Der Tiroler Sportwissenschafter und Outdoor-Enthusiast Christoph Ebenbichler hat nach der Erfahrung einer schweren Verletzung ein Buch über Krisenbewältigung verfasst.
Früher war er Leistungssportler, dann ambitionierter Outdoorsportler, der etwa auf Tourenski schwierige Abfahrten „sammelte“ und abhakte. Nun lag Christoph Ebenbichler nach einer Unachtsamkeit auf einer Abfahrt mit völlig zertrümmertem Bein im Krankenhaus. Zehn Tage lang herrschte damals im März 2021 Ungewissheit, ob das Bein abgenommen werden muss. Es war Coronazeit, Besuche kaum möglich, viel Zeit für sich und für quälende Gedankenkreise. Das Bein konnte gerettet werden, in einen Skischuh würde er jedoch nie mehr hineinsteigen können, hieß es dann. 2024, fast genau 1000 Tage später, ging er doch wieder auf Skitour. Doch er möchte seine Erfahrung nicht als „Comebackgeschichte“ verstanden wissen. Er nahm sie vielmehr zum Anlass, sich mit Strategien der Krisenbewältigung zu beschäftigen. Sein jetzt erschienenes Buch solle ein Leitfaden sein, wie er ihn sich für sich selbst gewünscht hätte.
Objektiv, sagt Ebenbichler auch, gibt es noch viel schlimmere Verletzungen. Als Familienvater habe er seine Situation auch deswegen als so bedrohlich empfunden, „weil mein ganzes Einkommen, wie ich meine Familie ernähre, davon abhängt, dass ich mich bewegen und Sport betreiben kann.“
Ein Schlüsselmoment war, als seine Frau wegen der Coronabeschränkungen nach Tagen endlich persönlich zu Besuch kommen durfte und er ihr eine kleine Verspätung vorwarf. „Ich bin in meiner Opferrolle im Krankenbett versunken. Sie sagte darauf: Du bist nicht der Einzige, der ein Problem hat. Und dann: Ich sage dir etwas: Selbst wenn sie dir das Bein amputieren, werden wir das schaffen. Es gibt ganz viele andere Wege im Leben, die man gehen kann.“
„Das war ein wichtiger Moment“, sagt Ebenbichler. „Das Bild der zwei Türen: Ich habe eine Tür, die ich aufmache, und dahinter ist die Betonwand. Oder: Ich mache einen Schritt zur Seite, suche einen anderen Weg – vielleicht schaffe ich es dann, über die Hintertür wieder dort reinzukommen, wo ich hinwill.“
Der erste von fünf Schritten, eine Krise zu bewältigen, die er in seinem Buch empfiehlt, ist Akzeptanz. Im zweiten Schritt geht es stark um Zuversicht. Dazu gehört eine andere Perspektive in Situationen, die nicht zu ändern sind. Stabile soziale Beziehungen, die man möglichst vor einer Krisensituation aufbauen und auch pflegen sollte, sind besonders wichtig. Schritt drei: Selbstwirksamkeit: „Es kommt keiner und hilft dir aus der Krise heraus, sondern ich muss selbst starten. Ich hab Hürden, die ich überwinde, mein Selbstwertgefühl steigt und ich weiß, dass ich mit schwierigen Situationen umgehen kann.“ Reflexion und konsequentes Handeln für langfristigen Erfolg sind die weiteren zwei Punkte auf dem Weg der Krisenbewältigung.
Buchtipp
C. Ebenbichler: Wenn deine Welt zerbricht
Lebenskrisen in fünf Schritten meistern – anhand seiner eigenen Erfahrung und wissenschaftlich fundiert zeigt der Sportwissenschafter, wie das gelingen kann.
€ 24,–
Zur Veranschaulichung für diesen Umgang mit Krisen wählte der Tiroler im Buch das Bild einer Bergtour. „Ich komme aus einer Krise, wie ich einen Berg besteige.“ Es gelingt nicht immer im ersten Anlauf. Manchmal ist eine Wegänderung nötig, auch einmal eine Umkehr und ein neuer Start. Aber immer gilt: Auf den Berg gelangt man nur im Tun, in Bewegung.
Eine Ressource, um unmittelbar Kraft zu schöpfen, ist neben Beziehungen auch die Natur. Sie sieht er heute mit anderen Augen als vor dem Unfall. Ebenbichler kann heute wieder sehr gut Rad fahren, auch Skitouren unternehmen – zu Fuß tut er sich aber noch schwer, da beschränkt sich sein Radius auf fünf bis sechs Kilometer.
Jeden Mittwochvormittag, wenn beide frei haben, geht er mit seiner Frau eine Runde im Wald spazieren, so weit es für ihn möglich ist, und sie führen wertvolle Gespräche. Momente, die ihm enorm viel geben, erzählt er. Früher war sein Draußensein ein „Raufrasen, Runterfetzen, Schnell wieder daheim sein. Jetzt plane ich Touren viel bewusster, wann ich etwas mache, mit wem ich es mache. Ruhiger und feiner. Aus weniger hole ich so viel mehr heraus.“