Jetzt ehrlich: Wer hat schon­ überprüft, ob der ­richtige Luftdruck in der ­Federgabel ist?

Teil 1 unserer Technik-Serie

Christoph Heigl
Christoph Heigl


Fürs Aufmotzen und Verschönern ihrer geliebten Bikes geben Radfreaks gerne und hochmotiviert Unmengen an Geld aus. Zu Recht. Denn leichte Carbonfelgen, neue Reifen, eine Top-Federgabel und bissigere Bremsen machen Mountainbikes schneller. Allerdings brennt man sich dabei auch ganz leicht ein Loch ins Geldbörsel. Bike-Tuning ist teuer. Nur eine Tuningmaßnahme ist gratis: Luft. Egal, ob federleichtes Rennmodell für Marathons, robuste Dinger für Trailbikes oder massive Gabeln in Downhillboliden – in 95 von 100 Bikes sorgt Luft für die Federung und Öl für die Dämpfung. Die restlichen 5 Prozent haben entweder eine Stahlfeder* oder Elastomergummis eingebaut. Doch kaum jemand nimmt sich die Zeit, den Luftdruck richtig einzustellen. Dabei hat das elementarste Auswirkungen auf die Performance des ganzen Bikes.

So stellst du den Luftdruck bei der Federgabel perfekt ein

Bei zu viel Luftdruck nutzt das Rad den vorhandenen Federweg nicht aus, hat zu wenig Traktion und Komfort und springt wie ein störrisches Pferd über den Trail. Bei zu wenig Luft taucht das Bike bei Gewichtsverlagerungen (z. B. Bremsmanöver, Wiegetritt oder Steilstufen) vorne zu tief ein und rauscht durch den Federweg, das Fahrverhalten wird schwammig. Im schlimmsten Fall fliegt man über den Lenker ab. Und schon die geringe Menge von 10 psi (= 0,7 bar) Luftdruck kann zwischen Gut und Böse entscheiden. Ein Geständnis: Ganz kostenlos ist das Lufttuning nicht, denn zumindest eine Federgabelpumpe sollte man besitzen. Damit kann man auch die hinteren Federelemente bei Fullsuspension-Bikes einstellen – das wollen wir hier der Einfachheit halber aber nur erwähnen. Federgabelpumpen haben einen kleinen Kolben, ein Manometer und sind ab 20 Euro in jedem Bikeshop oder Onlineversand erhältlich.

* Bei Stahlfedern kann man logischerweise keinen Luftdruck einstellen. Hier kann man die Federn vorspannen („Preload") oder in unterschiedlichen Härten verwenden.

LUFTDRUCK SET-UP: So stelllst du den Luftdruck optimal ein

  1. Die einfachste Methode: Man schaut auf der Gabel nach, ob eine kleine Tabelle aufgedruckt ist. Die entsprechende Angabe ablesen und fertig, z.B. 65 psi bei 72 kg Körpergewicht.
     
  2. Ohne Etikett: Meistens am linken oberen Gabelholm befindet sich eine Abdeckung (oft mit Aufdruck „Air“), die man abschrauben kann. Darunter erscheint das Luftventil, ähnlich dem eines Autoreifens.
     
  3. Die Pumpe draufschrauben und die Luft komplett aus der Luftkammer auslassen. Dazu drückt man an der Pumpe den Ventilknopf an der Rückseite. Die Folge: Die Gabel sinkt ein, das Rad geht in die Knie.
     
  4. Jetzt einen Kabelbinder an einem der Tauchrohre befestigen und ganz nach unten schieben. Luft wieder hineinpumpen, bis die Gabel ganz herausfährt. Warum Kabelbinder? Nimmt man jetzt Lineal oder Maßband, kann man ablesen, wie viel sich die Gabel herausbewegt hat und hat somit den baubedingt maximal möglichen Federweg eruiert. Wer das schon weiß (Gabeln haben derzeit üblicherweise 80, 100 bis zu 160 oder 170 mm Federweg), kann diesen Schritt überspringen.
     
  5. Jetzt wird’s lustig: Kabelbinder wieder runterschieben und am Rad Platz nehmen, in normaler Fahrposition. Man kann sich dazu auch an der Wand abstützen oder von einer zweiten Person helfen lassen. Die Gabel sinkt durch das Körpergewicht (keinen zusätzlichen Druck ausüben) wieder ein wenig ein – das ist der sogenannte „negative Federweg“ oder im Rennenglisch „Sag“. Vergleichbar mit einem Auto oder Motorrad, die durch Eigengewicht und Fahrer auch einfedern.
     
  6. Entscheidend: Wie tief soll die Gabel einsinken? Wie hoch soll der Sag sein? Die Hersteller geben als Empfehlung 20 bis 25 Prozent des Maximalfederweges an, z.B. 25 mm bei 100 mm Federweg.
     
  7. Beim Test-Fahren sollte sich die Gabel nun schon fast perfekt verhalten und bei großen Hindernissen (Stufen, Sprüngen) nahe oder ganz an den maximalen Federweg herankommen. Praxistipp: Kabelbinder (manche Federgabeln haben von Werk aus rote Gummiringe installiert) drauflassen, so erkennt man permanent, ob der Druck passt. Je nach Zustand und Alter der Dichtungen sollte man den Druck vor jeder großen Tour oder vor jedem Rennen überprüfen. Technikmuffel können aufatmen: Manche Modelle verlieren selbst nach Jahren ohne Kontrolle keine oder kaum Luft.
     
  8. Jetzt geht es ans Feintuning: Fühlt sich die Gabel trotz gutem Richtwert zu hart an, einfach 5 psi ablassen und nachprüfen. Ist sie zu weich, einfach 5 psi nachpumpen. Gibt es den perfekten Wert? Nein, die Vorlieben der Biker sind verschieden. Profis tunen sogar entsprechend dem Gelände: steil? flach? schnell? Sprünge?
     
  9. Passt das Set-up mit dem Luftdruck, kann man – falls vorhanden – die Dämpfungseinstellungen oben am rechten Gabelholm feintunen und das Ein- und Ausfedern der Gabel via Kontrolle des Öldurchflusses schneller oder langsamer einstellen. Aber das ist eine andere Geschichte.