Trailrunning, die minimalistischste aller Fortbewegungsarten am Berg, im Wald und entlang neuer Pfade boomt. Und zwar mit Recht!

Lukas Schnitzer
Lukas Schnitzer

Hektisch sind sie, diese Zeiten, in die wir hineingeboren wurden, in die wir hineingewachsen sind. Mit jedem Millimeter gewonnener Bildschirmdiagonale am Smartphone und mit jedem neuen Mobilfunkstandard nimmt unser Leben an Fahrt auf. Social Media, E-Mail, Messenger-Dienste. Egal ob im Job oder im Privaten – die Pace wird stegig höher. 

Während diese Zeilen langsam aus meinen Fingern rinnen, sitze ich gerade am brummenden Flughafen Paris-Charles de Gaulle. Noch vor wenigen Stunden stand ich neben den Rennradhelden des vielleicht prestigeträchtigsten Frühjahrsklassikers im geschichtsträchtigen Vélodrome von Roubaix. Zwei Tage davor durfte ich selbst im Sattel sitzen, auf einhundert gar nicht so lockeren Kilometer rund um und über die legendären Pavés von Paris–Roubaix am eigenen Leib spüren, wie sich das Peloton wohl fühlen würde. Dazwischen? Nahmen eingebettet von Presseterminen und E-Mails die Inhalte der gerade in euren Händen befindlichen Ausgabe Gestalt an. Jetzt beobachte ich von Gate zu Gate hastende Herren im feinen Zwirn, müde Reisende vor den Cafés und zielstrebig durch die Hallen steuernde Stewardessen – und versuche nebenbei der Schönheit, der Einzigartigkeit des Trailrunnings Ausdruck zu verleihen. Eigentlich nicht minder hektisch.
 

Beschleunigte Entschleunigung
Mit nicht viel mehr als nur einem Paar Schuhen an den Füßen tief hinein in die Wälder und Auen, hoch hinauf über einsame Pfade bis zu abgelegenen Gipfeln. Reduziert auf dich selbst, den Gewalten der Natur ausgesetzt, gesteuert vom pochenden Puls. Wenn sich Straßen längst verloren haben, Wege zu Pfaden werden – dann kehrt Stille ein, verlieren die hektischen Kräfte unseres Lebens an Macht. 

Trailrunning, der flotte Schritt querfeldein, über Stock und Stein und gerne auch hoch hinaus – es ist der krasse Gegenpol zu dem, was uns der Alltag auflädt. Mit der Beschleunigung der Schritte entschleunigen sich die Gedanken.

Trailrunning, das ist Abenteuer, ist Herausforderung und Belohnung zugleich. Vor allem ist es aber auch Lehrmeister fürs Leben im Sturm der Gegenwart.

Lehrmeister des Lebens
Gut, das mit dem Lehrmeister des Lebens mag sich schnulzig lesen – aber hey, es war ein langer Tag und am brummenden Flughafen in alpinen Erinnerungen schwelgend neigt man vielleicht dazu, etwas dick aufzutragen. Tatsächlich beharre ich jedoch darauf, dass uns Wälder und Berge, Steige und Pfade – neumodisch auch „Trails“ – immer auch etwas lehren. Laufend durch Wald und Wiese, steil bergauf oder berg­ab und mit wackeligen Beinen über Bergkämme – da zeigen die hektisch pulsierenden Brecheisen und Brandbeschleuniger des (Berufs-)Alltags keine Wirkung mehr.

Hier diktieren kein Chef, keine Familie, kein Freundeskreis und kein digital pseudosozialer Feed das Tempo. Mit nichts als unseren fünf Sinnen und der eigenen Physis gewappnet, ist es unser Körper, der plötzlich wieder das Kommando über die Pace übernimmt. Schritt für Schritt, Atemzug für Atemzug geht es nur so schnell, wie es eben individuell möglich ist, geht es nur so weit, wie die eigenen Beine tragen. Wer sein eigenes Tempo nicht findet, dem zeigt der Körper schnell die Grenzen auf. Das Laufen tief drinnen in der Stille der Natur lehrt, auf den eigenen Rhythmus zu hören, mit den eigenen Ressourcen hauszuhalten. Der Lehrmeister des Lebens, er erzählt dir ganz viel über dich selbst – und wer nicht hören will, muss eben fühlen.

Wenn sich Straßen längst verloren haben und breite Wege zu schmalen Pfaden werden – dann kehrt Stille ein. 

Facettenreich und für jedermann
Aber genug der Esoterik. Laufen in der Natur ist einfach pure Entspannung und wer von asphaltierten Gehwegen und Parks die Nase voll hat, der findet abseits der maschinell entstandenen Wege Ruhe und vor allem abwechslungsreiche Untergründe – gut für die Muskulatur und Gelenke, aber auch ein perfektes Tool gegen die Monotonie. Was früher als Berglauf nur für „Extreme“ als attraktiv galt, hat heute in unterschiedlichsten Ausprägungen sowohl als feierabendliches Hobby wie auch im Wettkampfformat für jedermann an Reiz gewonnen.

Denn egal ob über flache Feldwege und durch unberührte Auenlandschaften, über die rundum aus dem Boden sprießenden Panoramawege, durch und über Weinberge oder entlang alpiner Pfade in die echten Berge – eine Möglichkeit kurze Strecken oder extreme Distanzen im Gelände zu laufen findet sich auch für Einsteiger nahezu überall. Und fernab vom Verkehr tief drinnen in der Natur wird jeder Lauf zum landschaftlichen Erlebnis, eben zum kleinen Abenteuer. 

Alles was es für den Einstieg braucht, ist ein Paar adäquater Laufschuhe. Modelle für gemischte Untergründe, Spezialisten für die Vertikale und solche für die Langstrecke fächern den Markt heute breit auf. Wer sich auf die Jagd nach FKTs (fastest known time) machen oder in teils über extreme Distanzen führende Wettkämpfe und Abenteuer stürzen möchte, kann sich hier in der Vielfalt des Marktes austoben. Für den Einstieg genügt aber einfach nur ein Paar Laufschuhe – die Hürde zur Freiheit auf zwei Beinen hängt damit wohl nirgendwo tiefer als im Trailrunning. Darum: Schnür deine Schuhe und probier es einfach aus!