Die Tourenski im Frühling schon im Keller verstecken? Schade um die firnigen Tage im Jahr! Wir haben uns unter Profis umgehört, worauf es bei der Suche nach Firn ankommt.

Lukas Schnitzer
Lukas Schnitzer

Als dieser Ratgeber zum Thema Firntouren noch als grober Entwurf über den Bildschirm flimmerte, füllten die ersten Zeilen schwülstig bergromantische Worte rund um die Einzigartigkeit dieser ganz besonderen Zeit mit ihrem ganz besonderen Schnee. Doch dann schlug die Stunde von Matthias Lackner, Berg- und Skiführer in Heiligenblut, dessen Worten es eigentlich nichts hinzuzufügen gab. Firntouren, so eröffnet der erfahrene Alpinist, bieten im Gegensatz zu Skitouren im Hochwinter einfach ein besonderes Flair. Im Tal erwacht die Natur zum Leben, die Temperaturen sind schon um vieles angenehmer und auch der schon deutlich frühere Sonnenaufgang hat seinen ganz eigenen Reiz. Somit startet man in der Regel schon sehr früh und ist dann entsprechend zeitig wieder zurück, kann das Erlebte um die Mittagszeit bei Speis und Trank auf so manchen Sonnenterrassen genießen. Außerdem: „Im perfekten Frühjahrsfirn einen Sonnenhang hinunterzuschwingen zählt neben knietiefem Pulverschnee zu den schönsten Skierlebnissen, die man haben kann“, trifft es Matthias Lackner auf den Punkt.

Der Firn
Was dieser „Firn“, über den hier alle schwärmen, eigentlich ist? Eine Firnabfahrt, erklärt der Werfenwenger Profi-Skibergsteiger Jakob Herrmann, muss man sich so vorstellen wie auf einer frisch präparierten Piste mit einer leicht weichen Auflage und einem harten Deckel darunter – es schmiert also so richtig. Das Beste an Firntouren – man hat oft Hunderte Meter breite Hänge für sich allein, schwärmt der ehemalige Nationalteam-Athlet.

Firn „finden“
Wie vor jeder Tour weist Matthias Lackner auch für Frühjahrstouren eindringlich auf eine fundierte Tourenplanung inklusive Lawinenlagebericht und Wettercheck hin. Generell sieht er, genauso wie Jakob Herrmann, einen frühen Start als sehr empfehlenswert, da mit der Tageserwärmung die Lawinengefahr durch das Nassschneeproblem steigt. Ein Faktor, der laut Lackner leider manchmal übersehen wird. „Oft ist der perfekte Firnhang nur ein paar Nuancen von massiver Durchfeuchtung und damit dem Verlust der Festigkeit in der Schneedecke entfernt. Hier sind ein Aufbau eines gewissen Erfahrungsschatzes und strategisches Handeln bei Planung und Ausführung der Tour essenziell“, so der O-Ton des Bergführers. 

Als entscheidende Faktoren nennt er Hangexposition, Höhenlage, Strahlungseinfluss (sonnig oder nicht?) sowie die richtige Tageszeit für die Abfahrt. Sich an der Sonne zu orientieren und pauschal gesagt zu erkennen, dass Osthänge die ersten sind, die meist guten Firn bieten, sieht er schon als guten Anfang. Allerdings, so seine Warnung, sind Osthänge dann aber auch jene, die rasch durchfeuchten. All diese Faktoren richtig zu interpretieren, benötigt Schulung und Erfahrung.

„Man sollte auch bedenken, dass es eine sehr kalte Nacht sein sollte, da der Schnee sonst nicht durchfriert und dann „morsch“ wird. Außerdem spielt der Wind eine Rolle“, weiß Jakob Herrmann. Weht er etwa am Gipfel zu stark, kann es passieren, dass man im oberen Teil des Berges den ganzen Tag keinen Firn findet, während es in unteren Bereichen schon richtig weich und gefährlich wird. Bei Osthängen, weist auch der Skibergsteiger nochmals auf die Bedeutung der Sonne und der Hangexposition hin, muss man natürlich zeitiger starten als bei Südhängen – wobei das Zeitfenster dort aufgrund der Sonneneinstrahlung sehr kurz ist. Vom Gipfel bis ins Tal den „perfekten Firn“ zu finden, da sind sich die Experten einig, ist sehr schwierig.
 

