Erstmals in ihrer 33-jährigen Geschichte wurde die größte Eisstadt des Planeten zur Spielwiese für einen der weltbesten Freerunner. Jason Paul reiste Mitte Januar in den hohen Norden Chinas, um seinen Sport völlig neu zu interpretieren. Der 23-jährige Frankfurter brachte faszinierende Bilder mit: Freerunning auf Eis – Freezerunning!


Während der Wintermonate fallen die Temperaturen in der chinesischen Millionenstadt Harbin konstant auf unter minus 25 Grad. Statt sich von der Kälte lahmlegen zu lassen, zelebriert die Hauptstadt der Provinz Heilongjiang die Eiseskälte: Seit 1985 feiert Harbin jährlich das „International Ice & Snow Sculpture Festival".

Harbins märchenhafte Eiswelt umfasst ein Areal so groß wie zwölf Fußballfelder. Kaum fallen Ende November die Temperaturen in den Keller, beginnen 10.000 Arbeiter und Eisskulpturenkünstler, aus Eisblöcken gigantische Türme, beeindruckende Paläste, riesige Brücken und bis zu 50 Meter hohe Kathedralen zu errichten. Ihre Eisziegel gewinnen sie aus dem zugefrorenen Songhua-Fluss, der die zwei Flugstunden nördlich von Peking gelegene Stadt in eine Nord- und eine Südhälfte teilt.

Video: Jason Paul – Freezerunning

AUF EISIGEM TERRAIN
„Im Internet hatte ich faszinierende Bilder aus Harbin gesehen. Was für ein epischer Playground für Freerunner! Ich war überwältigt, als ich nach monatelanger Vorbereitung bei minus 30 Grad erstmals die Eisstadt betrat", beschreibt Jason Paul seine Ankunft in Harbin. Auf ungewohnt eisigem Terrain musste er sich bei frostigen Temperaturen diversen Herausforderungen stellen. Kann Freerunning auf spiegelglattem Untergrund bei minus 30 Grad überhaupt funktionieren?

Laut Jason Paul auf jeden Fall – aber anders als üblich. Die extrem niedrigen Temperaturen erforderten zunächst ein intensives Aufwärmtraining. Bei jedem Freerun über die Gebäude der Eisstadt waren höchste Konzentration und Präzision geboten. Jeder Trick musste perfekt sitzen. Das betonharte, rutschige Eis ließ keinen Spielraum für Fehler – schließlich konnte Paul sich nicht festhalten, wenn bei einem Trick etwas schiefging.

MUTIGE RUTSCHPARTIEN
Aber als einer der besten Freerunner weltweit wollte Jason Paul mehr als nur seine bewährten Manöver umsetzen. „Es war nicht mein Anspruch, die Eisstadt bloß als spektakulären Hintergrund für tolle Bilder zu verstehen. Die Idee war, Freerunning auf ein neues Level zu heben. Ich wollte Tricks und Choreografien zeigen, die nur auf Eis möglich sind."

Dazu war nach einem ersten Location-Check gezieltes Training nötig. Bei manchen Runs und Sprüngen setzte Jason Paul spezielle Ausrüstung wie Schuhspikes ein. Es gab aber auch Tricks, die als mutige Rutschpartien nur ohne Spikes funktionierten. „Der einmalige Mix aus den einzelnen Elementen und dem Medium Eis hat mich gepusht", schwärmt Jason Paul. „In der Eisstadt konnte ich neue Bewegungen und Moves aus mir herauskitzeln, die andernorts nicht möglich wären. So gesehen habe ich in Harbin eine neue Seite meines Sports erlebt. Meine beste Kombination war sicher der Flip hoch auf eine Schräge, rein in den Slide, gefolgt von einem Salto mit Schraube von der Kante. Ohne Spikes war das eine echte Challenge!"

Mit Frühlingsbeginn im März schmelzen die Gebäude der Eisstadt. Jason Paul fasziniert die Vergänglichkeit der gefrorenen Metropole. Der Freerunner schließt eine Rückkehr nach Harbin daher nicht aus: „Jahr für Jahr wird hier eine einzigartige Stadt aus Eis gebaut. Für mich als Sportler ergibt das jeden Winter einen neuen, coolen Playground. Ich würde gerne wiederkommen."


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