Was bringt jemanden nach Jahren wieder zurück auf die Skipiste? Unser Art-Direktor, der sich nach 15 Jahren Absenz wieder in Skischuhe zwängen will, geht dieser Frage nach.
Schnee hat eine magische Anziehungskraft auf mich. Als Knirps im Garten meiner Großeltern habe ich ihn sogar leidenschaftlich gerne gegessen. Das konnte ich mir rechtzeitig abgewöhnen, bevor lustige Sprüche über potenzielle Verfärbungen die Runde gemacht haben. An gelbe Gummistiefel wurden mir im tiefsten Winter im oberösterreichischen Hausruckviertel die ersten Latten geschnallt. Eine komplizierte Beziehung zum Skifahren beginnt.
3 oder 4 muss ich da gewesen sein, als ich zum ersten Mal im großelterlichen Vorgarten über den Schnee gerutscht bin. Steigungen von ein paar Grad waren überhaupt kein Problem, die heutzutage unvorstellbaren Schneemassen schon eher. So um den Dreh sind meine Eltern mit meiner Schwester und mir nach Wien übersiedelt, weit weg von Bergen und Skipisten. Mama und Papa, in jungen Jahren selbst ambitionierte Skifahrer, sind kaum jemals mit uns gefahren. Wir wurden auf eine internationale Schule geschickt und auch unsere Urlaubsdestinationen wurden internationaler.
Was die konkreten Gründe betrifft, kann ich nur mutmaßen bzw. brauche ich nur meine eigenen Überlegungen der letzten 15+ Jahre heranziehen. So ein Skiurlaub ist teuer – vor allem wenn ich ihn mir mit der ganzen Familie vorstelle. Hotel, Ausrüstung, Liftpass etc. Und dann vielleicht noch fad? Aufgewogen gegen den Grand Canyon oder Taroko Gorge haben es selbst heimische Skigebiete schwer. Sport an der frischen Luft, gemütlich die Hänge hinunterrutschen, die Natur genießen, an einem Fleck bleiben, das ist nicht meine Welt. Oder soll ich sagen, war nicht meine Welt.
Gäbe es da nicht die Sehnsucht nach frischem Schnee. Als Stadtkind träume ich jedes Jahr von einem weißen Winter. Bing Crosby hat sich mit seiner Beschränkung auf weiße Weihnachten für meinen Geschmack zu sehr zurückgehalten. In Wien gibt es meistens zarte Flankerl, mit etwas Glück bleibt ein sanfter Zuckerguss auf der Straße, bevor er unweigerlich zu grauem Dreck wird. Schon im nahen Umland ändert sich die Szenerie dramatisch, morgendlicher Raureif, Weiß, wohin das Auge blickt, Schneeverwehungen neben der Straße. Ein Idyll, welches in den Bergen nur noch ausgeprägter ist.
Nach den ersten Stehversuchen auf zwei Brettern sollte es bis zum Schulskikurs dauern, bis ich lernte aufrecht Pisten hinunterzukommen. Wobei meine Talente eher auf dem Fußball- oder Basketballfeld oder hinterm PC lagen als auf dem Hang. Während meine Klassenkameraden sich in Obertauern vom Zehnerkar stürzten, hatte ich weiter unter mit den kleineren Hügeln meine Probleme. Spaß gemacht hat es trotzdem, den ganzen Tag draußen, im Lift tratschen, die Aussicht, die wunderschöne Landschaft genießen. Wobei, die letzten beiden Punkte denke ich mir zumindest jetzt dazu, als Kind oder Jugendlicher waren die nicht entscheidend.
Warum habe ich dann überhaupt aufgehört? Nach der Schule, während der Lehre und selbst als junger Grafiker war das Reisebudget überschaubar. Klar wären ein Tag auf Skiern hier, ein Wochenende dort, schon irgendwie drin gewesen. Ich, geprägt von den Urlauben als Kind, wollte aber hinaus in die Welt. Mich hat es nach Argentinien oder Korea gezogen, nicht ins Kleinwalsertal. Eine Woche nur in einem Hotel, nur auf der Piste, fragwürdige Musikauswahl beim Après-Ski, das klang nicht verlockend. Zumal mein Freundeskreis nicht aus begeisterten Skifahrern oder generell Winterurlaubern bestand.
Es ist ein romantischer Gedanke, ein Herbeisehnen eines verloren geglaubten Gefühls...
Erschwerend hinzu kommt das fehlende Selbstvertrauen auf Skiern. Ein paar Bogerl habe ich immer hinbekommen, rechtzeitig und sicher zu bremsen, damit hatte ich so meine Probleme. Bevor ich mich jetzt wieder einen Hang hinuntertraue, sollte ich unbedingt ein paar Unterrichtsstunden nehmen. Etwas lernresistent war ich schon immer, ob das mit dem Alter besser geworden ist, gilt es herauszufinden. Ich würde nicht sagen, dass mir der Klimawandel regelmäßig schlaflose Nächte bereitet. Irgendwann ist auch mir gedämmert, dass jährliche Flugreisen ans andere Ende der Welt meiner CO2-Bilanz kaum zuträglich sind. Nicht zu vergleichen mit einer Zugfahrt in ein heimisches Skigebiet. Umweltbewusste Wiedereinsteiger können mittlerweile Beschneiungsanlagen ja großräumig umschiffen.
