Trend und Gedränge. Wenn es eng wird am Klettersteig, ist gutes Benehmen keineswegs nur eine Frage der Höflichkeit: Die 15 wichtigsten (Benimm-)Regeln, mit denen Neulinge genauso wie erfahrene Bergsportler im Boomsport Klettersteiggehen sich und die anderen bestmöglich schützen.
Die 15 wichtigsten (Benimm-) Regeln für den Klettersteig / Bild: iStock / JimmyLung
1. AUSRÜSTUNGS-ETIKETTE
Was bei feierlichen Anlässen die Abendgarderobe, ist bei der Klettersteig-Etikette die Ausrüstung: Vollständig soll sie sein, dem Gelände (auch Zu- und Abstieg beachten!) angepasst und auf dem neuesten Stand der Technik.
Die Mindestanforderung: Ein Klettersteigset in Y-Bauart, am besten mit Bandfalldämpfer (das ältere System der Seilbremse ist nur zweite Wahl), unversehrt und über den Winter trocken gelagert (auf Schimmel überprüfen – der kann die Reißfestigkeit nämlich gravierend beeinflussen). Hüft- oder Kombigurt, Helm, festes Schuhwerk (siehe Punkt 2), Klettersteighandschuhe und die vollständige alpine Notfallausrüstung sind ebenfalls Pflicht.
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2. GUT BESCHUHT
Beim Schuhwerk scheiden sich die Geister: Manchmal werden leichte, profillose Kletterschuhe für Klettersteige empfohlen, aber Alpinprofi Axel Jentzsch-Rabl kann sich dieser Meinung nicht anschließen – er rät idealerweise zum spezifischen Klettersteigschuh (gibt es von manchen Herstellern mittlerweile als eigene Gattung), oder zu Leichtbergschuhen mit Profilsohle. Sehr gut geeignet sind Modelle mit einer „Climbing Zone“ – einem profillosen Sohlenteil zum besseren Klettern im Vorderbereich des Schuhs. Der Schuh sollte eng geschnürt werden und nicht zu groß sein, damit man auch auf kleinen Tritten guten Halt findet.
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3. SORGFÄLTIG PLANEN
Nicht vergessen: Nicht nur der Klettersteig selbst, auch Zu- und Abstieg und dort eventuell vorkommende Schwierigkeiten (z.B. Schneefelder) gehören zur Tour. Also nicht nur auf den Schwierigkeitsgrad des Steigs, sondern auf den Gesamtanspruch der Tour schauen, lautet daher die Devise. Gerade Anfänger sollten die dafür benötigte Zeit großzügig planen. Unbedingt gut einprägen soll man sich die Topografie der Route, also die schematische Darstellung, die zeigt, wo Schwierigkeiten zu erwarten sind, wo es Notausstiege oder leichtere Umgehungen gibt.
Wichtig: Die Planung richtet sich wie immer beim Bergsport unbedingt nach dem Schwächsten der Gruppe!
Die 15 wichtigsten (Benimm-) Regeln für den Klettersteig / Bild: Mammut
4. SPERREN BEACHTEN
Alles so schön geplant – und dann verkündet eine Tafel am Einstieg, dass der Steig (noch) gesperrt ist? Du kannst dir sicher sein: Das Taferl wurde nicht einfach nach dem Winter vergessen, sondern die Sperre hat einen guten Grund und ist in jedem Fall zu beachten! Schlaue haben auch für diesen Fall vorgesorgt und einen „Plan B“ in Form einer Alternativtour parat.
Die 15 wichtigsten (Benimm-) Regeln für den Klettersteig / Bild: Millet
5. AUSRÜSTUNG RECHTZEITIG ANLEGEN
Meist gibt es einen eigens gekennzeichneten Platz zum Anlegen der Sicherheitsausrüstung. Befindet sich der direkt an der Wand, dann setzt man den Helm schon vorher auf (Steinschlaggefahr!). Es kommt allerdings tatsächlich vor, dass der Einstieg in den Steig manchmal so leicht erscheint, dass manche Schlaumeier gleich einmal ohne Schutzausrüstung loslegen und sich erst dann, wenn anspruchsvollere Stellen kommen, zu sichern beginnen. Versteht sich von selbst, dass das von ganz schlechtem Benehmen zeugt – und sogar schon schwere Unfälle zur Folge hatte ...
