Unser Sportmedizin-Experte Dr. Robert Fritz ist als Freizeitsportler vor allem: Mountainbiker! Da liegt eine eigene „SPORTaktiv-Doc“-Folge speziell für die ­Biker:innen nahe.

Christof Domenig
Christof Domenig

Das legendäre Cape- Epic-Rennen in Südafrika war in den letzten beiden Jahren das private sportliche Jahres-Highlight unseres Sportmedizin-Experten. Heuer sind es das 4Islands MTB in Kroatien sowie das Andorra Epic in den Pyrenäen, die auf Robert Fritz’ Plan stehen. Das zeigt die Wertigkeit, die das Sportgerät Mountainbike im Leben des viel beschäftigten „Sport-Docs“ (der unter anderem Rennarzt beim Vienna City Marathon ist) hat.

Eine eigene „SPORTaktiv-Doc“-Folge für die Mountainbiker:innen liegt somit nahe. Was dem Mediziner und seinen sportwissenschaftlichen Kollegen in der Wiener „Sportordination“ anhand zahlreicher Leistungstests von Hobby-Mountainbikern auffällt, ist einerseits eine signifikante Schwäche in der Grundlagenausdauer. Die sich sportartspezifisch – der „Berg“ und damit die Höhenmeter stecken schließlich schon im Namen Mountainbike drin – auch logisch begründen lässt. Das zweite Hauptproblem vieler Hobbybiker, so die Diagnose des Mediziners, ist ein Mangel an Kraft – speziell, was doch überrascht, der Beinkraft!

Problem 1: fehlende Grundlage
Starten wir bei der Grundlagenausdauer: „Ein Mountainbiker fährt im Normalfall wenig im Flachen, was schade ist, weil die Grundlage extrem wichtig ist“, sagt Fritz. Der jedoch gleich Lösungsansätze liefert: „Ich selbst trainiere viel am Ergometer – eigentlich jeden Tag unter der Arbeitswoche, wobei diese Einheiten nicht lang sein müssen. Von Montag bis Donnerstag oder auch Freitag abends locker daheim ausradeln, man kann dabei einen Film schauen, Musik hören. Am Wochenende fahre ich dann draußen mit dem Bike und hole mir die intensiven Belastungen, die Spitzen, die fürs Fahren am Berg auch wichtig sind. Oft ist es eine längere, intensivere Ausfahrt am Samstag, fahrtspielartig hügelig. Am Sonntag kommt im Idealfall eine lange, lockere Einheit mit zwei, drei Stunden oder auch mehr dazu.“

Klingt nach viel. Was Fritz aber wichtig ist, zu betonen: Grundlageneinheiten können und dürfen auch kurz ausfallen. Es sei ein häufiges Missverständnis, dass kurze, lockere Einheiten abgesehen von einem regenerativen Effekt keinen ­Nutzen hätten. „Keine Scheu vor niedrigintensiven Einheiten“, so der Rat. „Und: Es bringt sehr wohl auch etwas, wenn die Einheit nur 30 Minuten dauert. 5-mal die Woche 30 Minuten locker trainieren sind dann auch 2,5 Stunden.“ So ein lockeres Ausradeln daheim nach einem Arbeitstag helfe auch dem Geist, nach einem Arbeitstag runterzukommen, es verbessert die Schlafqualität – und ist als Kontrast zu einer Belastungsspitze am Wochenende richtig gutes Training.

Eine andere Option für Hobby-Mountainbiker, um auch am Berg Grundlage zu trainieren, wäre ein E-MTB, rät Fritz. Die Aversion, die manche immer noch beim motorisierten Bike empfinden, gilt es abzulegen – weil es erstens die Trainingsqualität verbessern kann und zweitens einfach Spaß macht. Man könne aber auch durchaus mit dem reinen Muskelbike leichte Anstiege mit leichter Übersetzung so langsam treten, dass der Puls nicht davongaloppiert. Man müsse bloß drüberstehen, dabei von anderen überholt zu werden.
Auch den täglichen Arbeitsweg könne man nutzen, um Umfänge in niedriger Intensität zu sammeln, rät Fritz. Wie es nicht sein soll: „ausgelaugt vom Beruf ins Wochenende gehen und in diesem dann das ganze Training reinzupacken versuchen. Das funktioniert nicht, der Trainingsreiz greift dann auch nicht.“