Heutzutage, mit Mitte 30, fühle ich mich wesentlich sportlicher und bin interessierter an meiner eigenen Gesundheit. Da scheint die frische Alpenluft, die Ruhe, die verträumte Winterlandschaft wie Balsam für die gestresste Städterseele. Zumindest so die Vorstellung, das Bild in meinem Kopf. Es ist ein romantischer Gedanke, ein Herbeisehnen eines verloren geglaubten Gefühls. Nicht zu vergessen die sportliche Komponente. Ich war früher nicht sonderlich fit, habe die Couch dem Fahrradsattel und Skaterschuhe den Basketballschuhen vorgezogen. Damit einhergegangen sind auch andere Ansprüche an den Urlaub. Faul am Strand liegen konnte ich noch nie, aber statt einem Städtetrip reizt mich jetzt der Abstecher ins Alpine.
Geboren wurde der Gedanke an den Wiedereinstieg ins Skifahren irgendwann im letzten Winter, als Fledermäuse noch ein Monopol auf Corona hatten. Auslöser war weder ein skibegeisterter Partner noch die nicht abzusehenden weltweiten Reiseeinschänkungen. Es war vielmehr der Wunsch nach etwas Neuem, aber doch Vertrautem. Ich kann gar nicht sagen, ob mir das Skifahren überhaupt wieder gefallen wird. Anfang 20 bin ich das letzte Mal auf Skiern gestanden und da hat ein halber Tag auf blauen und roten Pisten einen unspektakulären Eindruck hinterlassen. Eigentlich hätte ich einen Snowboardkurs machen wollen. Die Romantisierung des Skifahrens hat viel später stattgefunden. Dazu mussten die entsprechenden Puzzlestücke erst zusammenkommen: Lust auf Sport im Freien, körperliche Fitness, die entsprechenden finanziellen Mittel und über alledem stehend die Sehnsucht nach dem Schnee. Eine kleine patriotische Komponente möchte ich nicht abstreiten: ein Österreicher, der nicht gscheit Ski fahren kann? Wie ein Hai, der nicht schwimmen kann. Ich freue mich jedenfalls über die modische Entwicklung der letzten dreißig Jahre, ich glaube Gummistiefel werde ich zu meiner Rückkehr auf die Piste nicht anziehen.
Was es braucht, um Kinder wieder auf Ski zu bringen
Wir haben uns bei Ski-Industrie, dem Tourismus und natürlich an der Basis, also bei einer Skischule umgehört.
Skischule. Gottfried Krabath von der Skischule Krabath am Katschberg hat einen ganz klaren Wunsch: „Es müsste verpflichtende Skikurse in Kindergarten und Volksschule geben. Liftkarten sollten bis zum Alter von 15, 16 gratis sein. Dann würden Eltern mit Kindern viel eher Ski fahren gehen.“ Dass Ski fahren ein teurer Sport ist, gilt für Krabath nur bedingt: „Heute kannst du dir alles zu günstigen Preisen ausleihen. Bei uns kostet eine Kinderausrüstung 159 Euro – für die ganze Saison.“ Für Handy und Co. würden Eltern leichter mehr Geld ausgeben als für eine Investition in die körperliche Zukunft ihrer Kinder. „Es braucht auch die kleinen Skilifte am Land, wo man von der Schule direkt hingehen kann oder schnell einmal am Nachmittag fahren kann.“ Wer als Kind Ski fahren gelernt habe, „hört zwar vielleicht zwischendurch einmal auf, aber sehr viele fangen auch wieder an.“ Auch Skikurse in Gymnasium und Mittelschule sind für ihn essenziell. „Die sollten auch wieder verpflichtend sein.“ Finanziell lasse sich dafür auch immer eine Lösung finden. „Das ist eine Investition in die Zukunft. Wenn ich mir anschau, wie manche Kinder heute bewegungstechnisch beinander sind...“
Industrie. Die Verkaufszahlen bei Kinderski gehen leicht, aber stetig zurück. „Aus unserer Sicht braucht es vor allem aktive Eltern, die Interesse am Wintersport haben“, sagt Tobias Biechl von Hersteller Rossignol. „Mit unserer Rennserie Hero Kids bringen wir jährlich rund 1500 Kinder auf den Schnee. Dabei stehen klar der Spaß und das Dabeisein im Mittelpunkt.
Tourismus. Gute Angebote, gute Infrastruktur – das sind für Stefanie Mayr vom TVB St. Johann in Salzburg zwei wesentliche Faktoren. Der wohl größte aber: „Das Wegfallen der Skisportwoche muss definitiv verhindert werden. Genau mit solchen Aktionen kann man es schaffen, junge Leute dem Skisport näherzubringen und das Feuer zu entfachen.“ Mayr verweist auch auf das „Learn2Ski“-Angebot von Ski amadé. Im Rahmen des Angebots können auch Erwachsene in drei Tagen Ski fahren lernen. Wer aktiv am Kurs teilnimmt, es nach drei Tagen aber nicht kann, dem wird das Geld für Skischule, Skipass und Skiverleih rückerstattet.