„Liebe Tourismus-Anbieter! Wir, eine Familie mit zwei Kindern (8+5), machen uns Gedanken über den Klimaschutz. Wir würden heuer gern einen Skiurlaub mit möglichst kleinem CO2-Fußabdruck verbringen. Für Anregungen sind wir dankbar. Mit lieben Grüßen!“ Der Familie kann geholfen werden.
Christine aus Graz schrieb dieses Mail an die Tourismus-Organisationen von Tirol, Salzburg, Vorarlberg, Kärnten, Steiermark, Niederösterreich, Oberösterreich, Südtirol und Bayern. Auch in meinem Namen. Ich wollte erfahren – aber nicht über den offiziellen „Presseweg“ –, inwieweit das Thema Klimaschutz im Tourismus angekommen ist. Danke an meine liebe Ehefrau! Erfreulich: Viele Antworten waren individuell, einige sehr ausführlich – nur wenig „Marketingsprech“ kam zurück. Am öftesten kam der Hinweis auf eine Bahnanreise, teilweise (Niederösterreich, Tirol) mit konkreten Angeboten zu bahnfreundlich liegenden Unterkünften und den passenden Fahrplänen. CO2-neutrale Pensionen und Klimaschutzhotels wurden uns vorgeschlagen oder die Vorarlberger Energieregion Vorderwald empfohlen. Aus Kärnten kam der Hinweis auf die „Alpine Pearls“ – Regionen, die sich dem nachhaltigen Urlaub verschrieben haben und zum Beispiel eine Mobilitätsgarantie vor Ort ohne eigenes Auto abgeben.
Daumen hoch, man fühlt sich mit dem Anliegen (mit dem man heutzutage sicher nicht allein ist) ernst genommen. Was heißt Klimaschutz überhaupt? Da gibt es immer wieder Missverständnisse. Nicht jede „grüne“ Maßnahme (so wichtig sie ist) schützt das Klima. Österreichs bekannteste Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb nahm in einem „Presse“-Interview einmal darauf Bezug, dass die Regierung auf das aufkommende Klimathema mit dem Verbot von Einwegplastiksackerln reagiert hatte: „Das ist, wie wenn einem der Kopf wehtut und man sich den Fuß einbindet.“ Also: Hier geht es um Auswirkung von Skiurlaub auf den Klimawandel, was für die breite Öffentlichkeit per „CO2-Fußabdruck“ greifbar gemacht wird. Klar ist auch: Ja, Bergbahnen und Schneekanonen brauchen Energie und erzeugen damit CO2 und andere erderwärmende Gase. Skifahren ist kein so klimafreundlicher Sport wie jeder, in dem reine Muskelkraft dahintersteckt. Aber wie „schlimm“ ist es wirklich?
Drei große CO2-Erzeuger
„Fußabdruckrechner“ im Internet helfen beim Einordnen. Leider kamen erst wenige auf die Idee, solche Rechner für Urlaubsreisen anzubieten. Eine Ausnahme ist Christian Krotscheck: Der Verfahrenstechniker hat im Rahmen seiner Dissertation an der Technischen Universität Graz schon in den 1990er-Jahren die Methodik für so einen Rechner entwickelt. 1997 wurde er – mit Daten zahlreicher Forscherteams der TU Graz – online gestellt und seither ständig aktualisiert. Auf www.fussabdrucksrechner.at lassen sich die Auswirkungen von Skiurlauben, anderen Urlauben und einiges mehr ausrechnen.
Es lohnt sich, ein Schneeloch mit viel Naturschnee auszusuchen.
Wir haben bei unseren Beispielen bewusst keine Extreme ausgerechnet. Sondern einen „Durchschnitts-Skiurlaub“ („Familie Moser“) und eine Klimaschutz-Variante („Familie Klima“). Sie zeigen: Ja, man kann seinen Fußabdruck deutlich verkleinern. Es zeigt sich auch, dass neben der Mobilität die Unterkunftswahl ein großer „Brocken“ ist. Warum? „Es ist ähnlich wie bei der Frage, ob man in einem Ein- oder Mehrfamilienhaus lebt: Es geht um den Raum pro Person, die Energieversorgung im Objekt, Ausstattung und vieles mehr“, erklärt Krotscheck. Dem Rechner sind Durchschnittswerte zugrunde gelegt. Natürlich macht es in der Praxis einen bedeutenden Unterschied, ob ein Hotel einen Energiewert aus den 1980er-Jahren oder modernen Passivhausstandard hat, den der Rechner nicht abbildet. Aber die Tendenz ist erkennbar. Zweiter großer Emittent, aber auch ein Punkt mit großem Sparpotenzial, ist die Mobilität. Bei unserem Beispiel mit Auto ist es mit vier Personen immerhin voll besetzt, was schon gut ist.
