Ist der erste Schnee gefallen, wächst die Sehnsucht, wieder skibergsteigerisch unterwegs zu sein, von Tag zu Tag. Damit Skitourentage im Dezember und Jänner cool werden, gilt es jedoch, Besonderheiten der ersten Winterhälfte zu bedenken. 

Oliver Pichler


Oben von den Gipfeln lacht der erste Schnee ins teils noch grüne Tal, die kalte Luft verströmt den Duft von Abenteuer und der Nebel in den tiefen Lagen treibt uns förmlich in höhere Lagen. Was sich im Herbst noch als sehnsüchtige Vorfreude durch die Gedankenzüge trieb, lässt sich jetzt unter begeisterten Tourengehern kaum mehr unterdrücken. Erleuchtet das Weiß endlich die Berge, wollen die Ski nach Monaten der Abstinenz endlich wieder ihre Spuren ziehen. Dabei ist gerade zu Beginn einer hoffentlich langen Saison das Glück so nah. Die sanfte Wiese im Seitental, der aufgelassene Schlepplift im Nachbarort, wo erlaubt, vielleicht die ersten beschneiten Pisten im nahen Skigebiet. Alles perfekt für die ersten Höhenmeter und Schwünge der Saison – als Vorbereitung für die großen Touren später im Jahr. Denn dafür müssen Bedingungen und Kondition erst noch reifen.

Die Sehnsucht, nach ersten größeren Schneefällen gleich loszuziehen, ist verständlich. Für Skitourengeher ist jedoch zu Beginn einer Saison Geduld eine Tugend, betont der Kärntner Berg- und Skiführer Michael Mautz: „Der erste, frische Schnee ist nicht ideal. Man sinkt weit ein, oft bis zum Untergrund. Erst wenn sich der Schnee etwas gesetzt hat, ist der Saisonstart anzuraten.“ Wenn Felsen, Baumstümpfe, umgestürzte Bäume oder Latschen – sowie in hochalpinen Regionen Gletscherspalten – noch nicht ausreichend mit Schnee bedeckt sind, erhöht das das Unfallrisiko enorm, warnt der Bergführer.

Natürlich hat die erste Winterhälfte – wir sprechen von der Zeit bis Ende Jänner, Anfang Februar – auch ihre speziellen Reize: Neben pulvrigem Schnee aufgrund tiefer Temperaturen ist es etwa auch „der tiefe Sonnenstand mit speziellen Lichtstimmungen, die kurzen Tage und die klirrende, trockene Kälte machen Skitouren im Dezember und Jänner zu besonderen Erlebnissen“, so Michael Mautz. Für Janko Humar, Skitourenexperte aus den Julischen Alpen in Slowenien, macht die Kombination aus frischem, leuchtend weißem Schnee und die Tatsache, dass es am Berg viel länger hell und sonnig ist als im Tal, viel von der Faszination aus.

Wald und Wiese
Für die ersten Skitouren der Saison ist es ratsam, unproblematisches Gelände, das man im Idealfall vom Sommer her kennt, zu wählen. „Ich würde am Beginn des Winters noch nicht in felsige Regionen gehen, dafür liegt meist noch zu wenig Schnee. Besser ist es Wiesen als Untergrund zu wählen und eher im Waldbereich bzw. in Waldnähe zu bleiben“, empfiehlt Ralf Schörghofer, Skitouren-Insider aus Filzmoos.

Ähnliches rät Humar für seine slowenische Heimat, die von felsigem Gelände geprägten Julischen Alpen: „Am Beginn des Winters ist es besonders wichtig, sehr sorgfältig zu planen, weil die Kombination aus kurzen Tagen, niedrigen Temperaturen und oft noch geringen Schneemengen dafür sorgt, dass noch nicht alle Skitouren machbar sind. Ein besonderes Risiko ist, dass es in niedrigeren Höhen auf den Schnee regnet, was dann zu extrem gefährlicher Vereisung führt.“ Soll es in höhere Lagen gehen, rät der Experte sich das lokale Wissen und die Erfahrung eines Bergführers mit auf Tour zu nehmen.

Skitouren – erste Winterhälfe

„Am Beginn der neuen Skitouren-Saison startet man nicht auf dem Level, auf dem man am Ende des vergangenen Winters war. Auch wenn man sehr motiviert ist, sollte man defensiv und nicht zu ambitioniert beginnen, um wieder ein Gefühl fürs Skifahren und den Schnee zu bekommen“, rät der Kärntner Berg- und Skiführer Michi Mautz.

