Frauen wandern anders. Davon ist zumindest Eva Sigl überzeugt. Die staatlich geprüfte Wanderführerin aus Mauthausen (OÖ) organisiert seit drei Jahren begleitete Wanderreisen und geführte Tagestouren im kleinen Rahmen – ausschließlich für Damen! Was hinter dieser Idee steckt und ob Frauen wirklich „anders" auf Bergtouren gehen als Männer? Wir haben nachgefragt.
Eva Sigl ist leidenschaftlich gerne in den Bergen unterwegs. Dazu kommt, dass sie schon immer ein Talent für Reiseplanung hatte. In dieser Kombination aus Freude am Sport und Organisationstalent wurzelt auch ihre Idee, Gleichgesinnte bei der Planung von Wanderreisen zu unterstützen und geführte Tagesmärsche über Österreichs Almen anzubieten. Ein Offert, das sie allerdings nur an die weibliche Wanderfraktion richtet.
Mit ihrem Konzept des „Frauenwanderns“ stieß die Wanderführerin aber nicht überall auf Gegenliebe. „Peinlich“ meinten manche, „männerdiskriminierend“ andere. „Aber Frauen wandern nun mal anders, als Männer es tun“, ist sich Eva Sigl sicher: „Landschaftseindrücke und ein gemütliches Miteinander beeinflussen den Verlauf einer rein weiblichen Tour – und machen das Erlebnis in Summe zu etwas anderem als in einer Gruppe, in der Männer und Frauen gemeinsam unterwegs sind. “
GENUSS STATT LEISTUNG
Wir haken hier mal nach: Welche Unterschiede gibt es konkret zwischen der wandernden Frau und ihrem männlichen Pendant? „Männer wollen sich häufig in der Gruppe hervortun. Sie sind oft leistungsorientiert, möchten schneller am Gipfel sein und bei allem möglichst keine Schwächen zeigen. Bei Frauen hingegen steht weniger die Leistungsorientierung als vielmehr die Spontanität im Vordergrund“, meint die Wanderführerin. „Wenn uns Frauen auf Tour ein Plätzchen gefällt, dann verweilen wir dort auch gern länger und genießen die Umgebung. Es drängt uns schließlich nichts.“ Zudem seien die Damen sehr einfühlsam und achteten darauf, wie es um die Befindlichkeit von Begleitern steht. Ist jemand aus der Gruppe erschöpft, wird ohne Seitenblick auf die Uhr eine Pause eingelegt. Auch das gegenseitige Motivieren funktioniere in der reinen Frauengruppe besser – hat eine Dame ein körperliches Tief, ist eine andere Wanderin mit aufmunternden Worten zur Stelle.
Wie sieht es generell mit der Kommunikation on Tour aus? „Sind Ladies unter sich, werden gerne auch Themen angesprochen, die bei der Beteiligung von Männern ausgeklammert werden“, weiß Sigl. „Damen plaudern zum Beispiel bei einer Auszeit am Berg gerne über Erfahrungen in der Kindererziehung oder sie tauschen Koch- und Abnehmtipps aus. Je besser man sich kennt, desto offener werden auch die Gespräche.“
Die Mauthausener Wanderführerin betont aber auch, dass nicht jede Frau und jeder Mann gleich ist. „Mir liegt es fern, alle in einen Topf zu werfen. Natürlich gibt es auch die leistungsorientierte Frau, die beim Marschieren den sportlichen Aspekt in den Vordergrund stellt. Und genauso ist der männliche Wanderer, der sich fern von Leistungsdruck einfach an der Natur erfreut, zu finden.“ Stellt sich schließlich noch die Frage, wie die Zielgruppe für das Frauenwanderangebot beschaffen ist. „Die Gruppen bestehen in der Regel aus vier bis sechs wanderlustigen Frauen. Ansonsten sind sie bunt gemischt: Singles, Verheiratete, Witwen und Pensionistinnen interessieren sich für das rein weibliche Angebot ebenso wie Genuss- und ambitionierte Wanderinnen.“
RUCKSACK, SCHUHE & CO
Legen wir hier einmal eine kurze Rast ein und wenden uns dem Thema Ausrüstung zu: Erste Wahl für Damen ist Equipment, das speziell für Frauen designt wurde. Die Outdoor-Branche nimmt auf die körperlichen Unterschiede zwischen Männern und Frauen heute Rücksicht und hat – anders als früher – beispielsweise Wanderrucksäcke speziell für „sie“ im Angebot. Von Georg Doppler von Gigasport Graz ließen wir uns geschlechterspezifische Unterschiede beim wichtigsten Outdoorequipment erklären.
