Vom Trinken: Warum man sich selbst, um das richtige Maß an Flüssigkeit zu treffen, möglichst als Individuum begreifen soll. Und was die Waage mit richtigem Trinken zu tun hat. „SPORTaktiv-Doc“ Robert Fritz gibt Auskunft. 

Christof Domenig
Christof Domenig

Zwei bis drei Liter im Büro-Alltag? Beim Wettkampf bei jeder Labestation einen Becher leeren? Unser SPORT­aktiv-Doc, der Sport- und Ernährungsmediziner Robert Fritz, ist kein großer Freund solcher pauschaler Trink-Empfehlungen, wie sie sowieso vielfach im Netz kursieren. Ein „One-Size-Fits-All“-Trinkkonzept gibt es nämlich genauso wenig, wie es ein Training gibt, das alle zu Siegertypen macht.

Doch zum Einstieg die Grundsatz-Frage: Warum ist ein ausgeglichener Flüssigkeitshaushalt so wichtig? Aus mehreren Gründen, so Fritz. „Etwa, weil viele Transportaufgaben im Körper übers Blut laufen und somit abhängig vom korrekten Hydrierungszustand sind. Mineralstoffe können etwa nur dorthin gebracht werden, wo sie benötigt werden, und Kohlenhydrate nur gut in den Muskel eingelagert werden, wenn wir genügend getrunken haben.“ Weil um die Bedeutung des Trinkens viele mittlerweile Bescheid wissen – der Wasserkrug auf dem Bürotisch wurde richtigerweise lange Zeit gepredigt – kommt es heute auch vor, dass manche übers Ziel hinausschießen. „Ich habe Leute in der Ordination, die sagen, ich trinken genug, meine fünf bis sechs Liter am Tag. Da muss man sich fragen, ob das nicht zu viel ist.“ Nebenbemerkung: „Ein extrem hoher Flüssigkeitsbedarf kann auch ein erster Hinweis für Diabetes sein“.
 

Auf der anderen Seite gibt es natürlich jene – Robert Fritz zählt sich selbst dazu –, die gerade in einem stressigen Alltag gern aufs Trinken vergessen. Unter anderem auch, weil Stress das Durstgefühl unterdrückt. Wie findet man heraus, zu welcher Gruppe man gehört, und ob die Trinkmenge im Alltag passt? Ein Indikator ist die Harnfarbe und -konsistenz: „Ist der Harn trüb und gelb oder gar dunkelgelb, wird es Zeit zu trinken. Ist er hellgelb oder fast durchsichtig, passt es.“ Statt Pauschalempfehlungen zu folgen heißt es also lieber: sich selbst beobachten, ausprobieren.

Interessanterweise ähneln sich die Symptome einer zu geringen und zu hohen Trinkmenge im Alltag: Kopfschmerzen, Müdigkeitsgefühle sind typische Anzeichen. „Ist zu wenig Flüssigkeit im Körper, ist das Blut zu dick und das Herzschlagvolumen ist nicht so, wie es sein soll. Das Herz muss das zu geringe Volumen ausgleichen, indem die Herzfrequenz erhöht wird“,  erklärt der SPORTaktiv-Doc weiter. Was auch zum Sport überleitet – da divergiert der Bedarf nämlich noch viel mehr und ist von etlichen Faktoren abhängig wie den Außentemperaturen oder dem persönlichen Schwitzverhalten. Kein Wunder, dass die kursierenden Empfehlungen auch der Wissenschaft extrem auseinandergehen, von 0,3 Litern bis (im Extremfall) 2,5 Liter pro Stunde reichen.

Ein 70-Kilo-Norm-Mensch soll 350 bis 700 ml vor intensivem Sport trinken – das ist eine ganz schön große Bandbreite.

Die Wahrheit der Waage
Seinen eigenen individuellen Bedarf im Sport kennenzulernen, ist deshalb sinnvoll. Das funktioniert, indem man sich vor und nach einer einstündigen Sport­einheit jeweils auf die Waage stellt. Die Differenz in Kilo ist der Flüssigkeitsverlust in Litern. Also ganz simpel eigentlich. Man soll es aber nicht bei einmaliger Messung belassen, sondern sie bei unterschiedlichen Bedingungen und diversen sportlichen Intensitäten durchführen – und damit allmählich ein Gefühl für den eigenen Bedarf entwickeln. Eine Regel, die man sich merken soll: Das 1,5-Fache des verlorenen Körpergewichts soll nach dem Sport ersetzt werden. Sprich: Wer einen Liter rausschwitzt, trinkt 1,5 Liter – nicht auf einen Sitz, aber peu à peu auf die nächste Stunde verteilt.

