Mit dem Mountainbike die Berge erkunden, große Runden ­ziehen und einsame Almen und Pfade entdecken – auf Tagestour ins Ungewisse ist gute Planung Trumpf. Wir zeigen wie.

Lukas Schnitzer
Lukas Schnitzer


Es sind beeindruckende Distanzen, die sich im Sattel eines Mountain­bikes über den Verlauf eines Tages zurücklegen lassen. Distanzen, die viel Abwechslung, viel Abenteuer und viele Möglichkeiten eröffnen. Gleichzeitig bergen die Distanzen aber auch ein gewisses Risiko. Dann nämlich, wenn man sich in unbekanntem Gelände bewegt. Denn: So weit man auf Tour kommt, so unbemerkt mag man bei mangelnder Streckenkenntnis auch vom Weg abkommen. Im hügeligen Geläuf meist einfach ärgerlich, können solche Hoppalas im alpinen und hochalpinen Raum auch schnell gefährlich werden. Geht das Tageslicht zur Neige oder droht ein Wetterumschwung, ist es mit der Entspanntheit der Bike-Tour rasch dahin. Damit dies nicht passiert, ist eine gute Tourenplanung das A und O. Wir haben bei der ehemaligen Weltklasse-Mountainbikerin Lisi Osl, beim Bikeguide und Hausherr im ****Alpines Gourmet Hotel Montanara in Flachau, Andreas Hausbacher, und bei dem umtriebigen Bikeclub-Stattegg-Obmann Jürgen Pail nachgefragt, wie sie an ihre Touren in unbekanntem Gelände herangehen – und für euch einige wertvolle Tipps zusammengetragen.

Wo suchen?
Touren finden? Das ist in Zeiten des Internets, diverser Foren und Apps keine große Herausforderung. Plattformen wie Komoot, Outdooractive, Bergfex und wie sie alle heißen liefern hier Vorschläge und Inspiration ohne Ende. Wer sich an Apps und Plattformen bedient, dem rät Jürgen Pail, sich erst genau einzulesen, da Beschreibungen zwischen Portalen teils stark variieren können. Außerdem gilt es bei nicht offiziellen Touren aus dem Internet immer auch den Track etwas genauer unter die Lupe zu nehmen, um nicht mit et­waigen Fahrverboten in Konflikt zu kommen. Verifiziert legal ist man auf den Touren diverser Tourismus-Websiten oder mit dem oft in Bike-Regionen ausgegebenen Kartenmaterial unterwegs.

Auch offline verfügbares klassisches Kartenmaterial bietet sich zur Tourenfindung und als Basis der Routenplanung an. Und: „Ausgeschilderte Routen lassen sich auch individuell für die Gruppe anpassen oder miteinander verknüpfen, sodass sich schöne Tagestouren ergeben“, rät Andreas Hausbacher. Plant man Touren auf eigene Faust, setzt Jürgen Pail immer auf mehrere Quellen. Wanderkarten gehören hier für ihn genauso dazu wie Erkundigungen bei Locals. Digital durchforstet der erfahrene Tourenplaner auch gerne Google Earth, Youtube und diverse Trailblogs, um sich ein Bild von den jeweiligen Streckenabschnitten zu machen. Etwaige angegebenen Fahrzeiten sollte man aber stets mit Vorsicht genießen und, wie im nächsten Schritt erklärt, selbst abschätzen.

Tourendetails
Ein wichtiger Punkt in der Tourenfindung und -wahl, egal ob vorgefertigt oder selbst erdacht: eine realistische Selbsteinschätzung respektive Einschätzung der Tourenpartner. Will ich eher nur auf Forststraßen und Almwegen unterwegs sein oder möchte (und kann ich) auch schwierige Trails bewältigen? Darf es auch mal über viele Höhenmeter steil bergauf gehen oder sollte ich mich eher in flacherem Gelände bewegen? Wie viele Kilometer und Höhenmeter sind realistisch machbar – oder, wie es Jürgen Pail ausdrückt: „Wie steht es um meine persönliche Steighöhe, wie viele Höhenmeter pro Zeiteinheit kann ich auf welchem Untergrund und welchen Wegen schaffen? In Relation zu Sonnenauf- und Untergang sollte man sich im Klaren sein, was man selbst bzw. die Gruppe in der zur Verfügung stehenden Zeit schaffen kann. Dabei bitte immer vom Gruppenschwächsten ausgehen und auch Reserven für Defekte oder Konditionsprobleme einplanen. Und: Umso größer die Gruppe, desto langsamer“, so der Appell von Pail.

