Die Coronakrise hat die Veranstalter von Laufbewerben besonders hart getroffen. Wie sich die Szene am eigenen Schopf aus dem Sumpf gezogen hat und wie es in Zukunft weitergehen kann.
Mit einem Schlag war alles anders. Der Corona-Lockdown hat die Laufeventszene von heute auf morgen komplett auf den Kopf gestellt. Und das zu Beginn der Wettkampfsaison. Anfangs lebte die Hoffnung, die großen Frühjahrsveranstaltungen könnten – national wie international – in den Herbst verschoben werden. Bald war aber klar: Das wird heuer nichts mit vielen Menschen, die sich auf engem Raum anstrengen und dadurch vielleicht infektiöse Aerosole ausstoßen. Die Big-6-Marathons – alle abgesagt. Aber auch in Österreich standen die Wettkampfuhren zu einem Großteil still. „Von jetzt auf gleich sind mir alle Einnahmen weggebrochen“, erzählt der Steirer Achim Wippel, Veranstalter zahlreicher Läufe in Ostösterreich. „Das war schon extrem hart. Da weißt du einmal nicht, wie du die Miete zahlen sollst.“
Von jetzt auf gleich sind mir alle Einnahmen weggebrochen.
Auch der Kärntner Julius Rupitsch, der unter anderem den Großglockner- Berglauf veranstaltet, berichtet Ähnliches. „80 Prozent meiner Einnahmen sind durch die Absage des Laufs weggefallen. Das musst du erst einmal verkraften.“ Nach einer kurzen Schockphase haben sich die beiden wie viele andere aber wieder auf die Beine gestellt und den Kreativmotor angeworfen. Achim Wippel hat, wie so viele, virtuelle Läufe veranstaltet. Und damit genau den richtigen Zeitpunkt erwischt. „Erst dachte ich, dass das nicht notwendig sein wird und hab zugewartet“, erzählt er. Dann aber ist er doch diesen Weg gegangen und hat dabei über den Tellerrand hinausgeblickt. „Dadurch, dass es keine fixe Strecke gibt und du auch nicht an Ort und Stelle sein musst, kann man solche Läufe ja prinzipiell überall veranstalten.“ Also hat er einen Frauenlauf in Süddeutschland veranstaltet. „Wir sind da regelrecht überrannt worden.“ 10.000 Teilnehmerinnen haben nach der ersten harten Lockdownphase richtiggehend nach einem Bewerb gelechzt. Mit solchen Formaten konnte Wippel das Ärgste abfedern. „Die fixen Kosten sind viel geringer, dafür kannst du die variablen schwieriger berechnen. Weil die Teilnehmerzahl ja de facto unbegrenzt ist, ist es schwer Dinge wie Medaillen und Finishershirts rechtzeitig und in der richtigen Menge zu bestellen.“ Für ihn ist klar: Solange es keine Impfung und kein Medikament gegen die Pandemie gibt, werden kreative Lösungen gefragt sein. Danach wird es eine Rückkehr zu den „alten“ Formaten geben.
