Was passiert im Körper eigentlich während des Marathons? Auf welche Risikofaktoren muss ich achten und ist ein Marathon nicht eigentlich furchtbar ungesund? Das haben wir uns gemeinsam mit Sportmediziner Werner Gröschl gefragt.
Die gute Nachricht gleich zum Anfang. „Der Mensch ist eigentlich gemacht für langandauernde Arbeit im niedrigen Belastungsbereich“, sagt der Grazer Sportmediziner Werner Gröschl. „Wichtig ist dabei aber auch, dass die Bewegung ökonomisch erfolgt“, sagt Gröschl. Und schon da gebe es bei sehr vielen Hobbysportlern Verbesserungspotenzial. Der Laufstil, der für eine Geschwindigkeit von 10 km/h passt, kann bei ein, zwei km/h mehr schon nicht mehr der optimale sein. „Das sollte man sich unbedingt einmal anschauen lassen.“ Laufstilanalysen schaffen hier Abhilfe, danach hilft ein gezieltes Lauf-ABC, den richtigen Schritt auch sauber umsetzen zu können.
Das ist die Basis. Oder wie es Gröschl formuliert. „Der Laufstil ist das Fahrwerk und damit das Wichtigste. Es hilft der beste Motor nichts, wenn ich die PS nicht auf die Straße bringe.“ Gewisse Probleme können während eines Marathons bzw. danach aber trotzdem auftreten. Wir haben uns fünf mögliche Bereiche näher angeschaut.
Überhitzung: Fett und Kohlehydrate sind der Treibstoff, den wir verbrennen. 75 Prozent des Energiebedarfs verpuffen als Wärme, als Wirkungsgrad bleibt damit nur ein Viertel übrig. Die Wärme müssen wir abführen. „Läufer sind tendenziell schlank und haben damit weniger Oberfläche, über die sie die Wärme abstrahlen können“, erklärt Gröschl. Dazu kommen die äußeren Bedingungen: Ist es kühl, gelingt das besser, weil der Temperaturunterschied größer ist als bei Hitze. Ist die Luftfeuchtigkeit hoch, können wir die Körpertemperatur über das Schwitzen schon kaum mehr regulieren. Daher droht die Überhitzung. „Und das kann dann ein Notfall werden, wenn man die Energie nicht mehr loswird.“ Die Körperkerntemperatur kann auf über 40 Grad steigen.
Kohlehydratreserven: Zusätzlich zur normalen Fettverbrennung nutzt unser Körper bei intensiverer Belastung Zucker als Energiequelle. In Muskel und Leber können wir bis zu 3000 Kilokalorien speichern. Eine Kapazität die man durch Carbo-Loading in den Tagen vor dem Wettkampf noch auf bis zu 110, 120 Prozent steigern kann. Für eine Laufzeit von um die vier Stunden reichen die Speicher aber nicht aus. Also muss man Kohlehydrate zuführen. „Das Problem dabei ist, dass man auch nur 70 Gramm pro Stunde über den Magen aufnehmen kann“, erklärt Gröschl. Daher rät er zu einem Sportgetränk, von dem man im Optimalfall alle 15 Minuten einen Viertelliter trinkt. In einem Wettkampf ist das allerdings nur schwer machbar. Im Ziel empfiehlt sich ein proteinhaltiges Getränk. „Dadurch verliert man weniger Eiweiß durch Zellabbau, weil gleich wieder Eiweiß vorhanden ist.“
Wasser und Elektrolyte: Die Flüssigkeit, die durch das Schwitzen verloren geht, muss man wieder zuführen. Aber: Nur Wasser alleine ist zu wenig. Denn man verliert auch Magnesium und Natrium. „Beim Sport ist es vor allem der Natriummangel, der zu Krämpfen führt“, sagt Gröschl. Bei Marathons daher auch zu Sportgetränken greifen, in denen Natrium vorhanden ist. „Im Ziel empfiehlt sich eine salzige Suppe.“ Und das alkoholfreie Bier danach? „Ist zumindest sehr elektrolytreich. Allerdings muss man bedenken, dass man dann viermal so viel Wasser wie Bier trinken muss, weil Bier sehr wassertreibend ist.“ Auf Alkohol sollte man gerade nach einer großen Anstrengung generell verzichten. Nicht nur weil es die Regeneration bremst.
Immunsystem: „Auch wenn man nicht von Anfang an am Limit läuft, am Ende kommt man sicher an seine Belastungsgrenze und so eine hohe Belastung schädigt das Immunsystem“, weiß Werner Gröschl. „Die Immunzellen arbeiten reduziert, es kommt zum Open- Window-Effekt, in dem wir besonders anfällig für Infekte sind.“ Durch langdauernde, intensive Atmung bei der Belastung sind vor allem die oberen Atemwege in Gefahr. Daher: warm einwickeln und nicht mit der Straßenbahn oder im vollen Bus heimfahren, wo man großen Menschenansammlungen ausgesetzt ist.“ Nach 24 Stunden ist die Schwächung aber wieder vorbei. Wie beim körperlichen Training setzt auch hier die Superkompensation ein. Heißt: Das Immunsystem ist in der Folge stärker.
Überbelastung: Muskelzellen nehmen Schaden, es kommt zu Mikrofissuren. „Das ist das, was wir als Muskelkater wahrnehmen.“ In den ersten drei, vier Tagen nach dem Marathon ist Schonung angesagt. „Ein bisschen gehen, vielleicht auf weichem Untergrund, tut gut und ist der Regeneration sicher dienlich“, sagt Gröschl. Vorsicht ist beim Dehnen geboten. „Ganz moderat, ja nicht übertreiben.“ Generell gilt jetzt besonders: auf den Körper hören. Schmerzen nicht ignorieren und ja nicht über den Schmerz laufen. „Damit macht man sich sicher mehr kaputt.“ Normale Überbelastungen sollten nach rund einer Woche wieder verschwunden sein. Dauert etwas länger, ist ein Arztbesuch ratsam. „Vor allem bei Schwellungen. Die treten ja nicht umsonst auf, sondern sind ein Zeichen für Entzündungen.
Das Resümee: Vor einem Marathon sollte man sich unbedingt sportärztlich untersuchen lassen. „Zumindest ein Ruhe-EKG machen lassen, um festzustellen, ob das Herz dafür tauglich ist“, sagt Gröschl. Dazu kommt eine sorgsame Vorbereitung – die je nach Fitnesszustand unterschiedlich lang sein kann. Länger als die üblichen 12 Wochen wettkampfspezifischer Vorbereitung sollte sie aber unbedingt dauern. Ratsam sind zumindest 6 Monate. „Wer dann mit ökonomischer Lauftechnik unterwegs ist und sich oben erwähnter Risiken bewusst ist, muss grundsätzlich keine Schädigung durch einen Marathon-Teilnahme befürchten“, stellt Gröschl klar. „Die einem Laien lange erscheinende Distanz alleine ist kein größeres Problem als bei kürzeren Strecken.