Spitzenläufer Andreas Vojta (34) spricht in unserem Interview über sein Ziel, den olympischen Marathon 2024 in Paris, über den Umgang mit dem Inneren Schweinehund oder über vegane Ernährung. Und darüber, was er – in seiner Eigenschaft als Miteigentümer der „WEMOVE Runningstores“ – Hobbyläufern in Sachen Ausrüstung vermitteln möchte.


Die aktuellen Marathon-Rekordhalter Julia Mayer und Peter Herzog sind von anderen Sportarten kommend in den Laufsport quer eingestiegen. Du hast dagegen von Jugend an eine klassische Läuferkarriere hingelegt. Daher gleich die Frage: Was taugt dir am Laufen?
Es hat damit begonnen, dass wir in der Schule noch einen Sportlehrer hatten, der uns klassisch auf die Laufrunde geschickt hat. Das hat mir einerseits Spaß gemacht, andererseits hab ich alle überrundet, ohne dafür trainiert zu haben. Man hat gesehen: Ein Grundtalent ist vielleicht vorhanden. So bin ich zum Verein gekommen. Letztendlich, um zur Frage selber zu kommen: Man läuft natürlich in Wettkämpfen, um Platzierungen zu holen, aber im Kern ist das Laufen der Kampf gegen sich selber, dass man im Alltag den Schweinehund überwindet, mental die Grenzen auslotet. Nicht jeder Tag ist lustig, aber Laufen die purste Form von Sport und Form von Herausforderung. Das Schöne am Laufen ist auch, dass es einerseits so einfach ist: Rechter Fuß, linker Fuß, und am Ende des Tages, wenn man um die letzten Hundertstel oder die letzten zehn Sekunden kämpft: da ist es doch wieder sehr komplex. Das macht für mich den Reiz aus, und da habe ich nach knapp 20 Jahren Vereinssport nach wie vor die Motivation und meine Ziele.

Kennst du den Schweinehund also auch – oder eher nur in homöopathischen Dosen?
Da kann ich jeden Hobbyläufer beruhigen, ich glaube, das ist bei jedem gleich. Bei einem geht es vielleicht um die Olympia-Qualifikation, beim anderen darum, dass er das erste Mal 5 Kilometer am Stück läuft, aber die Kernherausforderung ist dieselbe: Dass man sich selber diesen Herausforderungen stellt. Ich würde lügen, wenn ich sage, wenn ich auf der Allee bei 3 Grad stehe, Schneeregen und 25 Kilometer am Trainingsplan, ist es das Geilste, das ich mir grad vorstellen kann. Da ist es ganz wichtig, ein Ziel vor Augen zu haben, nicht zu sagen: Warum mach ich das eigentlich? Und es ist egal, ob das Ziel ist: Ich will zu Olympischen Spielen oder ich will einmal an einem bestimmten Lauf teilnehmen, mich mit Freunden treffen, Gewicht verlieren. Du brauchst das konkrete Ziel vor Augen.

Dein Ziel vor Augen ist aktuell der Olympiamarathon Paris 2024?
Genau. Das wäre mein Ziel, da werde ich voraussichtlich noch zwei gute Rennen brauchen. Und dann: Teilnahme an den olympischen Spielen, in dem Fall über den Marathon. 2012 habe ich das Glück gehabt, meine ersten Olympischen Spiele erleben zu dürfen. Jetzt habe ich leider eine Pause gehabt, 2016 war ich zu schwach, muss man ehrlich sagen. Tokyo 2021 war es so, dass ich es ganz knapp verpasst habe. Jetzt soll es wieder klappen. Ich weiß, was mich erwartet und bin umso motivierter, dass es nach 12 Jahren Abwesenheit nächstes Jahr wieder so weit ist.

