Wer Steak und Schnitzel liebt, hat es nicht leicht: In der Klimadebatte steht der Fleischkonsum am Pranger – und wir wollen euch hier „basische Ernährung“ näherbringen. Ohne erhobenen Zeigefinger: Warum es besser wäre, auf Tierisches öfter zu verzichten.
Basische Ernährung: Wer danach googelt, stößt auf Bücher, Artikel und bald auch auf Widerspruch. Die ganzheitsmedizinisch vertretenen Theorien rund um Säuren und Basen im Körper und wie man sie durch die Ernährung beeinflussen kann, seien schulmedizinisch nicht bewiesen, liest man bald einmal. Das mit der Schulmedizin bestätigt die Grazer Fachärztin für Innere Medizin Dr. Karin Stenzel-Schediwy – die aber dennoch betont: „Das Thema Übersäuerung ist für jeden von Relevanz. Wir haben in der westlichen Gesellschaft ein massives Problem damit.“
Als Laie assoziiert man eine Übersäuerung als Erstes vielleicht mit zu viel Kaffee an einem stressigen Arbeitstag. Man liegt damit gar nicht ganz falsch, trifft die Problematik aber nur am Rande. Zum Verständnis also ein paar Grundlagen: Aus dem Chemieunterricht kennt man Säuren und Basen und damit in Verbindung den PH-Wert von Substanzen: „7“ ist neutral, zwischen 1 und 7 liegt der saure und zwischen 7 und 14 der basische Bereich. Damit unsere Organe richtig funktionieren können, muss der PH-Wert des Bluts in einem engen Rahmen von 7,35 bis 7,45 verbleiben, also im ganz leicht basischen Bereich. Sinkt der PH-Wert unter 7,35, gilt das Blut als übersäuert. Das heißt in der Medizin Azidose, ist ein Hinweis auf ein massives körperliches Problem, zum Beispiel ein Nierenversagen, und ein lebensbedrohlicher Zustand.
Damit dieser aber möglichst nie eintritt, stehen dem Körper unterschiedliche Puffersysteme zur Verfügung, um bei Einflüssen von außen, wie etwa über die Ernährung, den Blut-PH-Wert im erforderlichen Bereich zu halten: Über Lunge, Niere, Magen und Darm wird überflüssige Säure ausgeschieden und damit der PH-Wert des Blutes im gesunden Bereich gehalten. Bis hier decken sich auch die klassische Schulmedizin – für die jedoch Säuren und Basen in der Ernährung wenig Rolle spielen – mit den Überzeugungen jener Vertreter der Medizin und Wissenschaft wie Karin Stenzel-Schediwy, die eine überwiegend basische Ernährungsweise sehr wohl für sehr sinnvoll erachten.
Bei Sportlern ist die Verletzungsanfälligkeit erhöht und ein zu erwartender Leistungszuwachs bleibt aus.
Im Gewebe, nicht im Blut
Denn das viel häufigere Problem als die zum Glück sehr selten auftretende Azidose (ein intensivmedizinisch zu behandelnder Notfall) ist eine chronische Übersäuerung im Gewebe, erklärt Stenzel-Schediwy. Also etwa in Muskeln, Sehnen, Bändern und Knochen. Bloß lässt sich diese Übersäuerung nicht so einfach standardmäßig messen wie der PH-Wert im Blut.
Die chronische Übersäuerung des Gewebes führt zu Entzündungen, verursacht aber lange Zeit keine wirklichen Beschwerden, erklärt die Medizinerin. Symptome, wenn überhaupt wahrnehmbar, sind schwer zuordenbar: zum Beispiel häufige Kopfschmerzen, Konzentrationsschwächen oder chronische Müdigkeit. Für Sportler von Bedeutung: Wenn trotz Trainings der eigentlich erwartbare Leistungszuwachs ausbleibt oder wenn eine hohe Verletzungsanfälligkeit besteht, kann eine Übersäuerung dahinterstecken. Langfristig gesehen, erklärt Stenzel-Schediwy, wirkt sich die verbreitete Übersäuerung dagegen oft sehr massiv aus: zum Beispiel durch Bänderverletzungen ohne entsprechend große Krafteinwirkung oder durch Krankheiten wie Osteoporose, die abnehmende Knochenfestigkeit.
