In unserer neuen Serie am Donnerstag plaudern unsere Experten aus dem Nähkästchen. Sei dabei und hole dir wertvolle Tipps zu den Themen Fitness, Biken, Laufen und Co.

Mag. Gerhard Schiemer aus Bad Vöslau (NÖ) ist Sportwissenschafter, Lauf- und Trailrunningtrainer, Mitglied der Trailrunning-Nationalmannschaft und Teilnehmer an der Trailrunning-WM. Leistungsdiagnostik. - Im heutigen Interview erzählt er uns u.a., wie es ihm mit Corona gegangen ist und gibt dir wertvolle Tipps an die Hand, wie du neue sportliche Gewohnheiten dieser Zeit in deinen Alltag integrierst. 

Wie hältst du bzw. hast du dich in der Corona Zeit körperlich und geistig fit gehalten?
Als Läufer hat man es in Coronazeiten nicht schlecht gehabt, das Draußen-Sein in der Natur war für die meisten jederzeit möglich, daheim die Gegend zu erkunden und wertschätzen was man hat, hält sowohl Geist als auch Körper in Schuss. Die Rückbesinnung und das Heraustreten aus dem Hamsterrad hat meinen Geist wieder geklärt.

Was machst du jetzt sportlich? Wie trainierst du jetzt? / Wie hast du vor Corona trainiert? / Was hat sich verändert?
Da keine Wettkämpfe in nächster Zeit anstehen, ist auch ins Training Ruhe eingekehrt. Noch schnell die eine oder andere Einheit einschieben, ein Intervall runterhetzen, um dann rechtzeitig beim nächsten Termin zu erscheinen, war nicht nötig. Generell hab ich nicht viel weniger trainiert, aber viel bewusster und mit Genuss, momentan kann ich mir gar nicht vorstellen, jemals wieder von einem Wettkampf zum anderen hasten zu wollen.

Was hast du am meisten vermisst? Auf was freust du dich danach wieder?
Da ich gern allein unterwegs bin und mit mir das Auslangen finde, war die Zeit keine Strafe, aber ab und zu Freunde zu treffen und Gemeinsamkeiten auszutauschen, ist schon auch was Feines. Gemeinsam zu lachen und Freude zu haben, ist ein besonderer Genuss.

Wenn du Übungen / Workouts nicht machen kannst, welche Alternativen bzw. welche Tipps hast du für die Leser?
Wie gesagt, dem Wahrnehmen und Spüren einen größeren Spielraum zu geben und die Technik zu optimieren, dafür ist jetzt die richtige Zeit. Wo ist meine Fußaufsatz, kann ich die Spannung beim bergauf- und bergablaufen halten, wie ist meine Lage im Raum, merke ich links/ rechts Unterschiede...aber dann auch wieder alles vergessen und die Gedanken fließen zu lassen und die Natur einfach nur wirken lassen.

Hast du eine positive Gewohnheit für dich in den letzten Wochen aufgebaut?
So wenig wie möglich im Supermarkt eingekauft, wo ging, direkt beim Bauern! Und festgestellt, wie wenig man braucht und dabei auf nix Wesentliches verzichten zu müssen. Und der Plastikmüll hat sich drastisch reduziert. In der Familie haben wir täglich abends eine Stunde gemeinsam gespielt. 

Wie willst du die positive Gewohnheit auch in Zukunft für den Alltag nach Corona für dich kultivieren?
Den Termin und Wettkampfplan überschaubar halten.

Was kannst du für Tipps geben, damit man eine positive Gewohnheit jetzt bei eventuell mehr Zeit auch in die Zeit nach Corona bringen kann? z. B. regelmäßiges Spazieren, Wandern, Radfahren, Laufen, Yoga, Meditation, Mentaltraining; frisch, regional und schnell kochen etc.
Den Sport oder die Bewegung auch mal von der Leistung entkoppeln, um einen Ausgleich zu schaffen. Wer seinen Alltag wieder planmäßig und strukturiert aufnimmt, sollte die positiv besetzten Aktivitäten mit einplanen und auch mit hoher Priorität belegen.

Wie siehst du die Zukunft für Bewegung/Sport in der Gesellschaft im Spitzen- und im Breitensport?
Bewegung und Sport gehören zum Ganz sein einfach dazu, wir stecken nicht umsonst geistig in diesem körperlichen Vehikel, um Raum und Zeit erfahren zu können. Der Umgang dieser Begrenztheit lässt uns diese Dimension erfahren. Daher zeigt sich unsere Lebendigkeit in Sport und Bewegung, ob dieser unbedingt organisiert stattfinden muss, ist fraglich, die spielerische Komponente darf auch im Schul- und Vereinssport nicht zu kurz kommen und sollte Raum für das eigene Entdecken lassen.

Siehst du auch Chancen in der Krise für mehr Bewusstsein für Bewegung, Sport, gesunde Ernährung, Zeit in der Natur, ganzheitliches Auf-sich-Schauen (Körper – Geist – Seele) etc. für die Gesellschaft danach?
Unbedingt! Ich denke und hoffe, dass nicht alle wieder voller Hast zurück ins Hamsterrad springen und sich bewusst bleiben, dass die unmittelbare Umgebung und somit die regionalen Strukturen gestärkt werden müssen und somit automatisch für Sicherheit sorgen. Das ist gut für uns und die Umwelt. Und in Summe bleibt auch mehr Zeit. Wenn ich nicht arbeiten gehen muss, um mir dann Dinge leisten zu können, die ich eh nicht brauche, bleibt mehr Zeit für Essentielles, wie Essen kochen, einen Abendspaziergang zu genießen, um dann einen erholsamen Schlaf zu finden.

Gerhard Schiemer
Mag. Gerhard Schiemer

aus Bad Vöslau (NÖ) ist Sportwissenschafter, ­Lauftrainer, Mitglied der ­Trailrunning Nationalmannschaft und Teilnehmer an der Trailrunning WM. Leistungsdiagnostik, Trainingsplanung, Trail­seminare und Laufwochen für Leistungs- und Hobbyläufer auf Anfrage.

Kontakt: www.gerhardschiemer.at