Du sprichst überzeugt davon, dass es hinhaut, vermutlich ganz bewusst?
Es ist nicht so: Ich lauf das jetzt und das ist fix. Ich weiß, was für eine Herausforderung die Qualifikation ist. Das Niveau ist extrem gestiegen, man ist in Tokyo noch mit 2:11:30 im Marathon dabei gewesen, früher mit 2:14, 2:13. Heute ist die Qualifikationsnorm 2:08:10. Natürlich gibt es auch das Weltranglistensystem, wo aufgefüllt wird. Aber die Dichte im Laufsport ist sehr, sehr stark geworden. Auch die Spitze ist immer besser geworden, aber vor allem die Dichte. Ich weiß, dass es keine Selbstverständlichkeit und ein hartes Stück Arbeit wird. Aber auf der anderen Seite ist es keine Utopie. Wenn ich das Potenzial, das ich hab, abrufen kann, trau ich mich zu 99,99 Prozent zu sagen, dass sich eine Qualifikation ausgehen kann. Das hab ich im Kopf und darauf arbeite ich hin.

Wenn du zurückschaust auf den Wien-Marathon, 2:19:27 war zwar eine starke Zeit, aber eben nicht, was du dir erwartet hast. Du weißt aber, was an dem Tag nicht funktioniert hat, oder?
Im sehr guten Hobbybereich wäre unter 2:20 eine Top-Zeit. Für mich, wenn man unter 2:10 laufen will, war das, blöd gesagt, nix. Was das Schräge ist: Ich kann jetzt keinen dezidierten Grund nennen. Das Training hat gepasst, irgendwelche medizinische Indikatoren hat es im Nachhinein nicht gegeben. Aber ich bin lang genug im Leistungssport dabei, um zu wissen: Ja, es gibt halt so einen Tag. Schaut blöd aus, ist mir selber am unangenehmsten. Weil ich auch derjenige bin, der weiß, wie viel Aufwand dahinter steckt. Im Marathon hast du halt auch nicht gleich nächste Woche die nächste Möglichkeit. Aber ich bin jemand, der sich sehr schnell nach vorne richtet, immer schaut, was kann man hinsichtlich der nächsten Herausforderungen besser machen. Im Oktober (am 29. Oktober 2023 beim Frankfurt Marathon, Anm.) bin ich guter Dinge, dass das schon deutlich besser klappen wird.

Seit 2018 lebst du vegan. Hatte die Entscheidung dafür einen leistungstechnischen Hintergrund?
Das hatte rein ethisch-ökologische Gründe. Grundsätzlich ist es so, dass eine rein pflanzliche Ernährung auch positive Effekte auf die Leistungsfähigkeit haben kann – oder wenn man zum Freizeitsportler schaut, für die Gesundheit. Bei mir hat es jedoch rein ethisch-ökologisch motiviert begonnen, ich hab mir weder negative noch positive Effekte erwartet. Seitdem war unter anderem ein österreichischer Rekord dabei. Natürlich ist das immer schwer zu beurteilen, aber ich glaube, die Regenerationsfähigkeit ist tendenziell besser geworden. Das geht auch in Einklang mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen. Was für mich von ethischer Seite zu dem Zeitpunkt notwendig war, wo ich gesagt habe: es geht nimmer, hat sich insgesamt schön in Einklang bringen lassen mit dem, dass es in manchen leistungsrelevanten Punkten subjektiv etwas besser geworden ist. Eine schöne Win-win-Situation.

Wenn du für den Sport unterwegs bist: Ist es da wesentlich komplizierter, sich ausgewogen vegan zu ernähren, oder gibt es heute überall schon genügend Möglichkeiten dafür?
Es gibt viele Möglichkeiten und wenn man von sportspezifischen Reisen spricht, funktioniert es auch immer. Natürlich sind die rein pflanzlichen Optionen etwas geringer, ist nicht immer die ganz große Vielfalt vorhanden. Aber eine Sache, die man lernt, ist, dass man sich für die Reisen vorbereitet, dass man im Optimalfall selber was dabei hat. Und wenn ich wo bin und zwei Tage lang nur Reis und Nudeln mit Gemüse esse, ist das zwar aus ernährungswissenschaftlicher Sicht nicht unbedingt ausgewogen, aber für den Wettkampf erfüllt es auch den Zweck. Zwei Tage ist das egal – wenn ich mich das ganze Jahr so ernähren würde, würde es nicht funktionieren. Aber so wie es ist, ist es insgesamt kein Problem.

