„SPORTaktiv Doc“ Robert Fritz und Sportwissenschafter Michael Koller von der „Sportordination“ über den Motivationsfaktor Laufevent – und wie sich Wettkampfneulinge vorbereiten sollen, damit das Erlebnis gelingt.
Wollte man aus den Lockdownzeiten Positives ziehen: Die Tatsache, dass viele das Laufen als Freizeitsport neu entdeckt haben, gehört bestimmt dazu. Damit bei jenen „Neu-Läuferinnen und -Läufern“ die Motivation aber auch langfristig erhalten bleibt, dafür gibt es ein sehr probates Mittel: einen Lauf mit Startnummer ins Auge zu fassen. Zumal in Sachen Laufevents endlich wieder uneingeschränkt aus dem Vollen geschöpft werden kann. „Ein Wettkampf-Ziel ist immer eine gute Karotte vor der Nase“, sagt SPORTaktiv Doc Robert Fritz aus eigener Erfahrung – als aktiver Freizeitsportler wie auch als langjähriger Leiter des Medical Centers beim Vienna City Marathon, Österreichs größter Laufveranstaltung mit bis zu 40.000 Teilnehmenden. „Mit Tausenden Gleichgesinnten zu laufen, mit einer klatschenden Menge am Straßenrand, das erzeugt pures Gänsehaut-Feeling“, macht auch Sportwissenschafter Michael Koller Lust auf eine Wettkampf-Teilnahme.
Spätestens mit einem konkreten Eventziel im Kopf ist es an der Zeit, vom „Laufen nach Lust und Laune“ zu einem strukturierten, geplanten Lauftraining überzugehen. Was gleich wieder mehrere Motivationsvorteile mit sich bringt. Etwa, dass man eine Laufrunde, sobald sie in einem Plan festgeschrieben ist, nicht gleich beim ersten Widerstand (Wetter, Unlust ...) auslässt. Oder auch, dass gezieltes Training zu spürbaren Leistungsfortschritten führt – die sich für reine Lust-und-Laune-Läufer mit der Zeit verlieren, wenn sich Gleichförmigkeit in den Laufalltag einschleicht.
Die Zielsetzung
Zwölf Wochen sollte eine gut geplante, spezifische Wettkampfvorbereitung dauern, rät Michael Koller – eine gute Grundlagenausdauer, auf der man aufbauen kann, vorausgesetzt. Ein Blick in den Laufkalender (siehe auch die „Top 20 Läufe Straße & Trail“) zeigt, dass der Linz Marathon am 16. April und der Vienna City Marathon am 23. April, also Österreichs zwei größte Marathons im Frühling, doch schon recht nahe sind. Wer sich jetzt im Februar oder März erst zu einem Start dort entscheidet, sollte daher schon über eine starke Basis verfügen und jedenfalls nicht gleich die volle Distanz von 42,195 km ins Auge fassen. Das muss bei einer Event-Premiere aber auch gar nicht sein: Auch auf 10 km, der Halbmarathondistanz 21,1 km oder als Teil einer Staffel lässt sich viel echte Marathon-Atmosphäre erleben.
Wer in der Frage: „Welches Ziel kann ich realistisch erreichen?“ auf Nummer sicher gehen will: Eine Leistungsdiagnostik gibt Auskunft. Sinnvoll ist auch, eine solche mit einer sportmedizinischen Untersuchung zu verbinden. In der Leistungsdiagnostik werden auch die relevanten persönlichen Herzfrequenzbereiche ermittelt, nach denen man sich im gezielten Training dann orientiert.
Mit Tausenden Gleichgesinnten zu laufen, mit einer klatschenden Menge am Straßenrand – das erzeugt pures Gänsehautfeeling.
Der Trainingplan als „Navi“
Wer sein Ziel kennt, kann auch den Weg dorthin definieren. „Ein Trainingsplan ist wie ein Navigationssystem“, vergleicht es Robert Fritz. Trainingspläne für die gängigen Distanzen (10 km, Halbmarathon, Marathon) sowie aufgeschlüsselt nach Zielzeiten findet man heute einfach per Internetsuche. Leider auch in recht unterschiedlicher Qualität – und diese zu beurteilen, ist für Laien schwer.
