Eva Wutti hat es als „Ironman Austria 2017"-Siegerin vorgezeigt: ­Frauen sind, trotz zahlenmäßiger Unterlegenheit, im Triathlon in mehrfacher Hinsicht das „starke Geschlecht". Dieser Befund gilt auch im Freizeitsport – wie unser Triathlon-Experte weiß, der hier ­die weibliche Seite des Ausdauer-Dreikampfs unter die Lupe nimmt.

Von Herwig Reupichler


Bei Langdistanzbewerben wie dem Ironman liegt der Frauenanteil meist nur bei rund 15 Prozent. Einer großen Studie (1.159 Befragte aus 43 Nationen) von „triathlon-research.com" ist aber geschlechterspezifisch durchaus Interessantes zu entnehmen: Frauen haben sowohl bei den Trainingsumfängen beim Schwimmen, Radfahren und Laufen die Nase vorne, als auch im Kraft- und Beweglichkeitstraining.

Frauen wollen sich offensichtlich ganz sicher sein, dass sie die vorgenommenen Distanzen, Zeit oder Platzierung schaffen. Sie schätzen sich eher schlechter ein, als sie tatsächlich sind, und gehen daher besser vorbereitet als viele Männer an Mammutaufgaben wie einen Ironman heran. Männer neigen eher zur Selbstüberschätzung und nehmen das Training oft nicht ganz so ernst. Dafür büßen sie dann öfters am Tag X, während Ladies häufiger mit einem Lächeln ins Ziel laufen können.

NACHTEIL TESTOSTERONSPIEGEL
Triathlon ist grundsätzlich eine Sportart, die Frauen entgegenkommt. Im Ausdauerbereich stehen sie den Männern nämlich um nichts nach. Bei Kampfgeist, Konsequenz im Training, dem Ertragen von Schmerzen und Körpergefühl sind Athletinnen oft sogar im Vorteil. Der große physiologische Nachteil von Frauen ist auf hormoneller Ebene zu finden. Das „männliche" Hormon Testosteron ist unter anderem für den Muskelaufbau zuständig. Demnach liegt das größte weibliche Manko im Bereich der Maximalkraft. Defizite in diesem Bereich sind vor allem beim Radfahren ein limitierender Faktor.

Gezieltes Krafttraining spielt also für Frauen eine noch entscheidendere Rolle als für Männer. Durch dieses Training können Frauen am Rad, aber auch in den anderen Disziplinen enorme Fortschritte machen. Vor Muskelbergen muss sich dabei keine Frau fürchten. Konkret nimmt eine Frau von rund 165 Zentimeter Körpergröße durch triathlonspezifisches Krafttraining rund einen bis maximal drei Kilogramm Muskelmasse zu. Ein strafferes Gewebe und definierte Muskelstrukturen sind attraktive Begleiterscheinungen. Parallel dazu wird Fett in der antrainierten Muskulatur verbrannt. Die Kleidergröße wird gehalten bzw. etwas kleiner, der Body „geshaped". Und die Leistung im Triathlon steigt.

VORTEIL FLEXIBILITÄT
Den größten Vorteil gegenüber den stählernen Sportsgenossen haben Triathletinnen in der Mobilität. Gerade beim Schwimmen ist Technik das A und O. Und diese ist im Wasser unweigerlich an die Beweglichkeit im Schultergürtel sowie Hüftgelenksbereich geknüpft. Viele Damen verfügen deshalb über eine ausgezeichnete Wasserlage, weil sie zwei grundlegende Fertigkeiten mitbringen: Sie können ihre Arme und Beine inklusive Fußschaufeln richtig durchstrecken. Muskelbepackten Männern ist das oft unmöglich, da sie einen stark verkürzten und oft verkorksten Muskelapparat mit viel zu hohem Muskeltonus mit sich tragen. Resultat: Frauen steigen oft mit den besten Herren aus dem Wasser, verlieren am Rad an Boden, um dann beim Laufen wieder (fast) mit den Männern mitzuhalten.

TIPP: HÖR AUF DEIN „BAUCHGEFÜHL"!
Einen wichtigen Hinweis auf die Trainingsgestaltung von Freizeit-Triathletinnen gibt Profiathletin und Sportwissenschafterin Lisi Gruber: „Speziell Frauen sollten im Training gut auf ihren Körper und das ‚Bauchgefühl' hören, da die Leistungsfähigkeit aufgrund der hormonellen Veränderungen während des Zyklus größeren Schwankungen unterliegt." Es gilt aber auch: Sogar Triathlonsport und Kinderwunsch sind keineswegs ein Widerspruch. Profiathletinnen, die nach der Geburt eines Kindes wieder mit großartigen Leistungen glänzen, beweisen es. Wie Olympiasiegerin Nicola Spirig. Und natürlich auch aktuell Eva Wutti, die bei ihrem Sieg in Klagenfurt ihren Comeback-Ironman nach Babypause bestritt.

LADIES ONLY
Es muss aber nicht gleich die ganz große Herausforderung sein: Als ideale Möglichkeit für Triathlon-Einsteigerinnen etablieren sich in der Szene immer mehr „Ladies Triathlons". Hier dürfen nur Mädchen und Frauen starten, die Distanzen sind überschaubar lang und für jederfrau schaffbar. Ähnlich wie bei Frauenläufen, fühlen sich viele weniger erfahrene Athletinnen bei solchen Bewerben einfach wohler als in gemischtgeschlechtlichen Starterfeldern. Und die Atmosphäre ist entsprechend gestaltet, dass sich alle Teilnehmerinnen als Gewinnerinnen fühlen können. Also, Ladies: Traut euch!


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