Du hast nebenbei studiert, bist jetzt Miteigentümer von den WEMOVE Runningstores und das Thema „Laufheld“ gibt es auch, wo du mittels Youtube-Videos Hobbyläufern Trainingsratschläge gibst und Laufschuh-Test durchführst. Wie würdest du deinen beruflichen Status definieren?
Als Profisportler. Da ist mein Fokus drauf. Das geht auch nicht anders, wenn man bei Olympia dabei sein will. Ich bin aber auch so realistisch zu wissen, dass der Laufsport in Österreich nichts ist, wo man mit Mitte 30 aufhört, sich zurücklehnt und sagt: Passt, ausgesorgt für den Rest des Lebens. Meine größten Ziele sind klar noch im Laufsport, aber natürlich frage ich mich: Was kann ich danach machen, wo ich mich wohlfühle. Ich versuche ein bisschen einen gleitenden Übergang zu schaffen. Mein Fokus war immer: Was kann ich gut? Den Laufsport. Das ist ja nicht nur Im-Kreis-Laufen, sondern eine sehr große Sache in der Gesellschaft. Ich hab mittlerweile das Selbstvertrauen zu sagen: Ich hab ein gewisses Wissen, gewisse Erfahrungen im Laufsport, die für andere interessant und wertvoll sein können. Ob man das jetzt über ein YouTube-Video weitergibt, im WEMOVE-Store direkt oder im Hintergrund des Stores nutzen kann.

Man kann dich also im Geschäft als Berater antreffen: Eine typische Frage, die dir gestellt wird? Kommt etwa die Frage: „Was ist der beste Laufschuh“?
Jaja, im Normalfall bin ich einmal pro Woche in einem unserer Stores. Die Frage nach dem besten Laufschuh ist durchaus eine Frage, die kommt, aber von mir wie von allen anderen bei uns gleich entschärft wird. Weil es halt so ist: Laufen ist individuell, Laufschuhe sind individuell. Wir sagen immer: Wenn dir wo gesagt wird, den einen Laufschuh musst du nehmen, weil das ist der Beste – dann musst du einfach weglaufen. Da braucht es wirklich eine individuelle Herangehensweise. Man muss durchprobieren, durchschauen, dann findet man für jeden den Passenden. Ich sage auch immer: Ob du ein bestimmtes Leiberl oder eine Hose hast, wird dich nicht viel besser oder schlechter machen. Bloß beim Laufschuh wäre es halt schade: Weil einerseits die Performance leidet, im Worstcase vielleicht sogar die Gesundheit, wenn du beispielsweise eigentlich einen gestützten Schuh brauchst, aber einen neutralen bekommst und davon Schmerzen entstehen. Hand in Hand geht, dass die Motivation weg ist. Wenn der Laufsport nicht funktioniert, weil du den falschen Schuh gehabt hast, wäre das doch sehr schade. Weil es sich mit guter Beratung und dem richtigen Schuh einfach verhindern lässt.

Spitzenläufer Andreas Vojta im Interview: "Es braucht das konkrete Ziel vor Augen"
Andreas Vojta

Geb. am 9. Juni 1989, Mittel- und Langstreckenläufer aus Gerasdorf (NÖ). 2012 Olympia-Start über 1500 m in London; 49 österr. Meistertitel. Seit 2023 konzentriert er sich auf den Marathon mit Ziel Paris 2024.

Bestzeiten: 28:06,88 (10.000 m), Halbmarathon 1:02:30, Marathon 2:19:27.

Ebenfalls seit 2023 Miteigentümer der WEMOVE Runningstores in Wien.

Web: www.wemove.at