Früher war er einer der weltbesten Langläufer. Heute zählt er zur Elite der Skitourensportler und verbringt Stunde um Stunde in den Bergen. Christian Hoffmann liebt die Abgeschiedenheit der Natur. Und die Momente, in denen nur noch eines zu hören ist: absolute Stille.


Christian, das Skitourengehen erlebt einen wahren Boom. Woran mag das liegen?
Ich denke, dass die Menschen sich nach ein wenig Ruhe sehnen. Unsere heutige Welt ist schon sehr laut und hektisch. Dort draußen in der Natur finden wir eine Stille, die es sonst gar nicht mehr gibt.

Wie erlebst du diese Stille?
Für mich gibt es verschiedene Arten. Erst einmal sind die Geräusche der Umgebung so reduziert, dass wir uns auf Dinge konzentrieren können, die wir sonst nicht so klar wahrnehmen. Zum Beispiel unsere Atmung. Oder das bloße Knirschen des Schnees. Das sind reine, echte Klänge. Auf der Skipiste mit ihrem ganzen Lärm würden wir das in dieser Form gar nicht hören.

Ist das Skitourengehen also auch eine Flucht von den überfüllten Pisten?
Davon gehe ich aus. Die Pisten sind wirklich grenzwertig frequentiert. Das hat in den vergangenen Jahren noch einmal extrem zugenommen. Außerdem glaube ich, dass die hohen Preise für einen Skipass so manchen Sportler auf die Idee gebracht haben, sich das Geld zu sparen.

Verstehst du also auch die Leute, die mit Skiern direkt neben einer Skipiste hochlaufen?
Ich selbst mache das nur selten, weil es auf Dauer einfach zu langweilig ist. Außerdem geht es darum, die Menschenmassen hinter sich zu lassen und die Natur zu erleben. Das wunderbare am Tourengehen ist ja auch, dass du direkt von zu Hause loslaufen kannst, nicht erst zum Skili fahren musst. Das ist echte Freiheit.

Kannst du dich an Momente erinnern, in denen du diese Freiheit besonders stark gespürt hast?
Ich denke, das kommt vor allem frühmorgens vor. Ich laufe häufig in der Dunkelheit los und steige nach oben, während es langsam hell wird. Wenn du dann auf dem Gipfel stehst, die Stille hörst und dabei zusiehst, wie die Sonne über den Bergen aufgeht und die ganze Welt in leuchtende Farben taucht, dann ist das wirklich ein unglaubliches, erhebendes Gefühl.

Man sollte sich allerdings gut auskennen, wenn man in der Dunkelheit aufbricht … oder reicht da bereits eine Stirnlampe?
Die Stirnlampe ist natürlich Pflicht, aber sie ersetzt mit Sicherheit nicht eine ausreichende Ortskenntnis. Schließlich bewegt man sich im alpinen Gelände und das darf man nicht unterschätzen. Wenn man aber die Gegend und die Hänge kennt, kann es ein unvergessliches Erlebnis sein, auch mal im Dunkeln abzufahren. Ich habe das schon bei Vollmond gemacht. In der Nacht nimmt man die Abfahrt noch viel intensiver wahr.

Weil das so eine Art visuelle Stille ist?
So kann man das sagen. Die Natur ist wunderschön. In der Dunkelheit wirst du aber nicht von den optischen Eindrücken abgelenkt – und kannst dich vollkommen auf dich selbst konzentrieren. Auf jeden einzelnen Schwung im weichen Schnee, auf das einzigartige Gefühl, einen Hang runterzugleiten.

Wir haben jetzt viel darüber geredet, wie schön das Skifahren und die Natur sein können. Beim Tourengehen muss man sich aber stundenlang den Berg hochquälen. Macht das wirklich Spaß?
Das muss jeder für sich selbst entscheiden. Mir macht es Spaß. Deshalb würde ich auch nicht von Quälen sprechen. Es ist einfach eine tolle Ausdauersportart, genauso wie das Laufen oder Radfahren.

Die Motivation bleibt aber die Tatsache, dass ich am Ende meine verdiente Abfahrt bekomme …
Das muss nicht nur am Ende sein. Ich laufe selten von ganz unten in einem Stück bis auf den Gipfel. Wenn ich unterwegs einen schönen Hang sehe, fahre ich den einfach ab. Und geh dann wieder weiter.

Dabei bist du Stunde um Stunde unterwegs. Was denkst du da die ganze Zeit?
Das kommt immer darauf an, in welcher Stimmung man losgelaufen ist. Meistens nimmt man sich einfach etwas zum Denken mit und überlegt sich das in aller Ruhe. Fast so, als hätte man sich ein oder zwei Themen in den Rucksack gepackt. Mit der Zeit kommt man aber in den Flow des Aufsteigens, in einen bestimmten Rhythmus. Dann schaltet man die Gedanken ganz automatisch ab, konzentriert sich auf die Bewegung, die Schrittfrequenz, die eigene Atmung.

Du bist aber nicht nur der einsame Tourengeher, der die Stille sucht, sondern eben auch Skitourenwettkämpfer. Ein beinharter Sport, wenn wir nur mal ein Rennen wie das „Mountain Attack“ in Saalbach-Hinterglemm hernehmen: Dort geht es über insgesamt 3.000 Höhenmeter. Verflucht man sich nicht irgendwann, dass man sich so eine anstrengende Sportart ausgesucht hat?
Das Mountain Attack ist schon extrem. Vor allem, weil es abends beginnt und man durch die Dunkelheit läuft. Da gibt es nicht viel Ablenkung. Und bei den Abfahrten musst du extrem aufpassen. In so einem Wettkampf höre ich vor allem in meinen Körper, versuche die Zeichen zu deuten und das Optimale aus mir herauszuholen.

Du hast einmal gesagt: Was mich reizt, das packe ich an. Was reizt dich derzeit?
Da gibt es immer wieder verschiedene Anreize! Das kann ein neuer Wettkampf sein, aber auch eine kleine Rinne irgendwo am Dachstein, die ich einfach mal hochsteigen und abfahren möchte. Zuletzt war ich auf dem Elbrus und habe erlebt, wie sehr die Höhe einem zu schaffen machen kann. Und im kommenden Winter würde ich gerne auf den Mont Blanc steigen. Für mich ist das Skitourengehen wirklich ein wunderbar kompletter Sport: Ich suche mir einen Berg, versuche ihn hochzulaufen … und dann fahre ich ihn runter.


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