Hier schreiben die Athleten: Tennis-Aufsteiger Dennis Novak über die Magie der Top 100, Fehler der Vergangenheit, das Leben im Schatten seines besten Freundes Dominic Thiem. Und wie ihn Snowboard-Queen Julia Dujmovits in Corona-Zeiten fit machte.
Anfang 2020 ist mir etwas gelungen, auf das ich jahrelang hingearbeitet habe und wovon jeder träumt, der professionell Tennis spielt: Der Einzug in die Top 100 der Weltrangliste! Ich war lange knapp dran, immer haben ein oder zwei Ergebnisse gefehlt. Dementsprechend groß war der Stein, der mir bei den Australian Open im Jänner vom Herzen fiel. Da geht es nicht nur darum, dass man als Top-100-Spieler bei den großen Turnieren dabei ist, bei jedem Grand Slam im Hauptbewerb steht. Es geht ums Prestige, ums Standing. Und darum, dass ich nicht mehr zu hören bekomme, dass ich vom Potenzial her ein Top-100-Spieler bin, der es aber aus welchen Gründen auch immer nicht schafft. Jetzt gilt: endlich angekommen! Dass es bei mir etwas länger gedauert hat, hat verschiedene Gründe. Oft habe ich den härteren Weg gewählt und lieber topbesetzte Turniere in Europa gespielt, als vermeintlich leichtere Punkte in Asien oder Südamerika zu sammeln. Heute profitiere ich von dieser Erfahrung, weil ich gelernt habe, mich in diesen Feldern zu behaupten. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass ich in meinen jungen Jahren bestimmt nicht alles richtig gemacht habe. Das Aufwärmen spielte da schon mal nur die zweite Geige, die Regeneration habe ich auch nicht immer so ernst genommen, wie ich es hätte tun sollen. Kurzum: Es hat etwas gedauert, bis ich die professionelle Einstellung, alles, wirklich alles, dem Profisport unterzuordnen, verinnerlicht habe.
Faktor Trainerteam
Auf dem Weg dorthin hat mir ein Trainerteam geholfen, mit dem ich heute superhappy bin. Zu dem gehören Wolfgang Thiem, der Vater von Dominic, Gebhard Gritsch, der als Fitnesstrainer bis vor einem Jahr Novak Djokovic betreut hat, und seit vergangenem Sommer auch Julian Knowle. Er schaut bei Turnieren drauf, dass ich vor und nach den Spielen nichts schleifen lasse, zum Physio gehe, meine Übungen mache. Es ist viel leichter, wenn man jemanden dabei hat, der so viel Erfahrung auf der Tour gesammelt hat wie Julian. Der weiß, wie man mit kleineren Verletzungen umgeht und größeren vorbeugen kann. Nun gab es wohl niemanden auf der Welt, dem der Corona-Lockdown gelegen kam, rein sportlich hat er mir natürlich mächtig in die Suppe gespuckt. Top 100, ich war gut drauf, hab auch beim Davis Cup geliefert. Da war es schon bitter, dass gerade in dieser Phase die Tenniswelt zum Stehen kam. Andererseits habe ich sofort versucht, das Positive daraus zu ziehen und an ein paar wichtigen Schrauben zu drehen. Am Platz hieß das: Ich habe viel an meiner Vorhand, meinem Aufschlag, meiner Beinarbeit gefeilt. Mit Gebhard Gritsch habe ich an meiner Fitness gearbeitet. Und: Ich habe Yoga für mich entdeckt, um meine Beweglichkeit zu verbessern und mehr körperliche Stabilität zu bekommen. Durch einen Zufall habe ich kürzlich auf Instagram Julia Dujmovits kennengelernt, die als Snowboard-Olympiasiegerin natürlich genau weiß, was der Körper eines Profisportlers braucht. Da sie jetzt als Yoga-Lehrerin arbeitet, haben wir gleich eine fruchtbare Zusammenarbeit begonnen. Zwei-, dreimal pro Woche trainieren wir gemeinsam, entweder ist sie in Wien oder wir machen es online. Ich hätte vorher nicht gedacht, dass ich davon so stark profitieren würde, aber es hilft mir ungemein. Das kann ich jedem Sportler nur empfehlen. Zumal ich merke, dass ich auch mental viel davon habe, dabei sehr gut entspannen kann.
