Taper was? Wir erklären gemeinsam mit Andreas Vojta, worum es im Tapering geht, wie es aussehen könnte und was man sich davon erwarten darf.

Lukas Schnitzer
Lukas Schnitzer

Sportler mit gut durchdachtem und strukturiertem Trainingsalltag verfolgen meist ein Ziel. Das kann eine Gewichtsreduktion oder gesteigerte Fitness im Allgemeinen sein – gerade im Laufsport- und anderen Ausdauersportarten motivieren sich Hobbysportler aber gerne mit dem einen oder anderen Wettkampf-Highlight. Begleitet von angenehmen Temperaturen und mit einem hoffentlich aktiven Frühling und Sommer in den Beinen, bietet sich besonders der Herbst für solch ein Lauf-Highlight zwischen flottem Straßenlauf und knackigem Trail-Event an.

Um nach den hoffentlich auch spaßbringenden, aber sicherlich öfters auch zehrenden Einheiten der langen Trainingsmonate am Tag X die maximale Leistung abrufen zu können, im Fachterminus „Peak“ genannt, gilt es auch im großen Finale des Trainingsjahres nochmals genau hinzusehen und sein Training mit Bedacht zum großen Tag hin zu steuern. Diese letzte Optimierung vor dem Wettkampf kann man mit einem sogenannten „Tapering“ umsetzen – laut aktueller Studien sind damit, korrekt ausgeführt, je nach Athlet zwischen 0,5 bis 6 % Leistungsverbesserung zu erwarten, im Schnitt darf man von etwa 4 % ausgehen. Das für viele Überraschende daran: Man trainiert nicht mehr, sondern weniger! Wer glaubt, in den Tagen vor dem Lauf die Fitness steigern zu müssen, ist auf dem Holzweg. Es geht darum, gezielt die Form zu verbessern.

Mut zur Umfangsreduktion: Zwei Wochen vor dem Wettkampf holt man mit Training nichts mehr auf.

Weniger Umfang, bessere Form
Ganz allgemein gesprochen versteht die Trainingswissenschaft unter einem Taper eine progressive Reduktion der Traingsbelastung. „To taper“ meint „abnehmen“, das Trainingspensum wird also verringert. Diese über mehrere Tage oder Wochen gezielt eingesetzte Reduktion zielt darauf ab, aus dem Trainingsalltag entstandene physische wie psychische Stressoren abzubauen und die Anpassungen des Körpers an die gesetzten Reize und somit die Leistungsfähigkeit zu erhöhen. Richtig umgesetzt, schlägt sich der verringerte Trainingsumfang in besserer Form und somit besserer Wettkampfleistung nieder. Kurzum – man tritt im Training unmittelbar vor dem Tag X einen Schritt kürzer, um den Körper zum Wettkampftag maximal erholt und am Gipfel der aktuellen Leistungsfähigkeit an die Startlinie zu stellen.

Gesteuert wird ein Tapering hauptsächlich über zwei Variablen: Trainingsvolumen und Trainingsintensität. Beide gilt es für ein erfolgreiches Tapering gekonnt auszubalancieren. Oft wird dabei die Intensität falsch eingeschätzt. Studien zeigen, dass diese über den Tapering-Zeitraum aufrecht bleiben muss, um ein Detraining, also einen Formabbau zu verhindern. Kontrollierte Intervalle in oder sogar über Wettkampfpace oder Steigerungsläufe bieten sich hier an. Die Trainingsfrequenz, sprich die Zahl der Einheiten, so gängige Empfehlungen, sollte bei mindestens 80 % oder sogar auf gleichem Niveau gehalten, das Volumen hingegen im Verlauf des Taperings um rund 60 %, in manchen Empfehlungen gar bis zu 90 % reduziert werden. 

Es gilt also vor allem die Dauer der Einheiten herunterzuschrauben. Die Intensität sollte hoch bleiben und auch die Zahl der gewohnten Einheiten sollte man nur minimal reduzieren. Oder für Läufer: Der Umfang und somit die Wochenkilometer werden reduziert, das Lauftempo nicht. Auf wie viele Tage man solch ein Tapering nun ansetzen sollte, ist wiederum individuell. Studien deuten auf einen Zeitraum von 4 bis 28 Tagen hin, wobei die Dauer einerseits vom Athleten selbst abhängt (war er schon an der Grenze zum  Übertraining, gab es Verletzungen oder Krankheiten in der unmittelbaren Vorbereitung, etc.), aber auch von der gewählten Wettkampfdistanz. So tendieren Athleten, die sich auf kürzere Strecken vorbereiten, zu kürzeren Taperingphasen als solche, die sich auf Langstrecken stürzen.

