Wer rastet, rostet. Martin Dolezal bildet nicht nur Skilehrer aus und ist selbst auf allen fünf Kontinenten Ski gefahren – er ist auch Netzwerker, Quer- und Vordenker. Der Wiener lebt ein Leben auf, mit und für die zwei Bretter.
Gäbe es eine eigene biologische, humangenetische Klassifizierung für Martin Dolezal, so müsste man ihn als homo nivalis bezeichnen, als Schnee-Mann. Die weißen Kristalle spielen im Leben des Wieners nämlich eine gewaltige Rolle. Trotzdem ist der 58-Jährige nicht so leicht zu kategorisieren. Als auch in Wien noch Winter für Winter ordentlich Schnee gefallen ist, hat der kleine Martin mit dem Skifahren begonnen. Aber nicht in Kitzbühel, Saalbach oder am Arlberg. Sondern auf einer Wiese im 21. Wiener Gemeindebezirk, dort, wo er aufgewachsen ist, dort, wo er heute noch lebt. „Auf einem Hügel mit vielleicht eineinhalb Metern Gefälle“, erinnert er sich. Intensiviert hat sich der Kontakt mit dem Schnee dann in Steinhaus am Semmering, wohin die Dolezals immer auf Urlaub gefahren sind. Bald wurde daraus ein Wochenendhaus und Dolezal stand jede freie Minute auf Ski. „Bei einem kleinen Schlepplift haben wir Buben eineinhalb Stunden die Bügel für die Gäste runtergefangen. Dafür haben wir gratis fahren dürfen.“
Es folgten Sportstudium und die Skilehrerausbildung in der Steiermark. „Das war was, dass der Wiener dort der Beste war“, lacht Dolezal heute. Ski gefahren wurde derweil auch schon im Sommer. Aber nicht auf dem Gletscher, sondern in Steinhaus. Dort hatte sich eine Grasski-Szene gebildet. „Dort war ich richtig gut und hab es sogar bis in die Nationalmannschaft geschafft“, sagt Dolezal nicht ohne Stolz. Grasski ist aber auch eine Chiffre dafür, dass Dolezal keiner ist, der den geraden Weg geht. Denn diesen Exotensport betreibt nicht jeder. Die Wege, die Dolezal beschreitet auch nicht. Im Gegenteil. Ihn reizt seit jeher das, was noch keiner gemacht hat. Das kurz geschnittene Haar mag ergraut sein, der Geist ist es nicht. Seine Augen blitzen, wenn er davon erzählt, wie er das erste Mal in Holland in einer Skihalle gewesen ist, wie er sich dann ein paar Jahre später darum bemüht hat, in Dubai Skilehrer in der dortigen Halle auszubilden. „Darum hab ich mich mit einem Zweiten beworben. Antwort haben wir lange keine bekommen. Als ich dann angerufen hab, haben sie gesagt: Passt, kannst du machen, nächste Woche geht’s los.“
Woher der offene, wache Geist kommt, kann er nicht erklären. Was er weiß: „Ich bin auf die richtigen Leute getroffen, die mich unterstützt haben und die auch offen dafür waren, Dinge anders zu machen.“ Das war beim Verband der Wiener Skilehrer so, das war beim heimischen Skibindungshersteller Tyrolia so. Für die Firma hat er sein Studium abgebrochen und ist ins Marketing gewechselt. „Die kannten mich vom Grasski und haben gewusst, der kennt sich aus.“ Dolezal war dabei als Tyrolia Schuhe und Ski auf den Markt gebracht hat. „Dabei haben mir die Erfahrung und das Standing als Skilehrer schon genützt.“ Auch für die Geräte zur Einstellung der Bindung war er mitverantwortlich. Nur die Z-Zahl hat er nicht erfunden. „Ich war eher der Botschafter des Z“, sagt er und lacht. Aus dem Verband der Wiener Skilehrer hat er die „Snowsports Academy“ gemacht, die heute Skilehrer aus Österreich und aller Herren Länder ausbildet.
Ungarn, Holland, Korea, Ägypten, Iran und, und, und. Eigentlich könnte er sich zurücklehnen und es ein bisschen ruhiger angehen lassen. Mehr Golf spielen zum Beispiel. „Ein herrlicher Ausgleich zum Alltag. Du konzentrierst dich nur auf Golf. Beim Schlag und auf der Runde. Das kann kein anderer Sport.“ Aber rasten ist seine Sache nicht. Auf einer zweiwöchigen Mittelmeerkreuzfahrt läuft er schon vor dem Frühstück an Deck oder mobilisiert im Fitnessstudio seinen Körper. Landgänge absolviert er mit seiner Lebensgefährtin Alexandra im Laufschritt. „In der Früh, wenn alle noch schlafen. Herrlich.“ Auch beruflich bleibt er neugierig. So war er am Eröffnungstag einer der Ersten, die auf der Müllverbrennungsanlage in Kopenhagen auf dem grünen Teppich Ski gefahren sind. Logisch, dass er Anfang Dezember auch dabei war, als in New York die erste Skihalle der USA eingeweiht wurde. Jemand wie er macht sich natürlich Gedanken über die Zukunft des Wintersports. „Bei uns wird sich nur die Gästestruktur verändern, die Zahl aber gleichbleiben“, prophezeit er. Die Zahl der Ski fahrenden Österreicher wird dagegen zurückgehen. „Aus Bequemlichkeit und weil es heutzutage viel mehr Möglichkeiten gibt.“ Spielt nicht auch der Preis eine Rolle? „Nein“, winkt Dolezal ab, „der fungiert nur als Ausrede. Man muss ja nicht immer die allerneueste Ausrüstung haben und auf der Hütte essen. Wir haben immer Jause mitgehabt und Tee in der Thermoskanne.“
Ich bin immer auf die richtigen Leute gestoßen, die offen dafür waren, Dinge anders zu machen.
Ansteckende Euphorie
100 Tage im Jahr hat er auch heute noch Skischuhe an. „Das ist nicht immer ein echter Skitag. Oft bin ich nur als Prüfer am Berg.“ Die Faszination ist aber geblieben. „Die Bewegung in der Natur, die frische Luft, die Geschwindigkeit, die Kommunikation, das macht Skifahren aus.“ Am Lift könne man schließlich mit Gleichgesinnten ins Gespräch kommen. Geteilte Freud ist schließlich doppelte Freud. Den Klimawandel will er aber nicht wegdiskutieren. „Da braucht es schon Lösungen“, sagt er. Eine Folge der Erwärmung: Seinen Skilift an der Hohen-Wand-Wiese in Wien, den er unter dem Namen „High Hills“ betrieben hat, musste er zusperren. „In einer Seehöhe von 250–300 Metern ist das einfach zu unsicher. „Andererseits gibt es Skigebiete, in denen es dank der Bewirtschaftung und Begrünung im Sommer jetzt wieder eine große Artenvielfalt an Insekten gibt, Zell am See Kaprun hat damit sogar einen Preis gewonnen.“ Dolezal ist kein Träumer, der sich seine Wahrheit zurechtbiegt, bis sie ihm wirtschaftlich in den Kram passt. Er ist aber ein Positivdenker. Seine Euphorie ist ansteckend, die Begeisterung, mit der er vom Skifahren spricht. Als großen Motivator bezeichnen ihn die, die ihn als Skilehrer erlebt haben. Und wie bezeichnet er sich selbst? Skilehrer? Netzwerker? Unternehmer? „Weder noch. Ich sag immer ich arbeite an der Verbreitung des Schneesports.“