Mit vielen neuen Antriebslösungen stehen E-Bikes auch 2024 hoch im Kurs. Auf der Eurobike gab es zugleich mehr als nur „E“ zu sehen. 

Lukas Schnitzer
Lukas Schnitzer

Nach der erfolgreichen Premiere im Vorjahr drängte sich die Eurobike mit neuem Standort Frankfurt am Main von 21. bis 25. Juni zum bereits zweiten Mal ins Zentrum der internationalen Fahrradbranche. Am Frankfurter Messegelände präsentierten mehr als 1900 Aussteller aus 62 Ländern „ihre“ Trends und Neuheiten rund um das Thema Fahrrad und Future-Mobility – und wir waren für euch mittendrin.
 

Natürlich mit „Vitamin E“
Das Thema E-Mobility ist inzwischen derart tief in der Fahrradbranche verankert, dass hier von einem „Trend“ zu sprechen wohl ein falsches Signal senden würde. Quer durch alle Segmente, von urban bis hochsportlich, sind E-Bikes mittlerweile gekommen, um nicht wieder zu gehen. Das bestätigt auch ein Rundgang über die diesjährige Messe. Gleich drei große Antriebs-Hersteller nutzten die Messe, um hier ihre neuen Technologien zu präsentieren. Bereits heiß erwartet und beim Bike-Festival in Riva angeteasert, rückte Bosch zur Eurobike endlich mit sämtlichen Infos zum neuen Performance Line SX-Antriebspaket heraus. 

Der Neuzugang bei Bosch versteht sich als Antriebseinheit für Minimal-Assist E-MTBs, E-Gravel und leichte, wendige E-­Urban-Bikes. Optisch fügt sich die SX äußerst schlank in moderne Rahmenformen. Die leichteste Drive-Unit im Bosch- Sortiment bringt knappe 2 Kilogramm auf die Waage und bietet ein Drehmoment von maximal 55 Newtonmeter, der 400 Wh starke Compact-Tube-Akku soll ebenfalls um die 2 Kilogramm wiegen. Natürlich ist die Performance Line SX auch an „Bosch Smart System“ angeschlossen. Hersteller KTM hat rund um den neuen Antriebsstrang ein ganzes Feuerwerk an insgesamt 22  neuen Modellen, von Gravel bis MTB, vorgestellt. Der Clou ist dabei (auch) das Gewicht. KTMs 140 mm Trailbike Macina Scarp SX soll in der Topversion „Exonic“ nur 16,5 kg wiegen! Auch Conway zeigt mit dem Ryvon ST (150 mm) und LT (170 mm), stets als Mullet, leichte Bikes rund um die Performance Line SX. Bei Flyer hält der Antrieb im flotten Urban-Modell Upstreet SL Einzug – um nur einige Hersteller zu nennen.

Einen neuen Motor gibt es auch im Hause Brose, wo man auf der Messe mit dem Drive³ Peak den Nachfolger des erfolgreichen S Mag Motors zeigte. Der Drive³ Peak wechselt dabei von einem 36-V-System auf 48 V. In den Abmessungen kompakter und damit wohl künftig auch eleganter in den Rahmen integrierbar, beim Gewicht aber unverändert bei 2,9 kg angesiedelt, soll das neue Kraftpaket bis zu 95 Nm Drehmoment stemmen und dem Fahrer bis zu 410 % Unterstützung bieten. Rund um die neue 48-V-Architektur wird es auch ins System integrierte Komponenten, das sogenannte „Brose Drive System“ geben. Teil dieses Systems wird ein neuer Akku mit 800 Wh Kapazität sowie eine Bedieneinheit samt ins Oberrohr integriertem Display sein. Kaufbare Räder mit der neuen Antriebseinheit wurden zur Messe noch keine vorgestellt.

