Mit dem Rad hoch zur Alm, die Seele baumeln und den Gaumen mit regionalen Schmankerln verwöhnen lassen? Klappt auch im Sattel des (E-)Mountainbikes.

Lukas Schnitzer
Lukas Schnitzer

Ich kann mich noch erinnern, als wäre es gestern gewesen. Mountainbiken war für mich – etwaige Zwangspausen durch allerhand Defekte von gerissenen Ketten (wo sind in den Jahren meine juvenilen Kräfte bloß verebbt?) bis platte Reifen (dank dem Heilsbringer „Tubeless“ endlich Geschichte) – eigentlich ein Non-Stop-Sport. Planmäßige Zwischenstopps vor Almhütten? Während des Trainings, was eine Tour ja durchaus darstellt, hinhocken, Ausblick und Sonne genießen, dazu vielleicht noch mit Radler, Käsebrot oder Kaiserschmarrn den Magen strapazieren? Kannte ich aus Erzählungen und vom Vorbeifahren, konnte ich aber nie verstehen. Erst Jahre später, ich war bestimmt schon zwei, vielleicht drei Sommer als Reiseredakteur bikend durch die Alpen unterwegs gewesen, machte es dann aber plötzlich „klick“. Wie schon so oft saßen wir am Sonnenbankerl einer urigen Hütte hoch über dem Tal, bekamen, wohl wissend gerade Teil eines Fotoshootings zu sein, durch die Hand der gemütlichen Seniorchefin in leicht speckiger Schürze allerhand regionale Schmankerl auf den Tisch geladen und übten uns vor der Kamera in möglichst natürlichem Essverhalten. Rundum weideten trotz der Seehöhe mächtige Noriker, weit entfernt war das Glockenläuten weitaus traditionellerer Almtiere zu vernehmen. Im Kontrast zum saftigen Grün der Alm ritterten kahle, teils von Gletscherfeldern vereinnahmte Felswände mit mächtigen Gipfeln, weiten Wäldern und einer tief unten im Tal funkelnden Seenlandschaft um Aufmerksamkeit.

Mittendrin im Idyll ich, Zeit meines Lebens von Sekunden getrieben, einmal im Sportmodus eher rastlos denn rastend – und plötzlich tiefenentspannt, einfach nur zufrieden mit dem Moment. Die zelebrierte Einkehr auf Tour? Sie gehört seither zu meinen liebsten „Helferlein“ im Kampf gegen die Stressoren des Alltags. Denn oben auf der Alm, dort gibt’s nicht nur „ka Sünd‘“, dort oben zwischen kulinarischen Ergüssen, dem Almvieh und herrlichen Weit- und Tiefblicken gibt’s auch weder Hektik noch Stress.

Almtour ist nicht gleich Almtour
Rupert Pichler, Inhaber der Fun & Pro Sport- und Bikeacademy Flachau kennt aber noch weitere Gründe, hoch zu den Almen und Hütten zu fahren. Nebst körperlicher Fitness (respektive dem Vorantreiben selbiger) sowie dem obligaten kulinarischen Genuss spielt auf Alm- und Hüttentouren für ihn auch die soziale Komponente eine gewichtige Rolle. Denn unterwegs und auf den Sonnenterrassen „trifft man oftmals Gleichgesinnte, kommt schnell ins Gespräch“, weiß der erfahrene Guide. Doch so unterschiedlich die interessanten Charaktere, die man trifft, so vielfältig zeigt sich auch das Spektrum der „idealen“ Hütten- oder Almentour. Denn solch eine Tour mit gemütlicher Hüttenrast kann 400 entspannte Höhenmeter auf sanft angelegten Forststraßen umfassen, kann aber genauso 1500 Höhenmeter, 50 Kilometer und knackige Trails bedeuten. Wichtig ist hier die geplante Strecke mit dem eigenen Leistungsvermögen realistisch in Einklang zu bringen.
 

Ganz allgemein gesehen rückt Angelika Hronek, im PillerseeTal inmitten der Kitzbüheler Alpen als Themenmanagerin für Rad und Mountainbike zuständig, für derlei Touren das Panorama auf den Almen, die Natur während der Fahrt und das Kennenlernen von Land und Leuten in den Fokus. Genussvolle Hüttentouren – egal wie sportlich man den Weg dorthin auch anlegen mag – stehen und fallen für sie immer auch mit der Bewirtung der Hütten und Almen, mit der gelebten Regionalität und Tradition. „Must-haves“, egal auf welchem Leistungsniveau, sind hier für Rupert Pichler Strecken oder Zufahrten, die möglichst nicht für Autos freigegeben sind: „Schön sind für mich abwechslungsreiche Anstiege – nicht zu steil und nicht der prallen Sonne ausgesetzt“, erklärt der Flachauer. Die erwählte Hütte, so seine Empfehlung, sollte dazu am höchsten Punkt oder gegen Ende der Tour liegen. 