Kreativ reagiert hat auch Rupitsch. Die Strecke des Großglockner-Berglaufs von Heiligenblut auf die Kaiser-Franz-Josefs-Höhe ist schließlich schon seit einiger Zeit permanent beschildert. Am Start gibt es eine Zeitmessstation, im Ziel auch. „Mit der ‚mein Berglauf‘-App konnte man den Lauf heuer jederzeit und ganz alleine laufen“, erzählt Rupitsch. Das ist gut angekommen. Mehr als 1000 Glockner-Fans haben die Möglichkeit genutzt, die Strecke einmal fast für sich alleine zu haben. Bei einem Supermarkt im Ort gab es ein Startersackerl, Zielverpflegung im Lokal auf der Franz-Josefs-Höhe. Dazu hat sich Rupitsch auch auf die Beine gestellt und versucht gemeinsam mit anderen Veranstaltern auch „echte“ Läufe in Zeiten von Corona durchzuführen. „Weil wo ist denn der Unterschied, ob ich auf dem Bauernmarkt einkaufe oder mir bei einer Labestation etwas zu essen oder zu trinken mitnehme?“ Auch wenn die Zeiten hart sind, aufgeben kommt für Rupitsch nicht infrage. Was ihn ärgert: „Dass es keine Evidenz gibt, dass man sich bei Veranstaltungen im Freien ansteckt und es rechtlich keine Grundlage gibt, Lauf- oder Radveranstaltungen im Freien zu verbieten und wir trotzdem nichts machen konnten.“
Jürgen Smrz, Veranstalter des Lindkogeltrails in Bad Vöslau und Zeitnehmer in Personalunion hat versucht, mit einer App für virtuelle Läufe (VRace) präsent zu bleiben und Verluste abzufangen. Einer der wenigen, der tatsächlich einen „echten“ Bewerb veranstalten konnte, ist Michael Kummerer, mit „Kärnten läuft“. Dafür musste er das Konzept aber komplett umkrempeln. Neue Strecke, neues Prozedere bei Startnummernausgabe und Medaillenübergabe – überall musste und konnte der gebotene Mindestabstand eingehalten werden. Für seinen zweiten großen Event, den Graz-Marathon hat das Hygienekonzept dann aber nicht gereicht, Kummerer musste auf einen Hybrid-Run umsteigen. „Mit einer App, über die du einen Countdown hörst, soll möglichst viel vom Wettbewerbsfeeling transportiert werden. Dazu kannst du dich mit Freunden verbinden und hören, wer gerade vorne liegt“, sagt Kummerer. Dazu werden für den Herbstklassiker in der steirischen Landeshauptstadt an den beliebtesten Laufstrecken auch Labestationen aufgebaut. „Du kannst dir auch Startnummern ausdrucken und durch günstigere Marathon-Shirts wollen wir ebenso ein Gemeinschaftsgefühl erzeugen. So erkennen sich Läufer unterwegs gegenseitig als Graz-Marathon-Teilnehmer.“
Wer seriös arbeitet, wird auch das überstehen.
Nicht stehen bleiben, kreative Lösungen suchen, das ist das Gebot der Stunde – da sind sich Wippel, Rupitsch und Kummerer einig. Auch wenn es in Graz zum Beispiel nicht nur einen Plan B, sondern sogar einen Plan C brauchte. „Nichts zu machen, war keine Option“, bestätigt Kummerer. So bleibe man im Gespräch und halte Kontakt zu den Sponsoren. Und was er und Wippel auch sehen: „Wir sprechen mit dem virtuellen Bewerb noch mehr und andere Menschen an als zuvor.“ Viele mäßig Trainierte würden sich nie in einen Startblock mit Tausenden anderen stellen und sich der Vergleichbarkeit stellen. „Dadurch, dass man alleine laufen kann, unbeobachtet, trauen sich viel mehr Menschen einmal an einem Bewerb teilzunehmen.“ Kummerer hat dem Lockdown sogar etwas Positives abgewinnen können. „Erstens die Zeit mit der Familie und zweitens hatte ich einmal die Möglichkeit in Ruhe nachzudenken, kreative Lösungen zu finden.“
Und was wird die Zukunft bringen? Bundeskanzler Kurz spricht schon von einer Rückkehr zu einem normalen Sommer 2021. Derzeit aber Prognosen abzugeben, das trauen sich die Veranstalter nicht. Die virtuellen Läufe werden uns also wohl noch ein Weilchen begleiten. Bleibt die Frage, ob sich alle Veranstalter über die Krise retten können, oder ob es das große Event-Sterben geben wird. „Ich hab von meinem Opa gelernt, dass man nur investieren kann, was auch da ist“, sagt Kummerer. „Gesundes Wachstum, Rücklagen für schwierigere Zeiten, das braucht es. Wer ein Fundament hat und seriös arbeitet, der wird auch das überstehen“, ist sich Kummerer sicher.