Ed Salisbury, Will Tucker und Jon Moy sind – unterstützt vom britischen Sporttextilienhersteller Montane – dabei, als Erste die Seven Summits auf Skiern zu schaffen. Aufgrund des Klimawandels sind sie möglicherweise auch die Letzten, denen das gelingt.
Die höchsten Gipfel auf allen sieben Kontinenten, die Seven Summits, haben schon einige bestiegen – auf Tourenskiern aber noch nicht. Will Tucker, Ed Salisbury und Jon Moy sind dabei, das zu bewerkstelligen, müssen sich aber beeilen: Durch den Klimawandel schmilzt den drei Briten das Gletschereis buchstäblich unter den Skiern weg.
„The Last Ride“ nennen sie ihr Projekt und es soll nicht Selbstzweck sein, sondern im Gegenteil: Es will die Botschaft von der Dramatik der weltweiten Gletscherschmelze und des Klimawandels bewusst machen, aber auch Alternativen und mögliche Lösungswege aufzeigen. Den Elbrus (5642 m) in Russland (noch vor der russischen Invasion in die Ukraine), den Kilimanjaro (5895 m) in Tansania und den Denali (6190 m) in Alaska haben die drei bereits hinter sich – und dabei in den jeweiligen Ländern Menschen getroffen – Expertinnen und Experten interviewt, die mit dem Klimawandel und mit dessen Auswirkungen in den Regionen bestens vertraut sind, aber auch direkt von den Folgen Betroffene in den Regionen. Der Puncak Jaya (4848 m) in Indonesien als höchster Berg Ozeaniens stünde als Nächstes auf dem Programm, doch derzeit stockt das Unterfangen: Die Insel West-Papua soll sich in einem Zustand ziviler Unhruhen befinden, erzählt Will Tucker, die indonesische Regierung erteile zurzeit keine Genehmigungen. Neben dem Kilimanjaro ist der Puncak Jaya gleichzeitig am kritischsten, nur noch wenige Jahre, dann wird das Eis dort verschwunden sein. Schon heute hätten es Nachahmer der drei schwer: „Es ist sehr wahrscheinlich, dass zwei Lines, die wir am Kilimanjaro noch gefahren sind, heute nicht mehr auf Skiern befahrbar sind.“
Von Bergen und Menschen
Die Besteigung der bisherigen drei Berge war durchaus herausfordernd, sowohl körperlich als auch technisch, erklärt Tucker. Am Elbrus war der Plan, vom Basislager auf 3850 m Höhe aus die 1800 Höhenmeter bis zum Gipfel am Stück zurückzulegen. Jon Moy musste dabei höhenkrank vorzeitig umkehren, während Will Tucker und Ed Salisbury am 7. Oktober 2021 auf dem Gipfel standen. Am Kilimanjaro musste das gesamte Team mit einer Magen-Darm-Erkrankung kämpfen, und der Denali erwies sich als bislang schwierigste Challenge – „6190 m sind kein Spaziergang und das Gewicht der Ausrüstung, die man benötigt, um die 12 bis 21 Tage durchzuhalten, die eine Akklimatisierung für gewöhnlich braucht, zusätzlich zu Kamera- und Skiausrüstung war extrem hoch“, erzählt Tucker. „Es war eines der schwierigsten und abwechslunsgreichsten Skiabenteuer meines Lebens.“
Doch weniger die sportliche Herausforderung, vielmehr die Natur und die Begegnungen mit unterschiedlichen Menschen sind es, die die Briten antreiben: „Wir wollen unsere Leidenschaft für Sport nutzen, um über die Welt und die Natur zu lernen und möglicherweise in Erfahrung zu bringen, wie wir all das noch schützen können.“ Die Recherche und die Treffen mit Wissenschaftern und Betroffenen des Klimawandels gehen bei den Reisen mit den Expeditionen Hand in Hand. „Wir konnten so bereits aus erster Hand erfahren und sehen, was mit dem Spielplatz passieren wird, den wir selbstsüchtig für uns beanspruchen.“
In Russland traf und interviewte das Team unter anderem die Glaziologin und Nobelpreisträgerin Olga Solomina. Die vielleicht eindrucksvollste Begegnung bislang war – abgesehen vom Anblick des Denali beim Anstieg über den Kahiltna-Gletscher – das Treffen mit Sarah Scott vom „Kilimanjaro-Projekt“, resümiert Tucker. „Das Kilimanjaro-Projekt zielt darauf ab, die lokale Bevölkerung bei der Wiederaufforstung der Region mit einheimischen Bäumen zu unterstützen.“ Es bestehe Hoffnung, dass die massive Entwaldung und weitere Fehler der Vergangenheit, die für die Dürre der Region verantwortlich seien, rückgängig gemacht werden könnten. „Es kann sogar sein, dass es wieder eine Regenzeit und Schnee auf den Berg bringt. Sarah verändert die Welt mit einer brillianten Idee und harter Arbeit – das ist schlicht beeindruckend“, erzählt er.
Kollektives Bewusstsein
Dass der Klimawandel voranschreitet, ist freilich unübersehbar – und dass auch ihr Projekt einen gewissen Fußabdruck hat (den die drei bei jedem Berg in siebenfacher Höhe zu kompensieren planen), ist ihnen bewusst. Sollte der Puncak Jaya auf absehbare Zeit nicht zu besteigen sein, dann stehen der Aconcagua (6961 m) in Argentinien und der Mount Vinson (4897 m) in der Antarktis als Nächstes auf dem Plan, der Mount Everest (8848 m) war ursprünglich als Finale für 2024 vorgesehen. Doch wie der Weg auch verlaufen wird: „Unser Sport lässt uns den Gletschern nahe stehen, aus dieser Verbindung entsteht der Drang uns um sie zu kümmern“, sagt Will Tucker, „deshalb glauben wir, dass alle hinausgehen sollten um ihre Leidenschaft auch zu leben: Skifahren, Wandern, Schwimmen, was auch immer. Du verbindest dich auf natürliche Art mit der Welt und strebst danach, sie zu bewahren.“
Auch dafür will „The Last Ride Project“ Menschen inspirieren. Der Wunsch für den weiteren Verlauf? „Dass wir weiterhin Probleme aufzeigen, die die Natur bedrohen, und dass wir vielleicht Menschen inspirieren, die Lösungen finden und sich dafür entscheiden, so zu leben, dass wiederum auch andere davon angestachelt werden“, meint Tucker. „Kollektives Bewusstsein ist eine mächtige Sache. Wenn sich genügend Menschen der Bewegung anschließen, um uns vor unserem selbst verschuldeten Ökozid zu retten, dann wird es geschehen.“