Für den Odlo-Athleten Jake Catterall existieren Grenzen nur im Kopf: Leben beginnt für den britischen Ultraläufer dort, wo die Komfortzone endet. 

Lara Wulz
Lara Wulz

Weiter, weiter und noch einmal weiter: Wenn man Jake Catterall mit etwas in Verbindung bringt, dann damit, dass es für ihn kein Ende zu geben scheint. Er gilt in der Ultralaufszene und darüber hinaus als lebendes Beispiel dafür, wie man Grenzen überwindet und andere dazu inspiriert, dasselbe zu tun. Der Brite verleiht dem Wort „Ultra“ eine neue Bedeutung und meistert mit seinen Projekten irrwitzige Herausforderungen. Von einem 2000-Kilometer-­Lauf über die Alpen bis zur 5660 ­Kilometer langen Durchquerung Europas von Norwegen nach Spanien – seine Läufe sind so monumental wie die Berge, die er dabei überwindet.

Catterall will seine Botschaft „Yes to More“ verbreiten und andere dazu ermutigen, sich voller Hingabe dem zu widmen, was sie lieben: „Ich möchte die Menschen daran erinnern, dass sie die Dinge, die ihnen Freude bereiten, nicht in kleinen Dosen genießen sollten. Stürze dich stattdessen mit 100 Prozent deiner Energie darauf.“ Was ihn dabei so authentisch macht, ist wohl auch die Tatsache, dass Catterall, der seit zehn Jahren in Amsterdam lebt, kein Profisportler ist, sondern einem Beruf als Art Director nachgeht. 

Sein ungewöhnlicher sportlicher Weg begann mit der spontanen Entscheidung, gemeinsam mit ein paar Freunden an einem Ironman-­Triathlon (3,8 km Schwimmen, 180 km Radfahren und 42,195 km Laufen) teilzunehmen: „Ich hatte vorher noch nie einen Triathlon, geschweige denn einen Ironman gemacht. Nach einem Jahr Training für diesen Wettkampf hatte ich das Gefühl, dass sich mein ganzes Wesen verändert hatte. Ich hatte eine Disziplin entwickelt wie nie zuvor und wollte eine Herausforderung, die noch größer war als der Ironman. Also fragte ich dieselben Freunde, mit denen ich den Wettkampf gemacht hatte: Was soll ich als Nächstes tun?“ 
 

Wenn ich auf ein Ziel fokussiert bin, kann ich buchstäblich einen Kontinent überqueren.

Dieses Erlebnis veränderte für den damals 25-Jährigen nicht nur seine Perspektive und sein Mindset, sondern markierte auch den Startpunkt für seine „Way Beyond“-Serie. Eine Serie extremer Projekte, die ihn nicht nur auf sein großes Ziel – die Durchquerung der Antarktis im Alleingang – vorbereiten, sondern auch eine Plattform sein sollen um andere dazu zu inspirieren, ihr eigenes Potenzial zu entdecken: „Bei jedem meiner Events gibt es eine zentrale Botschaft, über die ich möchte, dass die Zuschauer nachdenken. 2023, als ich Europa von Norwegen bis nach Spanien durchlaufen bin, lautete sie: Geh weit über das hinaus, was du für möglich hältst. In einer Welt, die Erholung und das Verbleiben in der Komfortzone propagiert, möchte ich die Menschen dazu bringen, ihre Komfortzone zu verlassen. 2024, bei meinem Lauf entlang der Alpen, war dann die Botschaft: Sag Ja zu mehr von dem, was du liebst.“

In ebendiesem Projekt „Way Beyond: Running the Alps“ legte Catterall 2000 Kilometer zurück und überwand dabei 110.000 Höhenmeter in 35 Tagen – das sind beinahe 60 km und über 3000 hm pro Tag. Von Triest folgte er der Via Alpina auf dem „Roten Weg“ durch Italien, Slowenien, Österreich, Deutschland, Liechtenstein, die Schweiz und Frankreich bis nach Monaco. Rückblickend beschreibt er die Herausforderungen so: „Es geht darum, ­herauszufinden, wozu man fähig ist, und diese Reise mit anderen zu ­teilen, um sie zu motivieren.“

Solche Herausforderungen sind für ihn nicht nur Sport: All seine Unternehmungen sind auch ein Spiegel seiner Werte. „Das Leben hat mich gelehrt: Es braucht viel, um mich zu stoppen. Wenn ich auf ein Ziel fokussiert bin, kann ich buchstäblich einen Kontinent durchqueren oder die Länge einer Gebirgskette laufen, um es zu erreichen.“ Genau dieses Durchhaltevermögen und diese Fokussierung möchte er weitergeben – mit der Hoffnung, andere zu inspirieren, ihre eigenen Grenzen zu überwinden. Denn, so Jake Catterall, das Leben beginnt dort, wo die Komfortzone endet. Die Durchquerung der Antarktis möchte er in Angriff nehmen, „wenn die Zeit reif ist“ – bis dahin warten weitere Challenges.