Vorbereitung

  • Check der Ausrüstung (Ski, Bindung, Klebeleistung der Felle usw.) spätestens am Vorabend der ersten Tour
  • Skischuh-Anprobe und kurzes Gehen
  • Neue Batterien für LVS-Gerät und ­Lawinen-Airbag bzw. Kartuschen-Check
  • Auch bei kurzen, einfachen Touren: gründliche Tourenplanung unter Beachtung der regionalen Gegebenheiten, der Lawinensituation und des Wetters in den Tagen davor
  • Zumindest zu zweit und mit vollständiger Sicherheitsausrüstung auf Tour gehen

Zum Einstieg

  • Einfahren: vor der ersten Tour ein paar Stunden (Pisten-)Skifahren mit Tourenski
  • Geländewahl: unproblematischen Untergrund wählen. Womöglich noch unzureichend eingeschneite Felsen, Baumstümpfe, umgestürzte Bäume oder Latschen meiden
  • Erste Touren: eher kürzer und einfacher zur Wiedereingewöhnung

Speziell zu beachten

  • Kurze Tage & meist niedrige Temperaturen
  • Regional spezifische Lawinensituation ganz besonders beachten. Eventuell eher in bewaldeten Regionen bleiben
  • Rücksichtsvoll verhalten, bezogen auf ausgewiesene Jungwaldflächen und Wildtiere. Daher nicht schon in der Dämmerung am Morgen oder Abend unterwegs sein

Komplexe Lawinensituation 
Aufpassen: Das Lawinenrisiko ist in der ersten Winterhälfte oft schwieriger zu bewerten als im weiteren Saisonverlauf. „Weil die Sonne so  tief steht und die Temperaturen in der Regel niedrig sind, ist im Dezember und Jänner die Lawinensituation deutlich komplexer und spezieller einzuschätzen als im März und April. Damit ein Hang lawinensicherer wird, braucht es Wärme, die mangels Sonneneinstrahlung oft fehlt“, erläutert Bergführer Mautz. Zur Einschätzung des Lawinenrisikos braucht es regionale Ortskenntnisse und aktuelles Wissen um die Schnee- und Wettergegebenheiten. Alternativ kann man sich beim regionalen Tourismusverband erkundigen oder gesicherte Aufstiegs- und Abfahrtsrouten wählen.

Zu empfehlen sind jetzt auch gezielte Trainings und Kurse. Zum Beispiel bei Alpinschulen wie Mautz’ „High Life“: „Von Dezember bis Anfang Februar bieten wir mehrere Kurse speziell für Tourengeher an: eigene Tiefschnee-Skitechniktrainings für mehr Spaß in der Abfahrt. Safety-Academy-Tage fürs Auffrischen des Einsatzes der Notfallausrüstung. Und spezielle Skitouren-Einsteigerkurse“.

Frühstart-Regionen
Michael Mautz weiß, wo Skitourengeher in seiner Heimat Kärnten in der früheren Saisonphase schon beste Bedingungen vorfinden: „Ideal, gerade im Frühwinter, sind die Nockberge, etwa im Bereich Innerkrems. Sie sind schneesicher und der Untergrund besteht vielfach aus Wiesenhängen und sanfterem Gelände, wo man auch bei wenig Schnee unterwegs sein kann.“ Filzmoos bietet zusätzlich zu den zwei ausgeschilderten Aufstiegsrouten in Pistennähe zahlreiche bereits im Dezember und Jänner gut machbare Touren. „Einfach ist die kurze Tour von der Rettensteinhütte aus, wo man auf einer ehemaligen Piste abfahren kann“, weiß Schörghofer.

„In Slowenien gibt es vor allem in den niedriger gelegenen Teilen der Julischen Alpen zahlreiche in der ersten Winterhälfte gut machbare Skitouren“, so Janko Humar –  etwa auf den Stol südwestlich von Bovec. In den Karawanken an der Grenze zwischen Slowenien und Österreich würde sich etwa der Dovška Baba (Frauenkogel) anbieten. Solche frühen Touren schüren auch die Vorfreude – für die hochalpinen Highlights, die in der zweiten Winterhälfte dann möglich sind.