Pistentourengehen ist binnen weniger Jahre zum Massensport geworden. Das sorgt für Spannungen und befeuert Konflikte – insbesondere zum Saisonstart. Der Innsbrucker Berg- und Skiführer Klaus Kranebitter beschäftigt sich intensiv mit der Problematik und sucht Lösungen, mit denen alle Seiten leben können.
Interview: Oliver Pichler
Warum streben immer mehr Skitourengeher auf die Piste?
Pistentourengehen ist heute für viele ein Feierabend-Sport. Es geht dabei nicht um das Abenteuer Skitour, sondern darum, sich zu bewegen. Es ist weitestgehend frei von alpinen Gefahren, insbesondere Lawinen. Man kann auf der Piste ohne alpinistisches Grundwissen loslegen. Es ist skitechnisch einfacher – man muss keine Spur machen, nicht im Tiefschnee abfahren.
Wohin geht der Trend: Touren auf der Skipiste oder im freien Gelände?
Von den Mengen her beobachte ich einen eindeutigen Trend Richtung Piste. Das hat damit zu tun, dass sich Tourengeher auf der Piste sicherer fühlen. Viele von ihnen haben zu wenig Zeit oder zu wenig Wissen für Touren im freien Gelände. Dazu kommt, dass man eine Pistenskitour problemlos alleine machen kann, während man im freien Gelände mit Partnern unterwegs sein sollte.
Das Wachstum findet also vor allem auf der Piste statt?
Soweit ich das überblicken kann, ja. Verlässliche Zahlen liegen allerdings nicht vor. Sicher ist, dass es Skitouren-Einsteiger nach ersten Erfahrungen auf der Piste ins freie Gelände zieht. Überdies beobachten wir, dass viele der klassischen Tourengeher, die das freie Gelände bevorzugen, Pistentouren zusätzlich zum Trainieren und für eine abendliche Sporteinheit nutzen.
Klaus Kranebitter | KLAUS KRANEBITTER aus Innsbruck ist 44 Jahre alt, staatlich geprüfter Berg- und Skiführer sowie Fotograf. Seine Mission sieht der Tiroler darin, kluge Lösungen für neue Trends und Entwicklungen im Bergsport zu finden. Wichtig ist es ihm, Wege zu gehen, die für alle Beteiligten positive Effekte bringen. Im Bereich Pistentouren betreut er die Angebote am Patscherkofel und in Seefeld (Rosshütte). Auch beim Pistentourenkonzept am Pitztaler Gletscher (neuer Skibergsteigerpark) ist er involviert. Kranebitter ist weiters Gründer und Entwickler von SnowHow, einem Verein zur Förderung von Bildung und Sport, und hat die Snow & Alpine Awareness Camps (saac) ins Leben gerufen. |
Was bedeutet die Zunahme an Pistentourengehern?
Es ist eine neue Sportart entstanden. Erst durch das Gehen auf den Pisten wurde das Tourengehen zum Massenphänomen. Deshalb sind Gemeinden und Länder, der Tourismus und die Seilbahnwirtschaft gemeinsam gefordert. Für das Pistentourengehen begeistern sich die regionale Bevölkerung gleichermaßen wie bestehende oder potenzielle neue Urlaubsgäste.
Oft wird mit dem Unfallrisiko argumentiert. Wie groß sind die Gefahren denn wirklich, wenn aufsteigende Pistengeher und abfahrende Skifahrer aufeinander treffen?
Bezogen auf die Mengen der Personen, die abfahren beziehungsweise bergauf gehen, passiert glücklicherweise nicht viel. Gefährliche Situationen gibt es aber relativ oft. Und es dürfte eine gewisse Dunkelziffer geben, da es nur zu einer Unfallmeldung kommt, wenn ein Verletzter die Bergrettung benötigt.
Was sollten also Pistentourengeher speziell bedenken?
Das Kuratorium für alpine Sicherheit (www.alpinesicherheit.at) hat zehn sehr gute Empfehlungen definiert. An diese sollte sich einfach jeder halten (die Empfehlungen im Wortlaut siehe im Kasten unten, Anm. der Redaktion).
Eine dieser Empfehlungen lautet, Hunde nicht mitzunehmen. Dennoch sind sie oft als Begleiter von Pistentourengehern mit dabei?
Man kann niemandem verwehren, seinen Hund mitzunehmen. Hunde gehören bei Pistentouren aber in jedem Fall an die Leine. Beim Bergaufgehen ebenso wie bei der Abfahrt auf der Piste.
Welche Lösungsmöglichkeiten siehst du, um die Konflikte beizulegen?
Dreierlei ist möglich und wichtig: Erstens Lenken und beschildern. Zweitens informieren – durch Infotafeln sowie Öffentlichkeitsarbeit. Drittens mit Aufklärungsangeboten Verständnis zu wecken: etwa mit Vorträgen zum Thema Skitourengehen, mit Internetportalen oder App-Lösungen ...
Was wünschst du dir von den Pistentourengehern?
Pistentourengeher müssen sich bewusst sein: Sie benützen aufwendig gewartete, sehr teure Infrastruktur – sprich die Pisten – und zahlen dafür nichts oder sehr wenig. Die Tourengeher sind nicht die primären Nutzer der „Sportanlage" Piste. Deshalb wünsche ich mir von ihnen Verständnis für Regeln, Einschränkungen oder etwaige Gebühren.
Konkret: Soll man fürs Skitourengehen auf Pisten bezahlen müssen?
Wenn das Skigebiet für das Pistengehen einen Beitrag vorschreibt, dann ist dieser Beitrag zu bezahlen.
Was wünschst du dir von Skigebietsbetreibern?
Ich wünsche mir Offenheit gegenüber der neuen Sportart Pistentourengehen. Kompromissfähigkeit. Die Bereitschaft, in Lenkungs- sowie Aufklärungskonzepte zu investieren. Und Aufgeschlossenheit gegenüber Ideen, um mit dem Pistentourensport zusätzliche Einnahmen zu generieren.
Welche Lösungen sind aus deiner Sicht besonders gut?
Wenn sich Skigebietsbetreiber bemühen, mit dem Phänomen Pistenskitouren umzugehen, ist das immer positiv. Negativ ist, wenn Pistentourengeher kategorisch ausgeschlossen werden. Blockaden sind nie die Lösung.
EMPFEHLUNGEN FÜRS PISTENTOURENGEHEN Vom Kuratorium für Alpine Sicherheit |
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