumen geht in gewissem Maß mit der Leistenbreite einher, allerdings gibt es im Fersen-, Knöchel- und Ristbereich von Modell zu Modell wiederum Unterschiede, welche sich erst durch Anprobieren herausfinden lassen.

Ähnlich verhält es sich mit dem Flex-Wert, der die Steifigkeit eines Schuhs definiert. Die Methode, besagte Steifigkeit zu messen, variiert von Hersteller zu Hersteller, weshalb ein Index von 130 bei einem Hersteller deutlich härter sein kann als beim anderen. Leichte oder unerfahrene Fahrer wählen weichere Schuhe, schwere oder technisch sehr gute Fahrer eher steifere.

Übersichtlicher ist die Einteilung in „weich“, „mittel“, „steif“ und „sehr steif“, wobei hier für Männer (Flex 60–80; 85–100; 110–120; 130+) und Frauen (Flex 50–60; 65–80; 85–100; 110+) wiederum unterschiedliche Werte gelten. „Die Devise lautet: Finde am besten gemeinsam mit einem professionellen Berater jenen Flex-Wert, der am besten zu deinem Körperbau, deinem Gewicht und deiner Skitechnik passt. Mit einem zu harten Schuh geht die Kontrolle über die Ski verloren, ein zu weicher Schuh schränkt die Kraftübertragung auf den Ski ein“, erklärt Stefan Dornetshuber von Intersport.

Kategorien-Denken
Skischuh-Modelle gibt es für viele Einsatzbereiche. Hast du vor, „den Tag gemütlich auf der Piste zu verbringen, ohne Geschwindigkeitsrekorde zu brechen“, empfiehlt Dornetshuber ein „Komfort“-­Modell mit viel Polsterung und Bewegungsfreiraum. Eine verhältnismäßig weiche Schale trifft hier auf einen breiten Leisten, die Kraftübertragung auf den Ski reicht für entspanntes Fahren. Sportlich ambitionierten Pistenfahrern empfiehlt er Performance- oder All Mountain-Modelle. Eine härtere Schale trifft hier auf eine weiche Polsterung des Innenschuhs. Die Leisten werden tendenziell schmaler, „der Druck auf das Fußgelenk erhöht sich und die Kraftübertragung ist direkter“.

Freeride-Schischuhe sind oft an All Mountain-Modelle angelehnt, bieten aber auch eine Tourenfunktion für kurze Aufstiege. Steigt man zum ersten Mal in einen Race-­Schuh, scherzt Dornetshuber, „hat man das Gefühl seinen Fuß nie wieder herauszubekommen“. Es hat schon seinen Grund, weshalb Profis nach ihrem Run sofort die Schnallen öffnen. Für ein „möglichst direktes Fahrverhalten und um viel Feedback vom Gelände zu bekommen, ist die Außenschale sehr hart und die Polsterung minimal“. Ein sehr schmaler Leisten trifft auf hohe Flex-Werte – ein Schuh für Experten, die aggressiv Pisten bändigen.

Beim ersten Mal in einem Race-Schuh hat man das Gefühl, seinen Fuß nie wieder herauszu­bekommen.

Stefan Dornetshuber, Intersport

Verschlusssystem neu gedacht
Einer, der diesen Winter mit einer echten Neuheit am Skischuhmarkt in die Offensive geht, ist der Verschluss-Experte BOA®, der gemeinsam mit Atomic, Fischer, K2 und ­Salomon das Thema Skischuh mutig neu denkt. Der klassische Vierschnaller in jahrzehntelang bewährter Überlapp-Konstruktion bekommt dank BOA® H+i1-Plattform einen fein an den Fuß anpassbaren Komfort- und Passform-Boost. Das Konzept ersetzt die unteren beiden Schnallen durch einen speziell angepassten Stahlseil-Zug mit bewährtem Drehverschluss.

„Das System lässt sich millimeterweise an den Fuß anpassen“, weiß Österreichs Slalom- und Riesenslalom-Legende Benni Raich, seit 2015 eng in die Entwicklung involviert. Der Schuh, so erklärt es Raich, legt sich durch den Seilzug quasi um den Fuß. Konträr zur fest gezogenen Schnalle, die eher von oben drückt, umschließt das System mit der gewünschten Kraft den Fuß gleichmäßig und ohne Kraftspitzen oder Druckstellen und es optimiert auch den Fersenhalt. Eine Neuheit am Skischuhmarkt, die es beim Kauf eines neuen Schuhs durchaus in Betracht zu ziehen gilt. 

Lange Shadow 110 LV

 

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