Draußen sein, Wind, Wetter ausgesetzt und hautnah dran an den Gewalten der Natur. Nirgendwo fühlt man sich lebendiger. Wir müssen öfter raus in die Wälder, rauf auf die Gipfel und raus aus dem Alltag.

Lukas Schnitzer
Lukas Schnitzer

Nirgendwo wird die Stille lauter als oben am Gipfel. Nirgendwo werden die Gedanken klarer als nach einem erfrischenden Bad im ebenso glasklaren Gebirgsbach. Nie schmeckt das kühle Blonde besser, duften Brat’l oder Brettljause verführerischer als abends nach einem erlebnisreichen Tag tief drinnen im Wald oder fernab der Zivilisation in unberührter Natur. All die Gerüche, all die Eindrücke, jeder Sonnenstrahl – egal ob wärmend oder flüssig vom Himmel fallend – drängen die Hektik des Bürolebens aus unserer Wahrnehmung, die körperliche Erschöpfung lässt die Hürden des Alltags schnell auf Hosentaschenformat schrumpfen. Berge, Seen, Flüsse und Wälder – ihre unbestreitbare Magie fesselt die Menschheit wohl schon weitaus länger, als sie sich ihrer Existenz als Menschheit bewusst ist. Kunst, Kultur, alles, was den Freuden des Lebens Ausdruck und Gestalt verleiht, drängt sich seit jeher um die Natur, holt sich Inspiration aus dem Draußensein. Geschichten von den Naturgewalten trotzenden Abenteurern lassen uns ganze Bücher binnen weniger Stunden verschlingen, Bilder von Outdoor-Fotografen entführen uns in Gedanken in die hintersten Winkel dieser Erde – und wir folgen dankbar. Ein Leben ganz ohne frische Luft, ganz ohne fantastische Aus-, Weit- und Tiefblicke und ohne urige Hüttenmomente? Für viele unter uns zu Recht schlichtweg undenkbar.

Ein gar nicht so verborgener Weg ins Glück?
In all meinen Jahren als aktiver Sportler, als neugieriger Reisender oder unstet um Unvoreingenommenheit ringender Journalist durfte ich einer schier unüberblickbaren Liste interessanter Menschen begegnen. Sei es für ein paar gemeinsame Meter bergauf, einen entspannten Abend vor dem Wohnmobil oder in urigen Gaststuben, bei zufällig zu Abenteuern herangewachsenen Ausflügen und Fluchten vor hochalpinen Unwettern, für einen angespannten Plausch weit draußen am Ozean oder die zufällige Begegnung tief drinnen im Nirgendwo oder hoch oben in den Gipfeln. Die größte Zufriedenheit durfte ich stets im Umfeld der Naturgewalten erfahren – auch wenn es Gewalten sanfter Natur waren. Die glücklichsten Gesichter waren stets zerfurcht und ledern, von Sonne und Wind gegerbt, die strahlendsten Augenpaare gehören allesamt Berg- und Wassermenschen. Mit dem Ozean so viele Stunden entfernt, klammere ich mich in meiner Suche nach dem Glück an die Berge. So weit Füße (und gerne auch Hände) tragen, nur den nötigsten Besitz am Körper, reduziert auf das Wesentliche und mit einem klaren Ziel vor Augen: dem Weg.

So viele Gesichter
Draußen sein, das hat heute in unseren Breiten so viele Gesichter. Camping, Wandern, Trekking, Klettern, Klettersteig. Die große Freiheit kommt mit der Einfachheit – und nichts ist simpler, als sich mit nichts als den eigenen zwei Beinen durch die Natur zu bewegen. Zugegeben: Ein Rucksack mit etwas Verpflegung und Ersatzkleidung, eine robuste Hose, schweißtransportierendes Shirt und Jacke sowie adäquates Schuhwerk dürfen es schon auch sein. Schließlich bleibt man auch fernab des Alltags und tief in der Natur irgendwie verwöhnter Bürohengst. Aber dennoch: Mit minimaler Ausrüstung, ganz individuell an die nächste Herausforderung adaptiert, lässt sich unglaublich viel entdecken, lassen sich beeindruckende Distanzen und Höhen überwinden – und manchmal, da überrascht man sich einfach nur selbst.

