Zwischen Lust und Frust beim Biken liegen oft nur Zentimeter. Bikefitting, sich das Rad vom Profi ­ergonomisch einstellen zu lassen, zahlt sich aus. Wir ­haben uns bei Radhändler Bernhard Kohl erkundigt.

Christof Domenig
Christof Domenig

Wenn sich bei der ersten ausführlichen Ausfahrt nach der Winterpause der Hintern meldet, dann ist das normal und sollte mit wenigen regelmäßigen Fahrten verschwunden sein. Falls nicht, wenn Schmerzen im Sitzbereich oder auch einschlafende und kribbelnde Körperpartien wie Hände oder Finger am Rad immer wieder auftreten, sollte etwas dagegen unternommen werden. Immer wieder ist zu hören, dass solche Probleme von Bikern einfach als „zur Sportart gehörend“ hingenommen werden. Aber: Dem ist nicht so – Abhilfe lässt sich oft mit wenig Aufwand schaffen. 

Ganz grundsätzlich hat es mit unseren unterschiedlichen Körperproportionen zu tun: Wie kein Fingerabdruck gleicht auch kein Körper dem anderen. Die optimale Sitzposition auf dem Rad muss deshalb individuell gefunden werden. Diese zu finden – das ist die Aufgabe eines „Bikefitters“. Als weitere Variablen können Serienteile von Rädern wie Sattel und Griffe, die meist einfach für „Durchschnittsmenschen“ gemacht und manchmal auch nicht von bester Qualität sind, durch bessere, passendere, ergonomische Bikeparts ersetzt werden. Auch dafür ist ein Bikefitting ideal, um die zum eigenen Körper passenden Teile aus dem Zubehörangebot zu finden.

„Alle Kontaktpunkte des Körpers mit dem Rad sind ein großes Thema“, sagt Berhard Kohl, Ex-Profi und heute Österreichs größter Radhändler. „Das fängt mit dem Radschuh – mit der Pedaleinstellung und den Cleats an, geht über den Sattel zu den Griffen. Diese drei Parameter sind ganz entscheidend.“ Beim Rennrad, so der Ex-Profi, ist auch die Sattelstütze ein wichtiges Thema, was beim Mountainbike weniger relevant ist – „hier wird meist eine Null-Offset-Sattelstütze verwendet“.

1,5 Millionen Punkte
Wer sich bei Radshop Kohl in Wien sein Bike zulegt, bekommt ein professionelles Bikefitting nicht nur kostenlos dazu, es gehört schon zum Beratungsprozess. Doch auch wer schon ein Bike hat, für den zahlt sich ein Bikefitting natürlich ebenso aus. Ein solches bieten neben Kohl auch viele andere Rad- und Sporthändler in Österreich an – freilich in unterschiedlichem Umfang, weil auf unterschiedliche  technische Hilfsmittel und eigene Erfahrungswerte zurückgreifend.
 
Im Idealfall beginnt der Beratungsprozess beim Radkauf gleich mit einer Körpervermessung. Bei Bernhard Kohl wird der Körper mittels „Bodyscanning 4“-Systems, bei dem rund 1,5 Millionen Punkte des Körpers mit einem Laser erfasst werden, vermessen. Es entsteht ein 3D-Avatar, anhand dessen die Software erstens die richtige Rahmengröße ermittelt und zweitens eine sehr gute Sitzposition bereits vorschlägt. 

Ist das Bike anhand der Körperdaten ausgesucht und in der richtigen Größe vorort und ist die vom Computer empfohlene Sitzposition grundsätzlich einmal eingestellt, geht es an die Feinabstimmung. Sattelhöhe und -versatz, Lenkerposition oder die Cleats am Radschuh – alles fließt in die Feinabstimmung nochmals mit ein. Wichtig von Beginn weg: Kommunikation – durch Fragen versucht der Fitter etwaigen Problemzonen wie auch den Bedürfnissen und Wünschen seines Kunden möglichst exakt auf die Spur kommen.Wichtig für den Fitting-Prozess ist auch, dass er im eigenen Bikegewand durchgeführt wird und dass natürlich die eigenen Radschuhe verwendet werden. Rund eine Stunde ist für eigentlichen Fittingprozess einzuplanen.

Ergonomische Teile
Wie erwähnt, kann es sinnvoll sein, sich während des Fittingprozesses gemeinsam mit dem Experten Gedanken über das eine oder andere Zubehörteil zu machen. Der Sitzknochenabstand wird vermessen, um die optimale Sattelbreite zu ermitteln. „Die meisten Probleme bestehen im Sitzbereich“, weiß Kohl, „da ist erstens die Sattelposition, zweitens die Sattelbreite und drittens die Sattelgeometrie entscheidend.“ Neben der Breite – das Gewicht soll auf den Sitzbeinhöckern ruhen – kann es sich also auch auszahlen, sich über die Sattelhärte oder spezielle Sattelformen Gedanken zu machen. Ergonomie-Spezialisten wie beispielsweise SQlab haben vielfältige Lösungen im Programm. „Hat man schon Probleme im Sitzbereich, dann bitte unbedingt schmerzfrei zum Fitting kommen, also nicht nach einer langen Ausfahrt am Vortag. Das ist wichtig, um das Problem identifizieren zu können“, rät Kohl.

Auch die Hände sind manchmal eine Problemzone, etwa in Form von Taubheitsgefühlen in den Fingern. Auch hierbei lassen sich Probleme oft schon mit der Korrektur der Sitzposition beheben. Die Griffgröße soll zur Hand passen und auch ergonomisch geformte Griffe können in manchen Fällen die bessere Wahl sein als ein Seriengriff. Kommunikation mit und Beratung durch den Bikefitter ist auch hierbei entscheidend. 
„Ich lege es jedem ans Herz, ein Bikefitting machen zu lassen“, so Bernhard Kohls Resümee, „weil es so einen krassen Unterschied macht, ob man schmerzfrei am Rad sitzt oder nicht. Man fährt öfter, bringt mehr Leistung, hat mehr Spaß. Es kann das Erlebnis Radfahren einfach massiv verändern.“