Die Begrüßung sagt schon viel über Christian Hottas aus. Auf die Frage, wie der Marathon letzte Woche gelaufen sei, folgt die Gegenfrage: „Der am Mittwoch oder der am Freitag?"
Von Klaus Molidor
Diese Gegenfrage ist aber nicht unlogisch, hat der 61-jährige Arzt aus Hamburg doch weltweit die meisten offiziellen Marathons absolviert. 2.560 sind es zum Zeitpunkt des Gesprächs. Bald wird Christian Hottas die 2.600er-Marke überspringen. Unglaublich. Unmöglich? Unschaffbar? Fake News? Mitnichten. Das offizielle World Megamarathon Ranking wies ihn mit Jahresende 2016 als Führenden aus. Der zweite, der Finne Kaveli Saukkonen, lag knapp 500 Läufe zurück. Schaffbar ist diese Zahl nur aus einem Grund: „Ich organisiere viele Marathons selbst", erklärt Hottas. Zwei bis drei pro Woche sind es in Hamburg und Umgebung. „Alle AIMS vermessen und mit Ausschreibung."
17 TAGE, 17 MARATHONS
Laufen ist seit über drei Jahrzehnten sein Leben. Sein Erweckungserlebnis hatte Hottas 1986. „Da war ich in Norwegen, auf den Spuren meiner Abitur-Reise von 1975", erzählt er. „Und ich hatte nicht mehr 65 Kilogramm wie elf Jahre zuvor, sondern 98." Ein halbes Jahr später ist er in Hamburg seinen ersten Marathon gelaufen. Der Auftakt zu einer beispiellosen Hobbyläufer-Karriere.
Jedes Jahr wurden es mehr Marathons. In seinen besten Jahren ist er 170 gelaufen, einmal sogar 17 Marathons in 17 Tagen. Verrückt nennen das die meisten. Hottas kontert: „Nicht verrückt ist auch nicht ganz normal." Und liefert als Arzt auch gleich die Rechtfertigung nach. „Meine Blutwerte waren 1986 grenzwertig, das Verhältnis zwischen gutem und schlechtem Cholesterin war schlecht, der Blutzucker auf dem Weg zum Diabetes und der Blutdruck zu hoch. Heute ist alles wunderbar."
Gelenke, Muskeln, Bänder, Sehnen betreffend, hat sich der Körper über die Jahre an die Belastung angepasst. „Regeneration kann man auch lernen", sagt Hottas. „Ich laufe also einen Marathon, in sagen wir viereinhalb Stunden, und dann und mache die nächsten zwei, drei in sechs Stunden und hab leichter Zeit für die 400 Fotos, die ich pro Rennen mache. So regeneriere ich aktiv."
EINSCHNEIDENDE ERLEBNISSE
Viele Daten hat Hottas aus dem Stegreif parat. 1989 in Schwerin ist er seinen schnellsten Marathon gelaufen. „In 2:59,20. Da war ich am Höhepunkt, weil meine Frau schwanger war, und ich wusste, dass es danach mit dem intensiven Training erst einmal vorbei sein wird." In Österreich ist er nur 2003 den Wien-Marathon gelaufen. Für die komplette Übersicht hat er eine Excel-Liste in die er Daten und Erlebnisse einträgt. Zwei Läufe waren besonders einschneidend: Der Hannover-Marathon 2013 und jener in Kaltenkirchen 2005. Ersterer war sein 2.000. Marathon. „Viele Freunde und auch Fremde wollten den als Eskorte mit mir laufen. Also bekamen wir Startnummern von 2000, für mich, bis 2081. Wir bekamen eigene Shirts, eigene Medaillen und nach dem Rennen gab's einen Empfang beim Bürgermeister."
Noch emotionaler war der 1.000. Marathon im Jahr 2005. Hottas' Partnerin hatte Darmkrebs im fortgeschrittenen Stadium. „Da konnte sie eigentlich schon nicht mehr laufen, ist aber trotzdem die letzten beiden Kilometer an meiner Seite gelaufen. Wie sie das geschafft hat, ist mir bis heute ein Rätsel", sagt Hottas. Seitdem ist der Spruch, den er in einem Radio-Interview geprägt hat, sein Motto: „Jeder Lauf ist ein Geschenk." Und so läuft Christian Hottas weiter und weiter. Meistens in einer Gruppe mit Freunden. Statt auf ein Bier trifft man sich auf 42 Laufkilometer. Sucht will Hottas es nicht nennen. „Ich könnte aufhören damit – aber dann würden mir meine Fitness und mein Lifestyle fehlen." Immer noch ist die klassische Distanz etwas Besonderes. „Du musst vor der Strecke immer Respekt haben." Auch beim 2.561. Mal.
Der Marahon-Weltrekordler | CHRISTIAN HOTTAS. Der deutsche Mediziner hat weltweit die meisten offiziellen Marathons absolviert. Ende Juni waren es 2.560. Er organisiert viele „Lost Places"-Marathons an ungewöhnlichen Orten wie rund um eine Baustelle oder in einem Weltkriegsbunker. Hottas lebt und arbeitet als Arzt in Hamburg. |
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