Gefahren
Als größten Risikofaktor, den es im Auge zu behalten gilt, identifizieren die beiden Bergprofis die Tageserwärmung. Ist man zu spät dran, können Nassschneelawinen bzw. größere Rutscher zum Problem werden, geht Jakob Herrmann ins Detail. Hat es nicht durchgefroren und der Schneedeckel bricht schon im Aufstieg, wird man in der Abfahrt (im selben Hang) wohl keinen Firn finden, kommt die Sonne dazu, sinkt man tief ein. Außerdem, so Herrmann, gibt es auch im Frühling Hänge, die keine Sonne abbekommen und noch Pulverschnee haben. Mit der Wärme können auch dort Gefahren entstehen. 

„Die Schneedecke ist ein sehr komplexes Zusammenspiel aus allen Faktoren und Einflüssen, die aus dem Wetter über den gesamten Winter entstehen. Probleme, die im Frühwinter in der Schneedecke entstehen, können oftmals erst wieder im Frühjahr eine Relevanz erlangen. Gefahren lassen sich in erster Linie durch Zurückhaltung und „Einbauen“ von Sicherheitsreserven minimieren. Wenn ich im Gipfelbereich lange warte, um den perfekten Firn zu haben, kann zur selben Zeit im unteren Bereich die Schneedecke schon total durchnässt sein und somit ein richtiges Problem für eine sichere Abfahrt sein“, fasst Matthias Lackner zusammen.

Tipps rund um die Tour
Jakob Herrmann gehört offenbar zum glücklichen Schlag der „Lärchen“, wacht jeden Tag von selbst um fünf Uhr morgens auf. Da fällt der frühe Start natürlich leicht. „Morgenmuffeln“ empfiehlt er alles für die Tour bereits am Vortag vorzubereiten. Dazu gehört für ihn auch ein gutes, aber leicht bekömmliches Frühstück oder für Nicht-Frühstücker ein kohlehydratreiches Abendessen und vielleicht ein flüssiges Frühstück mit Bananen-Hafermilch-Shake oder Kakao.

Lawinen-Ausrüstung, Erste-Hilfe-Paket, Stirnlampe und Helm sowie genügend Flüssigkeit und Snacks gehören für Jakob Herrmann immer ins Gepäck, im Frühjahr auch unbedingt Harscheisen, bei steileren Touren und technischem Gelände Steigeisen und eventuell Pickel. Und auch wenn es im Frühling oft warm ist – Wechselbekleidung und dickere Handschuhe sollten trotzdem mit auf Tour.

Matthias Lackner, selbst mit unzähligen Gruppen in den Bergen unterwegs, unterstreicht auch die Wichtigkeit der Spuranlage. Die allermeisten Tourengeher, so seine Beobachtung, folgen vorhandenen Aufstiegsspuren, ohne über deren Anlage in Bezug auf Ökonomie, Sicherheit (Lawinengefahr & Geländeeigenheiten) und Komfort für ihr jeweiliges Können nachzudenken. Und auch Jakob Herrmann rät öfter mal seine eigenen Spuren anzulegen. Nicht nur in Hinblick auf deren Anlage, sondern auch aufgrund der Tatsache, dass viel begangene Spuren oft vereisen. 

Wann es dann wirklich „Zeit“ für Harscheisen ist, hängt von Gelände, Spuranlage und Eigenkönnen ab. „Der eine fühlt sich noch total wohl, während es dem anderen schon Schweißperlen auf die Stirn treibt“, weiß Lackner. Pauschal, so seine Empfehlung, sollte man die Harscheisen im Zweifelsfall lieber anlegen, und das eher früher als zu spät. Flache, sichere Rastplätze eignen sich am besten fürs Anlegen. Die Sorge, dass ein zu frühes Anlegen unökonomisch wäre, sieht er meist als unbegründet. Hänge verkrampft oder gar verängstigt zu bewältigen, kostet weitaus mehr Energie. 

Jakob Herrmann

ist Skimo-Racer erster Stunde und frisch gekrönter Doppel-Staatsmeister aus dem Salzburger Werfenweng.

WEB: www.werfenweng.eu

Matthias Lackner

hat als staatlich geprüfter Berg- und Skiführer sowie Bergretter einen großen Erfahrungsschatz in den Bergen.

WEB: www.grossglockner-bergfuehrer.at; www.nationalpark-hohetauern.at