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass ich in meinen jungen Jahren bestimmt nicht alles richtig gemacht habe.
Komplette Bodenhaftung
Oft werde ich gefragt, wie es ist, als Nummer 2 in Österreich im Schatten eines Superstars wie Dominic Thiem zu leben. Ich kann versichern: Mir macht das überhaupt nichts aus, im Gegenteil, es ist mir sogar lieber. So kann ich oft in Ruhe meine Arbeit machen und mich nach vorne spielen, weil sich der Fokus der Öffentlichkeit meist auf ihn richtet. Er hat sich diese Aufmerksamkeit absolut verdient, durch ihn erfährt Tennis in Österreich einen Boom, von dem alle profitieren. Und der hoffentlich noch viele Jahre anhält. Ich kenne Dominic, seit wir beide zwölf Jahre alt waren, seitdem sind wir die besten Freunde. Daran hat sich auch nichts geändert, als er sportlich diesen rasanten Aufstieg hinlegte. Wir schreiben und telefonieren täglich, wenn wir uns sehen, ist es genauso wie vor zehn Jahren. Sind wir daheim, käme niemand auf die Idee, dass er die Nummer 3 der Welt ist. Er ist komplett am Boden geblieben, genau der gleiche Mensch wie damals. Manchmal denke ich an die Zeit zurück, als er, Wolfgang und ich uns bei Turnieren ein Zimmer geteilt haben, weil wir uns kein zweites leisten konnten. Harte, aber auch sehr schöne Zeiten, die keiner von uns missen möchte. Nur beim Fußball sind wir uns nicht einig. Er ist Chelsea-Fan, mein Herz gehört, hinter meinem Lieblingsklub Rapid natürlich, dem FC Liverpool. In dieser Hinsicht hatte ich dieses Jahr eindeutig die Nase vorn. Seit Jahren liefern wir uns mit diesen Klubs auch auf der Play Station beinharte Duelle, auch wenn die Matches nicht immer seriös ablaufen ...
Mit Dominic Thiem (Mitte, hier am Bondi Beach in Australien) verbindet Novak (2.v.l.) eine langjährige Freundschaft. Ebenfalls dabei: Sebastian Ofner, Jürgen Melzer und Oliver Marach.
Ich hätte vorher nicht gedacht, dass ich davon so stark profitieren würde, aber Yoga hilft mir ungemein.
Ziel: Top 50
Jetzt freue ich mich jedenfalls, dass Mitte August die Saison endlich weitergeht. Natürlich war es nett, dass wir in der Corona-Zeit ein paar Turniere wie die Austrian Pro Series spielen konnten, bei denen es um etwas Preisgeld und Prestige ging. Aber es ist für mich überhaupt kein Vergleich zu einem ATP-Turnier, bei dem es um wichtige Weltranglistenpunkte geht. Ein riesiger Unterschied. Wenn alles gut geht ist der Plan, im August nach Amerika zu fliegen und dort Cincinnati und die US Open zu spielen. Dann kommen Kitzbühel, Madrid, Rom und Paris. Dabei ist mein Ziel, das Jahr, das so gut anfing, auch in den Top 100 zu beenden. Was nicht heißt, dass ich als aktuell 85. zufrieden bin, wenn ich im Dezember auf Position 99 stehe. Es soll schließlich immer nach oben gehen und die Top 50 wären ja ein schönes neues Ziel für die kommenden Monate. Aber niemand weiß, wie lange es dauert, bis man den Rhythmus wiederfindet und an die alte Form anschließt. Aber das geht ja jedem so. Ich fühle mich jedenfalls gut vorbereitet.