Was ist das bessere „Abnehmtraining“? Sechs Fragen und Antworten zur sportlichen Intervention gegen Winterspeck und Lockdown-Hüftreifen.
Ob bloß die Winterträgheit dahintersteckt? Oder doch auch die seit einem Jahr andauernde, spezielle Situation mitschuld ist – mit ihrem homeoffice- und lockdownbedingten Mangel an Alltagsbewegung? Fest steht, dass sich jetzt im Frühling viele daranmachen, ein paar überschüssige Kilos loszuwerden, die sich im Lauf der Zeit angesammelt haben. Die einen schnüren dafür öfter als gewohnt die Laufschuhe, die anderen greifen aus Überzeugung zu Hantel und Co. Doch welche Trainingsart eignet sich wirklich besser zum Kampf gegen ein paar überschüssige Kilos? Wir haben bei SPORTaktiv-Fitnessexperte Kurt Steinbauer nachgefragt und fassen die Erkenntnisse in sechs Punkten zusammen.
Was eignet sich besser zum Abnehmen: Ausdauer- oder Krafttraining?
Gleich eingangs die direkte Frage – und eine überraschend klare Antwort. Entgegen den widersprüchlichen Empfehlungen, die immer wieder kursieren, ist für Sportwissenschafter Steinbauer die Antwort durch die wissenschaftliche Studienlage eindeutig: „Ausdauersport ist besser geeignet, um Gewicht zu verlieren“. Es gibt dabei allerdings doch einige „Wenns und Abers“ zu beachten.
Abnehmen funktioniert grundsätzlich bekanntlich durch eine negative Energiebilanz – es muss mehr Energie verbraucht werden, als zugeführt wird. „In der Praxis braucht es aber einen recht hohen zusätzlichen Energieverbrauch, um nur durch Sport abzunehmen. Mit moderaten Umfängen funktioniert es nicht, zumindest nicht ohne zusätzliche Ernährungsintervention“, erklärt Steinbauer. 1500 zusätzlich pro Woche durch Sport verbrauchte Kilokalorien (kcal) sind zum Abnehmen das Minimalziel, „wesentlich besser wird der Nutzen, wenn es Richtung 3000 kcal in der Woche geht. Bei noch höheren Sportumfängen wird dann der Zusatznutzen wieder schwächer“. 2500 bis 3000 kcal durch Sport zusätzlich zu verbrauchen, ist also ein guter Ansatz. „Wir sprechen hier allerdings von 30 oder mehr Laufkilometern“, gibt Steinbauer zu bedenken. Sporteinsteiger kommen gar nicht sinnvoll auf so ein Pensum, ohne sich zu überfordern.
Mit zwei einstündigen Laufeinheiten im „Wohlfühltempo“ etwa liegt man unter 1500 kcal und kann ohne zusätzliche Ernährungsintervention mit keinerlei „gewichtsregulierenden“ Effekten rechnen. „Viele scheinen zudem mehr Hunger zu bekommen, wenn sie mehr Sport betreiben“, weiß Steinbauer – dazu aber später mehr.
Welches Ausdauertraining soll man zum Abnehmen wählen?
Immer wieder geistert ja ein „Fettverbrennungspuls“ herum. Die Theorie besagt, dass man mit Training in einem moderaten Pulsbereich die Fettreserven zum Schmelzen bringt. „Der Körper bedient sich aber beim Sport nicht direkt an Bauch- oder Hüftfett“, stellt der Sportwissenschafter eine gängige falsche Vorstellung richtig. Grundsätzlich erfolgt die Energieversorgung beim Sport bekanntlich einerseits über die limitierten Kohlenhydrat- bzw. Glykogenspeicher, auf die der Körper relativ einfach in jedem Belastungsbereich zugreifen kann. Bloß sind diese nach 1,5 Stunden leer. Andererseits sind Fette Energiequellen, die können aber nur im moderaten Pulsbereich verstoffwechselt werden. Ausdauersportler müssen daher für längere Belastungen ihren Fettstoffwechsel trainieren. Je besser man trainiert ist, desto ökonomischer funktioniert die Energiebereitstellung insgesamt und es gelingt dem Körper besser, sowohl Glykogen als auch Fettsäuren in den Muskeln einzuspeichern, die dann zur Energieversorgung im Sport herangezogen werden.
Mit einem direkten Abbau von Körperfett hat das alles aber nichts zu tun. Wer etwa 2,5 Stunden pro Woche in Sport investiert, hat mit 2 Fettstoffwechseltrainings einen viel kleineren Energieumsatz als mit 3 x 50 Minuten Intervalltraining. Intervallbelastungen sind somit eindeutig der Vorzug zu geben, wenn das Ziel Abnehmen heißt. Mit Intervalltrainings lässt sich auch der Fitnesszustand am schnellsten steigern, was zu einem höheren Energieumsatz im Training führt.
Welche Rolle spielt Krafttraining?