Mit Pinion betritt ein neuer „Player“ das Feld der E-Antriebe. Der Hersteller ist als Vorreiter am Sektor der Getriebe-Bikes (einer Fahrradschaltung, die anstelle von Kassette und Schaltwerk auf ein zentrales Getriebe zwischen den beiden Kurbelarmen setzt) bekannt und wagt mit der „Pinion Motor.­Gearbox.Unit“ nun den Vorstoß als Motoren-Anbieter. Bei den Bike-Herstellern dürfte das Konzept gut angekommen sein, denn neben den E-MTBs Simplon Rapcon Pmax Pinion und dem Rotwild R.X 1000 kommt unter anderem auch das neue Crossover Flyer Goroc TR:X sowie Simplons Trekkingrad Kagu Pinion mit der neuen Antriebseinheit. Das System vereint Mittelmotor und Getriebeschaltung zu einer Einheit und ist sowohl in Deutschland entwickelt als auch hergestellt. Es bietet 12 (Pinion E1.12; 4,1 kg) oder 9 (Pinion E1.9; 4,0 kg) Gangstufen mit bis zu 600 % Bandbreite und erlaubt – Getriebe sei Dank – Gangwechsel im Stand. Das System mit Riemenantrieb verspricht weitgehende Wartungsfreiheit, ein Getriebe-Ölwechsel soll nur alle 10.000 km nötig sein. Das Drehmoment wird bei 1:1-Übersetzung mit 85 Nm angegeben. Akku und sonstige Elektronik steuert der Schweizer Partner FIT bei, Akkuvarianten mit 480 bis 960 Wh inklusive 535 Wh Range-Extender sollen möglich sein.

Einen Eurobike-Award im E-Umfeld bekam auch Shimano verliehen. Deren neue Technologie Auto Shift in Kombination mit Free Shift ergibt neuartige Schaltmöglichkeiten für E-Bikes. Auto Shift erkennt dabei anhand von Veränderungen des Geländes und der Fahrbedingungen automatisch, wann welcher Gang eingelegt werden muss. Free Shift bietet dazu die Möglichkeit, die Gänge manuell oder automatisch zu wechseln, ohne in die Pedale treten zu müssen. Die Technologie funktioniert aktuell ausschließlich in Kombination mit der EP801- oder EP6- Antriebseinheit und Shimano XT Di2 Schaltung.
 

Welt der Rennräder & Gravels
Rar machten sich die Neuheiten am Rennrad- und Gravel-Markt. So zeigte etwa Simplon das lange erwartete Update der legendären Modellreihe Pavo. Der Clou: Simplon lässt den neuen Rahmen des Pavo IV in Portugal fertigen. Das klassisch-­vielseitige Rennrad für Feierabendtour, Langstrecke und Radmarathon soll dabei je nach Ausstattung auf bis zu 6,5 kg zu bringen sein. Merida erweitert seine Gravel-Linie um das auf dem Scultura Endurance basierende Race-Gravel Scultura Endurance GR, der für seine im Seitenprofil hauchdünnen Oberrohre bekannte italienische Kleinserienfertiger Titici zeigt mit dem Alta ein neues Aero-Bike im außergewöhnlichen Look. Noch mit wenigen Details, aber dafür in auffälligem Erlkönig-Design geschickt in Szene gesetzt, zeigte Felt, wohin die Reise mit seinen beiden Rennrädern FR und VR 2024 gehen wird. Nähere Details dazu folgen im Laufe des Jahres. Bei BH wird das neue Gravel X trotz raciger Auslegung durch einen „entkoppelten“ Hinterbau für mehr Komfort sorgen. Bergamont zeigt rund um den TQ-Mittelmotor eine neue Version seines E-Gravels E-Grandurance in Carbon und Aluminium und ersetzt damit die alte Fazua-Variante. Auch Rotwild zeigt mit dem R.R275 X ein optisch spektakuläres E-Gravel auf TQ-Basis.
Mit groben Stollen

In der Welt der Mountainbikes zeigt Reifen-Gigant Schwalbe – nebst flächendeckend neuem Markenauftritt in zartem Hellblau und neuem Logo – mit dem Tacky Chan einen neuen Reifen für schwierige Einsätze auf technischen Downhill- und Bikepark-Strecken. Bei den Bikes setzen viele Hersteller auf bewährte Rahmen und frische Farben. Neues gibt es beispielsweise von Liteville, die mit dem Trailbike 301CL MK1 (130/150 mm; 12,1 kg) jetzt auch in Carbon bauen. Und auch BH zeigt mit dem Lynx Race ein neues Carbon-Fully, hier aber mit auf 120 mm Federweg optimierter Geometrie als echter Racer ausgelegt. Deutlich mehr Federweg bietet Rocky Mountains neuer Freerider Slayer.