Hauptursachen der chronischen Übersäuerung sind: eine falsche Ernährungsweise, Medikamenteneinnahme sowie Stress. Typisch: „der gestresste Manager, dem bei kleinem Anlass die Achillessehne reißt.“ Über die Ernährung kann man also viel bewirken. Und eine sehr positive Nachricht gibt es bei all dem auch: Basische Ernährung deckt sich in vielen Teilen mit dem, was in der allgemeinen Ernährungslehre als „gesund“ bekannt ist. Fleisch, Zucker und damit Weißmehlprodukte, aber auch Milchprodukte und Kaffee gelten als Säurebildner, die lieber nur in Maßen konsumiert werden sollten. Die typische westliche Durchschnittsernährung mit viel Fleisch und anderen tierischen Produkten, viel Weißmehl und Süßem ist demnach neben Übergewicht und diversen Stoffwechselerkrankungen zusätzlich für die Übersäuerung verantwortlich.
Als basenbildend gelten vor allem alle Formen von Gemüse. Drei Mal täglich zugreifen, wie es im Sinne der Nährstoffaufnahme sowieso empfohlen wird, und das in möglichst „bunter“ Zusammensetzung sowie möglichst schonend gegart statt „totgekocht“: Das ist die viel bessere Alternative.
Basische Ernährung: die „Basis-Info“
Basenbildende Lebensmittel und daher sehr empfehlenswert sind zum Beispiel: Kartoffeln, Gemüse, Obst, Sojabohnen, Sauermilchprodukte.
Neutral und daher empfehlenswert: Vollkornprodukte, Naturreis, Hirse, hochwertige Fette und Öle.
Säurebildende Lebensmittelgruppen und daher möglichst selten zu konsumieren sind: Fleisch, Zucker, Weißmehlprodukte (Semmel, Weißbrot, weiße Nudeln), Milchprodukte, gehärtete, raffinierte Fette und Öle, Kaffee, Alkohol.
In Richtung vegan
Komplexe Kohlenhydrate aus Vollkornprodukten, für Sportler im Alltag die wichtigsten Energielieferanten, sind in der basischen Ernährung erwünscht – nur sollte man öfters auch zu glutenfreien Varianten greifen, rät Stenzel-Schediwy. Bei den Fetten soll man hochwertige, ungesättigte Fettsäuren möglichst aus pflanzlicher Quelle vorziehen. Eine wichtige Rolle kommt in der basischen Ernährung den Omega-3-Fettsäuren zu, sie hemmen Entzündungen: Außer in Fisch sind Omega-3-Fettsäuren in Algen enthalten.
Für manche bedeutet die Tatsache, dass Milchprodukte zu den Lebensmitteln zählen, die eine chronische Übersäuerung befördern, vielleicht einen „Erschwernisgrund“: Käse, Topfen und Co. als Eiweißlieferant und vegetarische Alternative zu Fleisch können sich erfahrungsgemäß mehr Menschen vorstellen als eine vegane Ernährungsweise ganz ohne tierische Produkte. In der basischen Ernährung sollte man sich dennoch in Richtung pflanzlicher Alternativen orientieren. Doch es geht nicht um gezieltes Streichen von Lebensmittelgruppen, sondern um die große Tendenz: Gemüse regelmäßig als Hauptbestandteil, Fleisch seltener und wenn, als Beilage: Damit wäre dem Körper schon geholfen.
Drei- bis vierwöchiges Basenfasten kann einmal ein Einstieg sein und „ist eine geniale Art zu fasten“, sagt Expertin Karin Stenzel-Schediwy. Ernährungssünden lassen sich bis zu einem gewissen Grad mit Basenpulvern als Nahrungsergänzung reparieren. Basenbäder würden sich als Ergänzung eignen, aber nicht so wirksam sein wie Basenpulver. Leider gibt es noch wenige Ärzte, die sich dem Thema intensiv widmen, bedauert Karin Stenzel-Schediwy: Wer also professionelle Unterstützung sucht, etwa um feststellen zu lassen, ob eine chronische Übersäuerung vorliegt, muss sich etwas genauer umhören, um fündig zu werden. Empfehlen kann die Expertin auch Ratgeber im Buchshop, um erst mal in die Materie einzutauchen. Ein Name, an den man sich halten kann: „Die moderne F.-X.-Mayr-Medizin.“