Kompetente „Rahmentrainingspläne“ um 10 Euro bieten die Sportordinations-Experten an. Damit fährt man deutlich besser als mit einem x-beliebigen PDF-Plan. Noch besser freilich – aber auch etwas kostenaufwändiger – wäre es, sich anhand der Leistungsdiagnostik und des definierten Ziels einen Trainingsplan von einem Trainingsprofi maßschneidern zu lassen. Das Nonplus-Ultra wäre ein individuelles Coaching, bei dem der Trainer auch auf kurzfristig Unvorhergesehenes reagiert und den Plan ständig anpasst. Für welche Variante man sich entscheidet, muss freilich jeder für sich abwägen.
Die Trainingsinhalte
Wie bei einem Gebäude braucht es auch im Training ein stabiles Fundament: Grundlagenausdauer ist die unverzichtbare Basis, um Leistung darauf aufbauen zu können. Die langen, niedrig intensiven Grundlageneinheiten sind auch der wichtigste Bestandteil, wenn man vom „Lust-und-Laune-Läufer“ zum gezielten Training übergeht, sowie auch in der zwölfwöchigen Wettkampfvorbereitung: Auch da sollen 50 bis 60 Prozent der Ausdauereinheiten im aeroben Fettstoffwechsel ausgeführt werden, so Kollers Rat.
Und gerade diese Grundlage kann und soll man sich nicht nur mit Laufen holen: Skitouren und Langlaufen, Radfahren oder Ergometer-Einheiten im Fitnessstudio oder auch Schwimmeinheiten: alles eine gute Abwechslung, zu der Koller rät. Zwischen unterschiedlichen Sportarten zu variieren, schont auch den Bewegungsapparat und gibt diesem mehr Zeit, eine höhere Belastung durch mehr und längere Trainingseinheiten als bislang gewohnt gut zu verkraften.
Andererseits sind Intervalltrainings und andere intensive Laufeinheiten wichtig, um die Leistungsfähigkeit zu entwickeln. Neben dem Ausdauertraining soll unbedingt noch Zeit für eine bis zwei wöchentliche Krafttrainings bleiben: Diese sind sowohl zur Verletzungsvorbeugung wie zur Leistungsentwicklung von Bedeutung, betonen die Sportordination-Experten. Das Zeitbudget muss damit nicht übermäßig belastet werden: 30, 40 Minuten reichen pro Krafttraining.
Umgang mit Zwangspausen
Ob eine Krankheit oder eine ungeplante intensivere Phase im Job: Falls in der Wettkampfvorbereitung etwas ungeplant dazwischenkommt, muss keineswegs gleich die Flinte ins Korn geworfen werden. Dass alles absolut wie geplant läuft, wird sogar eher die Ausnahme als die Regel sein. „Nie krank ins Training reingehen“, appelliert Robert Fritz, „auch wenn die Nase läuft oder der Hals kratzt, auf den Körper hören.“ Nach einer Zwangspause gilt es, nicht einfach dort in den Trainingsplan einzusteigen, wo man zuvor ausgestiegen ist: Michael Koller rät zu einer „Fade-in-Phase“ von ein bis zwei Wochen, in der noch schaumgebremst trainiert wird.
Gefühl wie bei der Schularbeit
In den letzten beiden Wochen vorm Wettkampf werden Umfänge deutlich reduziert, es geht darum, ausgeruht in den Event zu gehen. Jetzt noch allfällige (vermeintliche) Defizite aufholen zu wollen, ist sogar kontraproduktiv. Ein diffuses Gefühl, zu wenig vorbereitet zu sein, ist übrigens normal, „wie früher vor einer Schularbeit“, sagt Robert Fritz. Der Vorteil als Hobbysportler: Man kann (und soll sogar) seine Wettkampfpremiere locker sehen. „Jede Laufteilnahme ist auch zum Lernen da. Gewisse Fehler muss man einfach selber machen“, weiß der SPORTaktiv Doc. Jetzt gilt nur noch: auf den Startschuss warten, sein eigenes Tempo laufen, Atmosphäre aufsaugen und die Eventpremiere in vollen Zügen genießen.