Problem 2: fehlende Kraft
Oberkörper, Körpermitte, Rücken, Schultern – die meisten Hobbybiker wissen zumindest in der Theorie,  dass ihr Training am Bike eine Ergänzung an Kraftmaschinen oder mit Lang- und Kurzhanteln braucht. Fritz und Kollegen in der Sportordination ernten aber oft ungläubige Blicke, wenn sie vor allem auch ein Beinkrafttraining empfehlen. „Die Beine trainiere ich doch eh beim Biken mit?“ – „Leider nicht“, klärt der Sportmediziner den häufigen Irrtum auf. „Durchs Runterdrücken des Pedals trainiere ich den Stoffwechsel, aber vergrößere nicht den Muskelquerschnitt in den Beinen. Es ist ein Kraftausdauertraining, aber kein Krafttraining und ersetzt dieses auch nicht.“

Um richtig Power ins Pedal zu bringen, braucht es eine kräftige Beinmuskulatur, die man sich beim Krafttraining holt. Auch Mountainbike-Profis investieren viel in die Kraft, weiß Fritz. Idealerweise macht man das verschärft im Winter, mit zwei bis drei Krafteinheiten pro Woche. Hat man über die kalte Jahreszeit das Muskelkorsett aufgebaut, kann man es über die Saison mit einer wöchentlichen Einheit gut erhalten, rät der Mediziner. Wer’s bisher gar nicht getan hat: Ins Krafttraining einsteigen kann man natürlich jederzeit. 

Aus Performancegründen wie auch aufgrund von Verletzungsprophylaxe ist das Krafttraining ein Muss. Neben den Beinen „ist der Rumpf extrem wichtig. Schließlich gibt es beim Mountainbiken auch viele Situationen, wo du dein Rad einmal tragen musst“. 
Aus medizinischer Sicht ist das Krafttraining für alle, die in erster Linie radfahrend trainieren, aus noch einem Grund besonders wichtig: „Ich habe vielleicht einen sitzenden Job, sitze dann auch beim Training am Rad: Da fehlt den Knochen wichtige Belastung. Das Osteoporoserisiko ist bei Radfahrern höher, speziell bei Frauen. Es ist natürlich großartig“, sagt Fritz, „dass bei Frauen Radfahren im Moment richtig in Mode ist, aber für die Knochengesundheit ist es eben nicht ideal.“ Dieses Manko lässt sich durch regelmäßiges Krafttraining sehr gut ausgleichen. „Knochen brauchen Zug und Druck, und beides bekommen sie beim Training mit Gewichten.“

Das Treten in die Pedale ist ein Kraftausdauertraining, kein Krafttraining und ersetzt dieses auch nicht.

Gut geplant = zeiteffizient 
Wer jetzt denkt, schön, aber wie kriege ich das alles in einer Woche unter, dem sei entgegengehalten, was unser SPORTaktiv-Doc immer rät: Einmal in eine Leistungsdiagnostik investieren, um den körperlichen Istzustand feststellen zu lassen – und darauf aufbauend von einem Trainingsprofi einen Plan zusammenstellen lassen, der Ziele, persönliche Stärken und Schwächen sowie individuelle Zeitressourcen berücksichtigt. So lässt sich effektiv und zeitsparend trainieren, weil „leere“ Trainingskilometer wegfallen.

Watt oder Herzfrequenz?
Eine Frage, die sich viele ambitionierte Hobbybiker stellen: Altbewährt mit Herzfrequenzmessung das Training steuern – oder wie im Profiradsport wattgesteuert trainieren? Die Grundlageneinheiten soll der Nichtprofi unbedingt mit der Herzfrequenz steuern, rät Fritz, „weil die Herzfrequenz ein Feedback darüber gibt, wie es meinem Körper geht. Stressbelastungen, wenn ich schlecht geschlafen habe, müde bin – die sehe ich an der Herzfrequenz.“ 

Die Watt-Leistung „ist dann spannend, wenn es um die Intensitäten geht“, sagt Robert Fritz. „Ich selbst fahre meine Rennen alle wattgesteuert und weiß ganz genau, bis zu welcher Wattleistung ich gehen darf, wo der gelbe und der rote Bereich beginnen. Gerade wenn Strecken wellig sind, bist du immer in einer hohen Wattbelastung drinnen, was aber bei der Herzfrequenz oft gar nicht so auffällt, weil diese nicht so schnell reagiert.“ Auf fortgeschrittenem Niveau habe Wattmessung unbestritten Vorteile, „für alle, die den Sport ambitioniert betreiben, würde ich eine Wattkurbel deshalb empfehlen. Für die meisten Hobbysportler ist das aber nicht notwendig, da reicht die ganz normale Sportuhr aus.“ 

Dr. Robert Fritz
Dr. Robert Fritz

Der Sport- und Ernährungsmediziner ist einer der Gründer und medizinischer Leiter einer Unit der „Sportordination“ in Wien und einer der bekanntesten Sportärzte in Österreich. Als „SPORTaktiv-Doc“ beleuchtet er kompetent in jeder Ausgabe ein Sport- oder Ernährungsthema.


Web: www.sportordination.com