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6. PARTNERCHECK
Bevor man in die Wand einsteigt, checken sich zwei Kletterpartner gegenseitig die Ausrüstung durch: „Dieses vom Klettern übernommene Ritual deckt Flüchtigkeitsfehler auf, die sogar Profis passieren, und gibt weniger erfahrenen Kletterern ein zusätzliches Gefühl von Sicherheit“, weiß der Profi Jentzsch-Rabl. Zum guten Ton gehört es auch, gerade schwächere Partner dabei nach dem momentanen Wohlbefinden zu fragen.
Die 15 wichtigsten (Benimm-) Regeln für den Klettersteig / Bild: iStock / Sebastian Hamm
7. NIEMALS UNGESICHERT
Die Statistik des Kuratoriums für Alpine Sicherheit zeigt es: Von den fünf bis sechs Personen, die in den letzten sechs Jahren im Schnitt jährlich auf den heimischen Klettersteigen tödlich verunglückten, waren die Mehrzahl einheimische Männer ab 40, die entweder ganz ohne Sicherungsausrüstung unterwegs waren oder aber an leichteren Passagen aufs Sichern verzichteten. Die Gefahr ist also dann am größten, wenn Routine zum Leichtsinn verleitet – und nicht, wenn Neulinge glauben, alle Regeln in den Wind schlagen zu können (was in Wahrheit sowieso fast niemand tut). Daher für alle noch einmal das eiserne Klettersteiggesetz: Während des Aufsteigens sind immer alle beiden Karabiner im Stahlseil eingehängt – und beim Umhängen hängt auf jeden Fall ein Karabiner fest am Seil!
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8. GUTE SELBSTEINSCHÄTZUNG
Der größte Teil der Rettungseinsätze auf den eisernen Wegen hat das sogenannte „Blockieren“ zur Ursache: Situationen, in denen vor allem unroutinierte Klettersteiggeher aus Erschöpfung oder aus Angst weder vor noch zurück können. Eine realistische Selbsteinschätzung bzw. das Einhalten der Profi-Empfehlung, sich erst langsam an höhere Schwierigkeitsgrade heranzutasten, könnte oft dieses „Blockieren“ und auch andere Fehler verhindern – und wäre eindeutig ein Zeichen einer guten Kinderstube.
Die 15 wichtigsten (Benimm-) Regeln für den Klettersteig / Bild: Zillertal Tourismus
9. MINDESTABSTAND EINHALTEN
Stau auf dem Klettersteig – das kommt an beliebten Spots und schönen Wochenenden öfter vor. „Kaum jemand hält dann den Mindestabstand ein“, weiß unser Experte Axel Jentzsch-Rabl – was brandgefährlich ist, wenn der Vorgänger stürzt. In der Fachliteratur gibt es sogar den fast verharmlosenden Ausdruck „Dominosturz“. So sieht es der Klettersteig- Knigge vor: Im flachen Gelände befindet sich immer nur ein Kletterer pro Sicherungssegment (= Seilabstand zwischen zwei Verankerungen). Und im Steilen sind es sogar zwei Segmente Abstand, weil ein stürzender Kletterer noch gut zwei Meter tiefer stürzt, als der untere Verankerungspunkt (das ergibt sich aus der Länge des Klettersteigsets und der halben Körperlänge).