Egal ob per pedes über entspannte Naturlehrpfade, ob mit leichtem Gepäck und großen kulinarischen Erwartungen über saftige Almen zu urigen Hütten, tagelang mit schwerem Gepäck über alle Berge oder auf der Jagd nach dem einsamen Gipfelglück hoch über dem an Strahlkraft verlierenden Blitzlichtern des Alltags – jeder abseits befestigter Wege zurückgelegte Meter hat seinen ganz besonderen Reiz zu bieten.

Die glücklichsten Gesichter in meiner Erinnerung sind stets zerfurcht und ledern, von Sonne und Wind gegerbt.

Willkommen im Paradies
Was viele zu vergessen scheinen – in Österreich leben wir mittendrin im Outdoor-Paradies. Seen, von unendlich weit wie Boden- oder Neusiedler See über alpin umrahmt wie typisch für Kärnten und das Salzkammergut oder glasklar und eiskalt wie hoch droben unter den Alpengipfeln. Dazu bewaldete Hügel, steile Berge und schroffe Gipfel und Gletschergebiete, allesamt irgendwie verbunden durch ein endloses Netz an lebensspendenden Bächen und Flüssen. Und überall im Land buhlen mal mehr, mal weniger beschilderte Wege, Steige und Pfade um Aufmerksamkeit, wollen ganz besondere Orte entdeckt werden.

Mit Kind, Kegel, Partner oder Freunden raus in die Natur? Das gelingt beim Tagesausflug genauso wie mit geselliger Übernachtung im Matratzenlager, entspanntem Basislager am gemütlichen Campingplatz oder im krassen Kontrast der Elemente zwischen luxuriösem Wellnesstempel und Wanderschuh. Eben genannte Naturlehrpfade und Themenwanderwege halten für junge Wanderer den Spannungsbogen aufrecht, halten aber auch uns ausgewachsenen Kindern den einen oder anderen Vortrag über Flora, Fauna und Geologie, öffnen mitunter Augen und hinterlassen staunende Münder. Und dazu muss es noch nicht einmal bergauf gehen …
An heißen Tagen, da zieht es Kundige auch gern zur Abkühlung in Klammen. Tosendes Wasser hat hier über die Jahrmillionen seine Spuren hinterlassen, hat sich tief in den Berg eingeschnitten und teils schillernde Gesteinsschichten freigelegt. Wasserfälle bezeugen die gewaltige Urkraft des kühlen Nass, glatte Becken sammeln glasklares, teils smaragdgrün schimmerndes Wasser – ein Naturschauspiel, das man mit eigenen Augen gesehen haben muss, um zu verstehen. Wer bereit ist ein paar Höhenmeter weiter zu gehen – oder in mancher Region per Gondel zu entschweben –, der gelangt schließlich ins Land der Almen. Dort wo sich Kuh und Schaf gute Nacht sagen, dort locken tagsüber herrliche Panoramen, prächtig blühende, saftige Wiesenflächen und herzhaft bekochte, vielerorts noch wahrlich urige Hütten.

Mit schroffer werdenden Steigen steigt auch der technische und konditionelle Anspruch. Vielfach sind Gipfel für jedermann gut erreichbar, andere Gipfelkreuze bleiben besser den erfahrenen Bergfexen vorbehalten. Steiles Gelände sorgt für gewaltige Aus- und Tiefblicke, verlangt aber auch nach sicherem Tritt. Sobald der Fels sich zu sehr aufzubäumen beginnt, sobald mitunter ein Griff zum Gestein unabdingbar wird, blühen die Herzen der Bergsteiger so richtig auf. Hochtouren, Klettern, die ungebrochen im Trend liegenden Klettersteige – sie alle verlangen nach Schwindelfreiheit, Kondition, Erfahrung, hochwertiger Ausrüstung und gerade zu Beginn einer Führung durch kundige Hände. Das Gefühl oben am Gipfel zu stehen, die Beine noch schwer vom Aufstieg, die Hände rau vom Fels und den Blick weit über das Land erhaben: in seiner Mächtigkeit niemals in gerechte Worte zu fassen …