Vom Straßen-Wettkämpfer zur mittellangen Trail-Premiere. Als Einstimmung für unsere „Top 20“ Trail-Events, skizzieren wir für euch mit Mag. Gerhard Schiemer, Trainer von Österreichs Trailrunning-Nationalmannschaft, den Weg zur genussvollen Wettkampf-Teilnahme.
Du bist schon in der Lage, einen Halbmarathon durchzulaufen, hast auch den einen oder anderen Straßenwettkampf absolviert. Jetzt zieht es dich zum Trailrunning – und da, wenn schon, gleich zu einer „mittleren“ Distanz: zwischen 30 und 40 Kilometer.
Ein Ziel, das keineswegs zu hoch gegriffen ist, findet Trailrunning-Experte Gerhard Schiemer. „Um sich auszurechnen, wie lange man in einem Trailrun unterwegs sein wird, kann man die Flachkilometer als Grundlage nehmen und pro 1000 Höhenmeter noch eine Stunde dazurechnen.“ Wer einen Halbmarathon in zwei Stunden absolviert, kommt beim 30-km-Trailrun mit 1000 hm also auf vier Stunden. Wichtig: „Diese Verdoppelung der Zeitdauer kann man sich aber trotzdem gut vornehmen. Deshalb, weil die Straßenbelastung sehr monoton ist. Beim Traillauf wird bergauf viel gegangen und man belastet ständig andere Strukturen“, erklärt Schiemer. Die Belastung verteilt sich also hier viel besser.
Auch für Stadtbewohner ist der Umstieg ins Gelände absolut drin: Praktisch alle Städte Österreichs haben Parks, Wälder, Hügel oder Berge in Laufweite. Naturwege mit Auf- und Ab-Höhenmetern gibt es allerorts zu entdecken (etwa über komoot) – was richtig Spaß machen und Pep ins Laufleben bringen kann.
3 Trainingsphasen, 4 Einheiten
Wer also schon zwei Stunden auf der Straße durchlaufen kann und jetzt im Frühling mit dem Training startet, für den ist ein „Medium“-Trailrun im Sommer oder Herbst bestimmt drin. Schiemer rät, das Training dorthin in drei Phasen von jeweils sechs bis acht Wochen Länge einzuteilen. Zudem sukzessive von drei wöchentlichen Laufeinheiten auf vier auszubauen.
Phase eins kann und soll noch sehr straßenlastig sein und einer Halbmarathon-Vorbereitung ähneln. „Für die Grundlagenausdauer brauche ich noch relativ viele Flachkilometer.“ Am Ende des ersten Aufbaublocks, nach sechs bis acht Wochen, kann ein flacher Halbmarathon-Wettkampf stehen. Nach rund sechs Wochen ist es Zeit, die langen Läufe langsam und zunehmend ins Gelände zu verlegen und Höhenmeter einzubauen. „Zumindest jede zweite Woche ist der lange Lauf nun im Gelände“, erklärt Schiemer. Jetzt spätestens sollen es auch vier wöchentliche Laufeinheiten sein.
In der finalen Phase, den sechs bis acht Wochen vorm Wettkampf „konzentriert sich alles immer mehr aufs Gelände.“ Die langen Läufe sind dann alle im Gelände (mit vielleicht vier, fünf Kilometer An- und Rücklauf im Flachen). Und auch bisherige Flach-Intervalle legt man immer mehr ins Gelände.
Große Events wie der Großglockner-Ultratrail eignen sich mit einer Vielzahl an Strecken auch für Erstversuche.
Höhenmeter bergauf und bergab
Wichtig bei alldem ist es, geschmeidige Übergänge zu schaffen. Denn nicht nur die Ausdauerleistung will entwickelt werden, auch Muskeln, Bänder, Sehnen und Gelenke sollen sich an die Belastung bergauf und bergab sowie auf weichem und losem Untergrund anpassen können. Was Höhenmeter betrifft: „Es gilt, sich an die Gegebenheiten, die im anvisierten Lauf warten, heranzutasten. Erwarten mich dort etwa 600 bis 700 Höhenmeter am Stück, macht es Sinn, das am Anfang im Training zu portionieren: dass man die 600 Höhenmeter in einer Trainingseinheit insgesamt schafft, aber etwa auf drei Anstiege verteilt.“ Betont sei, dass auch im Training „bergauf“ im Trailrun vielfach gehen bedeutet: „Am Anfang ist man gehend meistens sogar schneller.“
Je weiter es in Richtung Rennen geht, desto mehr Höhenmeter am Stück können es dann sein. Was bergauf gilt, gilt auch bergab, um der Muskulatur und den passiven Strukturen Zeit zur Gewöhnung zu geben: „nicht gleich 1000 Höhenmeter runterdonnern, sondern sich an längere Passagen und höhere Geschwindigkeiten herantasten“.
Sinnvoll: Von den vier Laufeinheiten zwei aufs Wochenende zu legen. „Am Samstag vielleicht 20, 22 km unterwegs sein und am Sonntag, mit der Vorbelastung vom Samstag, noch einmal 8 bis 10 km flach draufsetzen. Was man so an einem Trainingswochenende in Summe zurücklegt, kann man sich dann im Wettkampf auch am Stück gut zutrauen.“
Besser Rumpf- als Beinkraft
Zusätzliches Krafttraining ist vor allem zur Verletzungsprophylaxe überaus sinnvoll – bloß machen es die wenigsten, weiß Schiemer aus Erfahrung. Zeitressourcen sind schließlich meist nicht endlos vorhanden. Wer hier zu investieren bereit ist, sollte sich auf den Rumpf fokussieren, ein Beinkrafttraining bringt vergleichsweise wenig.
Was man relativ früh im Training schon ausprobieren soll, ist, sich an das Laufen mit einem Trailrucksack zu gewöhnen. Und dabei auch schon Wasser mit zu haben, um zu erkunden, welche Lastverteilung (Trinkblase hinten oder Softflasks vorne) einem besser liegt. Entschließt man sich dazu, Stöcke am Trail zu verwenden, dann sollte man das auch ab der zweiten Trainingsphase üben: Das richtige Verwenden der Stöcke (zum Vortrieb, nicht bloß zum Balancehalten) ist nicht selbsterklärend, aber lässt sich gut erlernen, wenn man es einmal von einem Könner gezeigt bekommt.
Und nach welchen Kriterien wählt man den Premierentrail aus? Bei den großen etablierten Veranstaltungen kann man sicher sein, dass organisatorisch bis hin zu den Labestationen alles passt, rät Schiemer. 1500 Höhenmeter, verteilt auf 30 bis 40 Kilometer, sind für den Erstversuch sicher ausreichend – fad wird es da bestimmt nicht. Und dann: einfach rein und die lockere Trailrun-Atmosphäre genießen.