Hat man Schwierigkeiten hier klare Antworten zu definieren, hilft eventuell folgende Einschätzung: Absolute Einsteiger und Gelegenheitsfahrer können etwa mit 5 bis 15 Kilometern und 250 bis 300 Höhenmetern (bei E-MTBs doppelt so viel) kalkulieren, leicht Fortgeschrittene und „Genussfahrer“ mit 10 bis 25 Kilometern und bis zu 600 Höhenmetern (E-MTB ebenfalls etwa doppelt so viel), ambitionierte Biker mit 15 bis 45 Kilometern und 1000 Höhenmetern und sportliche Tourenfahrer je nach Gelände mit 25 bis 75 Kilometern und bis zu 1800 oder 2000 Höhenmetern. Bei der Einschätzung der technischen Schwierigkeiten in den Abfahrten hilft die allgemein anerkannte und verwen- dete Singletrail-Skala (www.singletrail-skala.de). „Je ehrlicher man in diesen Punkten zu sich selbst ist, desto genauer kann man planen und somit unangenehme Situationen – wie Dunkelheit, Hungerkrisen oder totale Erschöpfung – umgehen. Es sollte schlussendlich ja auch Spaß machen“, erklärt Lisi Osl augenzwinkernd.

Hat man die grundlegenden Details zur Strecke – Länge, Höhenmeter, Weg/Trailbeschaffenheit und, wie Lisi Osl hervorstreicht, Höhenlage samt entsprechend oft unterschätzter Auswirkung auf die Leistungsfähigkeit – geklärt, geht es an die finalen Feinheiten. Alle drei Experten raten zum obligaten Wettercheck, Jürgen Pail bezeichnet das Gewitter als „Lawine“ des Sommers. Die Wetterlage definiert für ihn die Abfahrtszeit. „Extreme Hitze zehrt genauso an den Kräften wie Kälte und Nässe, entsprechend sollte man die Ausrüstung anpassen“, so Lisi Osl. Ein weiterer wichtiger Hinweis von Pail: „Windwurf, Schneebruch und Holzbringung können Abschnitte unpassierbar machen!“ Daher immer vorab die Situation checken und auch etwaige mögliche Abkürzungen schon vorab als Backup einplanen. Bei Gruppenausfahrten empfiehlt Lisi Osl auch ein gemeinsames Kartenstudium vor der Abfahrt: „Jeder sollte wissen, wo’s langgeht und mentale Anhaltspunkte für unterwegs haben“, erklärt die Kirchbergerin. 

Von der Planung zur Praxis
Sitzt man endlich im Sattel, geht es ans Eingemachte. Den geplanten GPS-Track zur Navigation auf sein Handgerät zu spielen, macht unterwegs vieles leichter. Zur besseren Übersicht oder falls die Elektronik versagt, raten Lisi Osl, Jürgen Pail und Andreas Hausbacher aber auf jeden Fall auch zu Papierkarten im Gepäck. Ein Powerpack hilft in Notsituationen, Smartphone und Co. am Laufen zu halten. 

Vor der Abfahrt, am besten noch am Vortag, empfiehlt Andreas Hausbacher auch unbedingt das Bike (Bremsen, Reifen, Schaltung) und die Ausrüstung zu kontrollieren. Neben der dem Wetter angepassten Kleidung gehört auch Werkzeug und Ersatzmaterial in den Rucksack. Getränke, Energieriegel und Notfallausrüstung (Erste-Hilfe-Set, Stirnlampe) ebenso. „Gerade in hochalpinen Regionen kann auch die Trinkwasserversorgung schwer sein“, weiß Jürgen Pail aus eigener Erfahrung. Daher: Genügend Wasser mitnehmen und vorab mögliche Wasserquellen markieren. 

Ein finaler Tipp von Andreas Hausbacher und Jürgen Pail: Plant man unterwegs einzukehren, sollte man hier vorab schon alles klären –nicht jede Hütte hat täglich geöffnet. Vorab anzurufen, zu reservieren oder sich zumindest anzukündigen, hat hier schon manch hungrige Enttäuschung vermieden. 

Andreas Hausbacher

Als Bikeguide und Hausherr im ****Alpines Gourmet Hotel Montanara kennt der Flachauer nicht nur die Berge, sondern auch die Wünsche und Probleme der Tourenfahrer.

WEB: www.montanara.com, www.flachau.com
 

Lisi Osl

Die Kirchberger Olympionikin und vielfache Österreichische Meisterin im XCO hat ihre aktive Karriere beendet – die Leidenschaft zum Bike ist aber geblieben.

Web: www.brixental.tirol

Jürgen Pail
Jürgen Pail

Der Steirer zeichnet unter anderem für die MTB-Bewerbe in Stattegg verantwortlich und erschuf das Format der Jugend-Europameisterschaft. Privat und mit seinem Bikeclub Stattegg ist er auch oft auf Tour.

WEB: www.bike09.at