Welchen Unterschied die Verkehrsmittelwahl ausmacht, zeigen auch Zahlen des Umweltbundesamtes deutlich auf: Pro Person und Kilometer werden demnach mit einem Diesel-Pkw 143 Gramm CO2 ausgestoßen, mit dem Reisebus 43 g, mit dem Flugzeug (Inlandsflug) 730 g. Mit der Bahn nur 4 Gramm. Funktioniert die Bahnanreise in den Skiurlaub aber auch in der Praxis? Sicher nicht überall gleich gut. Vielerorts aber auch sehr gut, wie in der Ferienregion Hohe Salve in den Kitzbüheler Alpen: Dort wird der Urlaub mit öffentlichen Verkehrsmitteln seit Jahren forciert. Von Wien zum Beispiel kann man in fünf Stunden ohne Umsteigen anreisen. Carina Schmid von der Ferienregion Hohe Salve verweist auf die Gästekarte, die als Fahrkarte für alle „Öffis“ gilt. 60 S-Bahnen verkehren täglich im Halbstundentakt und bleiben an 18 Stationen stehen, Busse und Ruftaxis können auch mit der Gästekarte genutzt werden. Beim Skiurlaub reist man mit schwerem Gepäck. Das ist aber nicht zwangsläufig ein Argument fürs Auto: Viele wissen vielleicht gar nicht, dass etwa die ÖBB ihren Kunden Gepäcktransport von der Wohnungstür bis zum Hotel („Haus-Haus-Gepäck-Service“) anbietet. Innerhalb Österreichs kostet das 21 Euro pro Gepäckstück bis 30 kg.
Das Skifahren selbst scheint bei unseren Beispielen als zweitgrößter CO2-Emittent auf. Aber auch da gibt es Unterschiede: Das Gosauer Skigebiet im Salzkammergut (OÖ) zum Beispiel erzeugt seinen Strom per eigenem Wasserkraftwerk. Auch wenn es kaum noch reine Naturschneegebiete gibt, lohnt es sich laut Christian Krotscheck ein „Schneeloch“ auszusuchen, weil dort eben weniger beschneit werden muss. Es ist nicht gesagt, dass Skifahren in einem Skigebiet mit Hunderten Pistenkilometern einen größeren Fußabdruck hinterlässt als in einem kleinen: „Im kleinen treibt vielleicht noch der Dieselmotor den Lift an. Entscheidend ist auch die Auslastung“, sagt Krotscheck.
Am Berg oder im Tal essen?
Wer darüber hinaus dem Klima nützen will, isst möglichst regional, saisonal und vegetarisch und greift zum Leihski: Beim „Sharing“ ist der Fußabdruck geringer als beim Besitzen. Oder man fährt den eigenen Ski wirklich lang. Die Frage, ob man im Tal statt in der Gipfelhütte mittagessen soll, wegen der Transport- energie auf den Berg, lässt Krotscheck schmunzeln: „Bei den üblichen Transportwegen kommt es darauf nicht an.“ Aber das sind alles schon kleine „Posten“ in der Gesamtrechnung.
Wie ist der Skiurlaubs-Fußabdruck nun im „großen Ganzen“ einzuordnen? 10 bis 12 Tonnen CO2 erzeugt der durchschnittliche westliche Lebensstil pro Jahr – um die Erderwärmung bei 2 Grad zu begrenzen, sollten es möglichst rasch nicht mehr als 1,5 bis 2 Tonnen jährlich sein. Die 146 bzw. 430 Kilogramm in unseren zwei Beispielen sind da natürlich nicht „nichts“: Andererseits erzeugt ein gleich langer Kultururlaub zu zweit in Europa mit 2000 Flugkilometern (z.B. Wien–Paris) 880 kg. Von Kreuzfahrten reden wir gar nicht.
Als klimabewusster Skiurlauber muss man also kein allzu schlechtes Gewissen haben. Übrigens: Kompensationszahlungen kann man nicht nur für Flüge leisten, um damit Klimaschutzprojekte zu unterstützen: Zum Beispiel auf www.climateaustria.at oder www.atmosfair.de
Beispiel - Familie Moser macht Urlaub:
zu viert, An- und Rückreise 600 km mit dem Dieselauto (6,5 l Verbrauch/100 km), wohnt 7 Nächte im 3-Sterne-Hotel, isst nicht vegetarisch. Vor Ort legen die Mosers noch einmal 140 km mit dem Auto zurück (20 pro Urlaubstag). 5 Tage fahren sie Ski, gehen 3 Mal in die Therme mit Sauna, 2 Tage langlaufen und fahren 2 Stunden Schneemobil.
56 kg An- und Rückreise
Unterkunft 250,9 kg
14,1 kg Verpflegung
Mobilität vor Ort 13,1 kg
96,8 kg Aktivitäten
= 430,9 KG CO2 pro Person
>> Mehr erfahren: www.fussabdrucksrechner.at <<
Beispiel - Familie Klima:
fährt ebenfalls zu viert auf Skiwoche: An- und Rückreise 600 km mit der Bahn, Unterkunft 7 Nächte in einer Ferienwohnung. Die liegt so günstig, dass vor Ort nur 5 Kilometer täglich mit dem Skibus bleiben. Die Klimas sind Vegetarier, fahren 5 Tage Ski, gehen zwei Tage langlaufen.
An- und Rückreise 9,6 kg
81,4 kg Unterkunft
Verpflegung 7 kg
4,6 kg Mobilität vor Ort
Aktivitäten 43,3 kg
= 145,9 KG CO2 pro Person
Quelle: www.fussabdrucksrechner.at