Zum Rucksack: „Frauen haben in der Regel einen kürzeren Rücken als die Herren, sodass ein genauer Blick auf die Rückenlänge des Rucksackmodells geworfen werden muss. Hier aber bitte nicht auf Durchschnittswerte verlassen, sondern auf alle Fälle die eigene Rückenlänge messen“, so Doppler. Da „frau“ meist auch ein breiteres Becken aufweist, ist der Hüft- oder Beckengurt beim Damenmodell ergonomisch geformt. Die Schultergurte sind kürzer, schmaler und weicher geschnitten als beim Herrenmodell. Und ein hoch sitzender Brustgurt, der oberhalb der Brust geschlossen wird, verhindert ein unangenehmes Einschneiden. Viele Tages-, Trekking- und Alpinrucksäcke sind heute auch in einer Damenversion erhältlich.
Ebenso wertvoll sind Wanderschuhe, die von der Lasche bis zu den Leisten auf die Anatomie der Frau abgestimmt sind. Meist kommen beim Damenmodell schmale Leisten aufgrund des durchschnittlich schmaleren Fußumfangs zum Einsatz. Georg Doppler weist auch auf ein Problem hin, das überdurchschnittlich oft Frauen betrifft: „Da viele Wanderinnen mit einem Schiefstand der Großzehe – dem sogenannten Hallux valgus – kämpfen, haben einige Hersteller Schuhmodelle mit speziellen Leisten entwickelt, die ausreichend Platz für das Großzehengrundgelenk bieten.“ Damenjacken und -hosen unterscheiden sich durch einen taillierteren Schnitt sowie die Farbgebung von der Herrenbekleidung. Und dann gibt es auch noch die Wanderstöcke für „sie“, die aufgrund der meist kleineren Hände einer Frau mit schmaleren Griffen ausgestattet sind.
BLEIBENDE FREUNDSCHAFTEN
Kehren wir abschließend noch einmal zum „Frauenwandern“-Angebot zurück – und ziehen gemeinsam mit Eva Sigl Bilanz. Für die Wanderin, die nur mit ihren Geschlechtsgenossinnen in die Berge zieht, ergibt sich erfahrungsgemäß noch ein häufiger Benefit: „Bei den rein weiblichen Touren treffen sich gleichgesinnte Naturliebhaberinnen und daraus entstehen nicht selten echte Frauenfreundschaften. Viele, die sich auf einer meiner Touren kennengelernt haben, verabreden sich danach auf eigene Faust zu weiteren Wandertouren.“
Das Frauenwandern sei letztlich auch für verheiratete Damen eine gute Möglichkeit, einmal etwas ohne ihre „bessere Hälfte“ zu unternehmen, meint Eva Sigl: „Sich einen Nachmittag freizunehmen, sollte doch für jede Frau machbar sein.“ Der wohl größte Bonus, den das Wandern für Eva Sigl mit sich bringt, trifft schließlich doch wieder auf beide Geschlechter zu: „Der Alltag bleibt zurück, man ist sportlich aktiv und kann gleichzeitig die Natur in vollen Zügen genießen.“ Und das ist letztlich doch auch das Wichtigste – egal, ob in „gemischten“ oder nach Geschlechtern getrennten Gruppen ...
Die Wanderführerin | EVA SIGL hat 2013 die Ausbildung zum geprüften VAVÖ Wanderführer gemacht. Seither organisiert und begleitet sie Wanderungen nur für Frauen. Argumente für Eva Sigls Frauenwander-Angebot:
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