Tapering für Marathoni
„Ich persönlich bevorzuge für Marathons eine Art progressiven Taper“, erklärt uns der Wiener Andreas Vojta, der als langjähriger Spitzenläufer auf der Mittelstrecke aktuell den Wechsel hin zum Marathon vollzieht. Auf kurzen Strecken war das Tapering nie so ein großes Thema für ihn, wie es jetzt im Marathon der Fall ist. Er beginnt beim Marathon etwa zwei Wochen davor mit dem Tapering, reduziert dabei über den gesamten Zeitraum hinweg progressiv die Umfänge, verkürzt also seine Läufe und Einheiten erst um etwa ein Viertel und reduziert von dort weg sukzessive bis zum Wettkampftag. Dabei hilft es ihm, mental darauf zu vertrauen, dass es o.k. ist, auch mal zurückzuschrauben oder gar Ruhetage einzulegen, auch wenn „das Gefühl sagen mag, du solltest mehr trainieren“. Wer sich zu einem Tapering entschließt, sollte seinen Plan auch wirklich durchziehen und sich bewusst machen, dass „man in den zwei Wochen vor einem Wettkampf nichts mehr zu gewinnen hat, was in den Monaten davor passieren hätte sollen, hier holt man nichts mehr auf“. Anders ausgedrückt: „Du kannst mit ein paar Tagen Training nicht super werden, aber wenn du ein bis zwei Wochen zurückschraubst, wirst du auch kein schlechterer Läufer – im Gegenteil. Jetzt geht es darum, die Form zu erhalten und maximal zu regenerieren, um mit einer hundertprozentigen Frische am Start zu stehen.“ Gerade in der Marathonvorbereitung wird man trotz regenerativer Tage einfach mal müde – das Tapering ist hier das Mittel zum Zweck, um am Wettkampftag maximal erholt zu sein. Und da darf man auch ohne schlechtes Gewissen mal etwas weniger hart trainieren.

Die „richtige“ Antwort zum „perfekten“ Taper muss jeder individuell für sich finden. Gemeinsam mit einem Coach oder alleine und mit viel Erfahrung. Andreas Vojta versucht sich für uns aber dennoch an einer Art „Guideline“, sozusagen als möglicher Anhaltspunkt für alle neugierigen Hobbyläufer. Zwei Wochen vor dem Wettkampf sähe er eine letzte große Abschlusseinheit, ab dort würde er den Umfang (also Distanz/Dauer der Läufe, Anm.) sowohl von langsamen als auch mittleren Läufen um ein Viertel bis ein Drittel reduzieren und die Reduktion dann progressiv weiterziehen, bis man ihn schließlich in der Wettkampfwoche halbiert. Statt dreistündigen Dauerläufen darf man auch gerne auf eine Stunde reduzieren, nur als Beispiel. Eine Woche vor dem Wettkampf darf es durchaus noch mal eine „kleine Spielerei“ im angestrebten Wettkampftempo sein. „Natürlich keine 30 km, aber so 10 bis 12 km sind erlaubt.“ Gegen Mitte der Wettkampfwoche, also bei einem Rennen am Samstag oder Sonntag im Idealfall dienstags oder mittwochs, ist noch ein Kilometer im Wettkampftempo ein heißer Tipp – nicht für den Trainingseffekt, aber einfach, um im Rhythmus zu bleiben, das gute Gefühl aufrechtzuerhalten.

Ein Teilaspekt der Regeneration und somit auch des Taperings ist natürlich die Ernährung. Auch wenn hier im Hochleistungssport viel getüftelt wird – Hobbysportlern empfiehlt Andreas Vojta keine zu großen Experimente zu machen, um keine Magenprobleme oder Ähnliches heraufzubeschwören. Sein Rat fürs Tapering: die gewohnte Ernährung aufrechterhalten, in den letzten fünf Tagen vor dem Wettkampf einen gewissen Fokus auf die Kohlenhydrate legen. So kann man sicher sein, nicht nur gut erholt, sondern auch mit gut gefüllten Kohlenhydratspeichern am Start des nächsten Marathons zu stehen.

Wer sich beim Tapering unsicher ist, kann es vor dem großen Hauptwettkampf auch mal für einen Test-10er oder -Halbmarathon in etwas verkürzter Form für sich ausprobieren, um sich langsam an das eigene Idealmaß heranzutasten.