Trotz des eingangs Festgehaltenen ist auch Krafttraining wichtig! „Eine trainierte Muskulatur und höhere Muskelmasse erhöhen den Grundumsatz“, erklärt Kurt Steinbauer. Der „Sockel“, von dem aus der tägliche Energiebedarf gerechnet werden darf, ist also umso höher, umso mehr Muskelmasse vorhanden ist. Mit Krafttraining beeinflusst man auch das Verhältnis zwischen Muskulatur und Körperfett positiv. Und es wirkt einem natürlichen Muskelabbau entgegen, der ohne gezieltes Krafttraining ab etwa dem 30. Lebensjahr eintritt.
Auch hier gleich die wichtige Frage angehängt: Welche Art von Krafttraining soll fürs Abnehmen am besten durchgeführt werden? Man muss abwägen: „Bei einem klassischen Muskelaufbautraining ist der Kalorienumsatz im Training ziemlich klein, während er bei einem intensiven Kraftausdauertraining, etwa in Form eines Zirkeltrainings, während des Trainings sehr hoch ist“, sagt Steinbauer. Der positive Langzeiteffekt des Muskelaufbaus ist allerdings ebenfalls mitzubedenken. Die Praxiserfahrung zeigt dem Fitnessstudiobetreiber Steinbauer: „Mit reinem Krafttraining nimmt kaum jemand ab – es sei denn, man greift zusätzlich bewusst über die Ernährung ein.“
Was ist mit dem Nachbrenneffekt?
Krafttraining setzt einen „Nachbrennneffekt“ in Gang, der Energieumsatz bleibt auch in den Stunden nach dem Training erhöht – das wird oft kolportiert als Grund, Krafttraining den Vorzug zu geben. Von Kurt Steinbauer gibt es hier einige wichtige Präzisierungen: „Den Nachbrenneffekt kann man sowohl mit Kraft- als auch mit Ausdauertraining in Gang setzen, aber immer nur mit sehr hohen Belastungen.“ Heißt beim Krafttraining etwa: drei Sätze und am Ende wirklich hart ausbelasten, bis zum Versagen der Kraft. Im Ausdauerbereich würde sich etwa ein „Schnelligkeitsausdauertraining“ eignen: „Zum Beispiel 10 x 200 Meter sprinten mit jeweils 4 Minuten Pause“. Im Gesundheitssport trainiert jedoch kaum jemand mit so hohen Intensitäten, um vom Nachbrenneffekt wirklich zu profitieren, und für Sporteinsteiger ist so ein hartes Training gar nicht geeignet.
Warum ist es also ohne Ernährungsintervention so schwierig?
Weil, wie eingangs erwähnt, der zum Abnehmen benötigte Sportumfang ziemlich groß ist – während 500 kcal pro Tag (und damit 3500 kcal pro Woche) über die Ernährung vergleichsweise einfach einzusparen sind. Zur Einordnung: Um ein Kilogramm Körpergewicht abzunehmen, müssen 7000 kcal mehr verbraucht als zugeführt werden. Wichtig bei Ernährungsinterventionen ist, trotz Kaloriendefizit auf Ausgewogenheit und auf eine gute Versorgung mit Vitaminen und Nährstoffen zu achten.
Wer sich bewusst ernährt, kann auch mit dem durchs höhere Sportpen- sum entstehenden zusätzlichen Hungergefühl bewusster umgehen und tappt weniger leicht in die „Belohnungsfalle“: „Ich hab ja Sport gemacht, jetzt muss ich es mit dem Essen nicht so genau nehmen“ – ein Irrglaube.
Welches Fazit lässt sich ziehen?
Am besten dreht man an beiden Stellschrauben, Bewegung und Ernährung, gleichzeitig. „Die Ernährung steht dabei erfahrungsgemäß an oberster Stelle“, sagt Kurt Steinbauer – der aber auch betont, dass ein Abnehmen über die Ernährung allein eben auch nicht gut funktioniert: „Bewegung unterstützt beim Abnehmen und hilft, nicht wieder zuzunehmen.“
„Softer“ Sport allein aber, etwa viermal in der Woche eine halbe Stunde am Ergometer radeln, hat einen guten Gesundheitseffekt, ist zum Abnehmen aber nicht geeignet. Damit liegt man bei vielleicht 1000 kcal Verbrauch, die man meist unbewusst gleich wieder zuführt. „Mäßiger Sport führt manchmal eher zu mehr Gewicht, weil man das Gefühl hat, mehr essen zu dürfen“, sagt Steinbauer.
Von der Sportseite ist Ausdauersport vorzuziehen – und von den gängigen und einfach durchzuführenden Sportarten ist wiederum Laufen am besten geeignet. Krafttraining allein ist kein „Abnehmtraining“, liefert jedoch wichtige Impulse und ist vor allem langfristig sowie für die Gesundheit enorm wichtig. Der Sportwissenschafter gibt allen, die mit ihrem Hosenbund oder der Waage hadern, abschließend noch einen Gedanken mit auf den Weg, der gerade im etwas vorgerückten Alter gilt: „Ein vielseitig trainierter Körper mit etwas mehr Gewicht ist wesentlich gesünder als ein schlanker, aber untrainierter Körper.“