Eine Frage, die immer wieder auftaucht: Schwitzen unfitte oder fitte Menschen mehr? Für beide Meinungen gibt es gute Gründe: Fittere Menschen haben grundsätzlich einen geringeren Energieverbrauch bei gleicher Belastung als weniger fitte – es leuchtet ein, dass der Marathonläufer im Treppenhaus nicht so schnell außer Atem (und ins Transpirieren) kommt wie ein gänzlich Untrainierter. Umgekehrt stimmt aber auch, dass mit steigendem Fitnesslevel die Schweißdrüßen früher zu regulieren lernen ... Wieder lautet also der Ratschlag: „Es ist individuell und man soll sich als Individuum wahrnehmen. Bin ich jemand, der viel schwitzt? Dann sollte ich darauf reagieren und mehr trinken. Schwitze ich weniger, muss ich mir eine Spur weniger Gedanken um das Thema machen.“

„Gedanken machen übers Trinken“ – das sollte man, wenn es in größere Höhen geht. Der geringere Luftdruck und die trockenere Luft mit steigender Seehöhe sorgen für einen höheren Flüssigkeitsverlust und damit Trink-Mehrbedarf. Wer in den Bergen wandert oder auch hoch droben auf einer Hütte übernachtet, soll daher mehr Flüssigkeit einkalkulieren als im Tal.

Wird eine Sporteinheit intensiv, steht gar ein Wettkampf an, dann ist es gut, schon vorher etwas mehr zu trinken. „5 bis 10 ml pro Kilo Körpergewicht werden in der Fachliteratur dafür genannt. Bei 70 Kilo Körpergewicht sind das 350 bis 700 ml und auch daran sieht man: Das ist eine ganz schön große Bandbreite“, rät der Mediziner wiederum zum persönlichen Austesten. Heißt: Mit 350 Milliliter beginnen, die man in den 2 bis 4 Stunden vorm Sport übers übliche Maß hinaus zuführt – und dies dann langsam steigern. Führt die vorausgetrunkene Menge nämlich nur dazu, dass gleich ein Besuch am Dixi-Klo ansteht, dann ist das nicht nur in einem Wettkampf lästig, der Vorteil durchs Voraustrinken ist auch sofort wieder weg.

Trinken beim Sport? Beschränkt sich die Belastungsdauer auf 40 bis 60 Minuten, dann braucht es währenddessen keine Flüssigkeitszufuhr, unabhängig von der Intensität. Bei längerer Belastungsdauer sollte unterwegs jedoch nachgefüllt werden, den persönlichen Bedarf und die äußeren Umstände in Betracht ziehend. Bei lockerer Belastung reicht Wasser, bei intensiveren Einheiten sind Sportgetränke, die zusätzlich Energie und Mineralstoffe liefern, erste Wahl. An den Mineralstoffen ist vor allem Natrium relevant. Ein paar „Keep-it-Simple“-Beispiele: „Ist es körperlich anstrengend, und das ist es schon auf einer intensiven Wanderung, soll man darauf achten, auch Energie zuzuführen. Also zum Sportgetränk greifen. Hast du ein-, zweimal pro Woche ein intensives Tennistraining, macht das Sportgetränk ebenfalls Sinn, denn die Kohlenhydrate sorgen für eine bessere Konzentrations- und Reaktionsfähigkeit und damit ein besseres Spiel. Du wirst aber auch ein geringeres Verletzungsrisiko haben. Machst du dagegen dreimal pro Woche lockeren Sport, reicht in diesem sportlichen Alltag Wasser aus.“

Das Fazit
„Es gibt beim Trinken nicht die einzige Wahrheit“, zieht der SPORTaktiv-Doc diesmal seine Bilanz, „außer dass Flüssigkeit wichtig ist. Ein paar Gedanken zahlen sich aber aus. Alle, denen es bei dem Thema gut geht, bitte so weitermachen. Bin ich jemand, der es oft nicht schafft, ausreichend zu trinken, habe ich abends Kopfweh und bin müde, obwohl der Tag gar nicht so anstrengend war – dann sollte ich überlegen, ob es am Hydrierungszustand liegt.“ Er habe schon Patienten gehabt, die nach zwei Wochen bewusstem Trinken plötzlich keine Beschwerden mehr hatten: „Mit Wasser geheilt, das ist fast wie Handauflegen.“ 

Dr. Robert Fritz
Dr. Robert Fritz

Der Sport- und Ernährungsmediziner ist einer der Gründer und medizinischer Leiter einer Unit der „Sportordination“ in Wien und einer der bekanntesten Sportärzte in Österreich. Als „SPORTaktiv-Doc“ beleuchtet er kompetent in jeder Ausgabe ein Sport- oder Ernährungsthema.


Web: www.sportordination.com