Die 15 wichtigsten (Benimm-) Regeln für den Klettersteig / Bild: Zillertal Tourismus
10. RICHTIG ÜBERHOLEN
Wenn ein Nachkommender tatsächlich schneller unterwegs ist? Dann reden sich das die Kletterer einfach freundlich untereinander aus und starten den Überholvorgang: Man sucht sich eine relativ ungefährliche Stelle. Der vordere wartet mit beiden Karabinern gesichert bei einer Verankerung und drückt sich möglichst nah an den Fels; der Überholende geht einfach hinten am Wartenden vorbei und hängt dabei wie bei einem normalen Verankerungspunkt einen Karabiner nach dem anderen um.
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11. TAKTISCH RASTEN
Vor einer schwierigen Stelle zu verschnaufen, ist kein Zeichen von Schwäche, sondern zeugt von taktischem Geschick. Das funktioniert am besten mit einer „Kurzfixierung“, die manche Klettersteigsets eingebaut haben, man aber auch problemlos selber bauen kann. Diese wird eingehängt, man lehnt sich relaxt zurück und lässt die Arme zum Auslockern runterbaumeln. Die beiden Karabiner des Klettersteigsets bleiben bei der Pause selbstverständlich eingehängt. Achtung: Die Kurzsicherung darf außer bei der Pause nur in waagrechten, überhängenden Quergängen, aber nicht an anderen Teilen des Klettersteigs verwendet werden, weil sie keine Fallbremse besitzt!
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12. AUF DEN KÖRPER HÖREN
Im Klettersteig kommt es – gerade wenn man noch nicht so geübt ist und keine sehr ökonomische Klettertechnik beherrscht – durch den starken Einsatz von Armen und Beinen zu Belastungsspitzen, die selbst für trainierte Ausdauersportler aus anderen Sportarten enorm sind. Herz-/Kreislaufschwächen sind immer wieder der Grund für Rettungseinsätze – den Puls mit einer Pulsuhr zu kontrollieren, ist daher wirklich zu empfehlen. Und ja aufs regelmäßige Trinken nicht vergessen! Ein Rucksack mit Trinksystem ist da Goldes wert, weil man es sich erspart, eine Rastposition zu finden, in der man die Trinkflasche aus dem Rucksack fingern kann.
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13. RÜCKSICHT AUF SCHWÄCHERE
Auch auf der Tour gilt die alte Regel, dass sich alle nach dem oder der Schwächsten richten – und zwar ohne Wenn und Aber. Routiniertere erkundigen sich auch regelmäßig nach dem Befinden von unerfahrenen Klettersteiggehern, und suchen nach einer Lösung, wenn sich jemand eine schwierige Passage des Steigs nicht mehr zutraut. Lieber umkehren, als auf Teufel komm raus etwas riskieren.
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14. NICHT DEN FURCHTLOSEN MARKIEREN
Dasselbe gilt auch für dich selbst: Wenn du dich absolut unwohl fühlst und nur noch aus vermeintlicher Rücksicht auf die Gruppe (oder aus Angst vor der Blamage) mit zittrigen Knien weitersteigst, ist niemandem geholfen. So blöd es klingt, „aber ein Sturz gerade auf dem Klettersteig ist unbedingt zu vermeiden“, erklärt Axel Jentzsch-Rabl. „weil die Kräfte, die auf den Körper einwirken, viel größer sind als zum Beispiel beim Felsklettern mit Seil. Die Verletzungsgefahr ist sehr hoch.“ Lieber ein Umkehren oder, wenn vorhanden, einen Notausstieg aus dem Steig nehmen.
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15. WEITERBILDEN
Von der besten Kinderstube zeugt es, wenn man sich in Theorie und Praxis mit der Materie auseinandersetzt, bevor man das erste Mal auf eine Tour in einen „Eisenweg“ geht. Sprich: Kurse in einer Alpinschule besuchen und sich Fachliteratur – wie das sehr empfehlenswerte Lehrbuch „Sicher Klettersteiggehen“ von Axel Jentzsch-Rabl – zu Gemüte führen. Übrigens: Weil die Zeit nicht stehen bleibt und es immer wieder Neuigkeiten am Markt gibt, steht auch alten Bergsporthasen ein gelegentliches Update ihres Wissensstands gut zu Gesicht!