Divergent wie die Geschmäcker der Biker selbst gehen die Meinungen von Rupert Pichler und Angelika Hronek hingegen in Sachen Trails auseinander – während Pichler gerne Touren mit Trailanteil wählt, sieht Hronek den Trail auf solchen Touren eher als Bonus: „Wenn sich ,Tour & Trail‘ anbietet, dann ja. Ansonsten verfolgen wir eher die Devise, das Trail- bzw. Downhill-Angebot zu kanalisieren. Wir schaffen zentralisierte Angebote – etwa die Bike Area Fieberbrunn im Bereich Streuböden –, um bewusst anderen, sensiblen Gegenden die nötige Ruhe zu geben“, so ihre durchaus auch berechtigte Denkweise. 

Der Schladminger Markus Pekoll, selbst lange Jahre aktiv im Downhill-Zirkus unterwegs und heute Mountainbike-Koordinator für das Land Steiermark, differenziert weiter: „Einsteiger in den Sport, die das Mountainbiken neu für sich entdeckt haben, werden am Anfang mit dem normalen Weg zur Hütte mehr als ihr Auslangen finden. Ebenso werden die vielen Nutzerinnen und Nutzer eines E-Bikes mit einer legalen Zufahrt zu einer Hütte ein attraktives Angebot haben. Gibt es dann aber einen Trail runter, ist das natürlich wunderbar und macht die Tour auch für die erfahreneren Könnerstufen interessant“, so der Mitbegründer und Namesgeber der Bike School Pekoll.

Kulinarische Genüsse sind längst nicht alles, was eine Einkehr oben auf der Alm mit sich zu bringen weiß.

Touren finden und planen
Touren zu finden, das ist in Zeiten von Internet, Tourenportalen und touristisch vermarkteten Routen keine große Herausforderung. Sehr wohl, so Markus Pekoll, sollte man sich vor der Abfahrt aber gut darüber informieren, wo das erwählte Ziel genau liegt und wie lange man dorthin vermutlich brauchen wird. Hier gilt es auch die Einkehr, den Rückweg und Pausen (geplante wie auch ungeplante, Stichwort Defekte) einzurechnen. „Auf Basis der Öffnungszeiten der Tour plane ich dann meinen Tag“, so der Steirer. Denn offizielle Touren haben in der Regel auch offizielle Öffnungszeiten, um dem entlang der Route lebenden Wild in den Morgen- und Abendstunden ihren Freiraum zu gewährleisten. 

Öffnungszeiten haben aber auch Almhütten, wie Angelika Hronek hervorstreicht. Hier sollte man sich vorab unbedingt informieren, um am Ende beim Tourenhighlight nicht vor verschlossenen Türen zu stehen. Im Herbst, so Hronek, finden vielerorts auch Almabtriebe statt. Eine durchaus sehenswerte Tradition, ein Befahren der Touren ist an diesen Tagen aber oft schwierig. Außerdem endet damit an so manch bewirtschafteter Alm die Ausschank.

Mit zur Planung gehört natürlich auch der obligate Wetter-Check. In den Bergen wechselt das Wetter oft schnell, entsprechend muss auch eine Regenjacke in den Bike-Rucksack. Dazu gehören für Rupert Pichler immer auch ein Reparaturset (Ersatzschlauch, Pumpe, Multitool), Riegel, Erste-Hilfe-Paket und ein Mobiltelefon zur Grundausstattung. Aber: „Ein Handy-Akku ist schneller leer, als man denkt, und für Netzabdeckung gibt es in den Bergen keine Garantie“, warnt Pekoll und rät Ortsunkundigen gleichzeitig zur klassisch gedruckten Karte. Und auch wenn man eine Hüttenrast plant – „für Touren zu einer Alm ist es trotzdem empfehlenswert, genügend Wasser oder Sportgetränke mitzunehmen“, so der Hinweis von Hronek.

Weiden und ihr Vieh
Sehr häufig führen Alm- und Hüttentouren über und durch Weidegebiet. „Gatter“, so Hroneks Appell, kann man zur Durchfahrt natürlich öffnen, sie müssen aber auch unbedingt wieder geschlossen werden.“ Bei einem Aufeinandertreffen mit Weidetieren ist es empfehlenswert, das Bike zu schieben und diesen kurzen Abschnitt der Tour zu Fuß zu gehen, „da man sonst vielleicht die Tiere verunsichert und diese aufscheucht“, empfiehlt die Pillerseetalerin. Geht man mit dem Vieh respektvoll um, muss man aber auch keine Furcht vor Kuh, Schaf, Pferd und Co. haben. „Es gilt, mit offenen Augen und Ohren durch die Landschaft zu fahren. Das Weidevieh sollte man Weidevieh sein lassen und es nicht als Selfie-Objekt zweckentfremden“, schließt Markus Pekoll augenzwinkernd. 

Angelika Hronek

verantwortet im Tiroler PillerseeTal die Bereiche Bike und Mountainbike.

WEB: www.kitzbueheler-alpen.com

Markus Pekoll

war früher selbst erfolgreicher Downhiller und ist heute Mountainbike-­Koordinator des Landes Steiermark.

WEB: www.schladming-dachstein.at
 

Rupert Pichler

ist Inhaber der Fun & Pro Sport- und Bikeacademy Flachau (S).

WEB: www.flachau.com