Spezialisierte Bike-Hotels wollen (Mountain-)Biker glücklich machen und versprechen, ihre Bedürfnisse ganz genau zu kennen. Worauf kommt es aber in der Praxis wirklich an?
Vom Servicecorner mit Werkzeug und dem absperrbaren Fahrradraum, einem sportlergerechten Frühstück, hochwertigem E-MTB-Verleih, geführten Touren bis zu den „Touren-Geheimtipps“, die man vor Ort verraten bekommt und vielem mehr: Die Kriterienliste ist lang, um sich etwa bei „Mountain Bike Holidays“ qualitätsgeprüfter Mitgliedsbetrieb nennen zu dürfen. Die aktuell 54 Hotels der Gruppe unterteilen sich in „Classic“, „Elite“ und „Pro“, Letztere haben noch einmal mehr Vorgaben, die erfüllt werden müssen und auch mittels TÜV-zertifiziertem Verfahren überprüft werden, wie Martin Baumann von den Mountain Bike Holidays erklärt. Ähnlich „streng“ geht es bei den „Bikehotels Südtirol“ mit aktuell 31 Mitglieds-Unterkünften zu, hier muss neben den Ausstattungskriterien zum Beispiel ein Mitglied der Hoteliersfamilie selbst eine Prüfung zum Bikeguide vorweisen. Sonst, so Michaela Zingerle, Geschäftsführerin der Bikehotels Südtirol, ist eine Mitgliedschaft nicht möglich. Mal ein Auge zudrücken ist nicht drin – damit dem Bikegast nichts fehlt, er sich rundum wohlfühlt.
Ausstattung, so sind sich die von uns für diese Geschichte Befragten einig, ist „nur“ die Basis (und kann auf den Webseiten auch einfach nachgelesen werden). Eine wichtige Basis freilich, ein „Must-have“, wie Martin Baumann es ausdrückt – Hannes Nindler, Hotelier vom Bikehotel Lindenhof in Feld am See, vergleicht es mit einem Kuchen. „Die vollständige Ausstattung ist der Kuchen selbst. Kompetenz ist die Schokolade. Eine gute Lage ist die Kirsche obendrauf.“ – „Ohne Touren und Trailangebot kann ein Bikehotel nicht reüssieren. Aber die Nummer eins ist es, authentisch zu sein. Ohne die Kompetenz im Haus geht es für ein Bikehotel nicht, und diese Kompetenz kommt im Idealfall aus der Familie“, bestätigt Baumann. „Für Gäste ist immer noch am coolsten, wenn sie mit dem Gastgeber, der Gastgeberin ausrücken können“, so auch Michaela Zingerle, „das Persönliche ist am allerwichtigsten. Wenn man Erfahrungen und Erinnerungen, Eindrücke und Know-how teilen kann, stiftet das Gemeinschaft und ein Zusammengehörigkeitsgefühl. Radfahren verbindet, egal woher man kommt“. Und dieses verbindende Element – auch zwischen den Gästen – sei eben ein wesentlicher Teil des Wohlfühl-Faktors.
Zielgruppen im Wandel
Nur wer selbst bikt, kann seine bikenden Gäste und ihre Bedürfnisse wirklich nachvollziehen, ist Hotelier Nindler überzeugt. Als begeisterter Mountainbiker legte er sich ein Rennrad zu, bevor er sein Haus zusätzlich als „Roadbike Hotel“ positionierte. „Weil ich als Mountainbiker nicht wissen kann, was es für einen Rennradfahrer bedeutet, drei Kilometer mit 13 Prozent Steigung zu fahren, guten Asphalt zu haben – oder warum er eine Stunde früher frühstücken muss.“ Wenn trotz versperrbarem Bikeraum ein Rennradler seine „Prinzessin“ lieber mit aufs Zimmer nehmen wolle, dann sei das für ihn ganz selbstverständlich. Oder wenn ein E-Mountainbiker abends nebenbei erwähne, dass ihm am Geräusch des Motors etwas nicht gefalle, er seine Bremsen eingestellt haben möchte – dann könne wiederum nur der selbst Bikende die Dringlichkeit des Bedürfnisses richtig einschätzen. „An zwei Tagen in der Woche ist immer Zeit fürs Biken reserviert – einmal mit Gästen, einmal für mich selbst“, erzählt Nindler.
Mit der neuen Zielgruppe hat auch ein Gravelbike in seinen persönlichen Fuhrpark Einzug gehalten. Doch auch die Mountainbiker-Zielgruppe ist bekanntlich einem starken Wandel und vor allem der Differenzierung unterworfen. Die „Bikehotels Südtirol“ feiern heuer ihr 25-Jahr-Jubiläum, „damals war Mountainbiken noch eine Nische und die, die es betrieben, wollten mindestens 1600, 1800 Höhenmeter am Tag treten“, weiß Zingerle. „Heute ist der Leistungsdruck raus: Es geht ums Natur- und Landschaftserlebnis, um denn kulinarischen Genuss. Wir sagen oft: Mountainbiken ist das neue Wandern.“ Entsprechend unterschiedlich seien die Bedürfnisse der Gäste und damit seien auch die Ansprüche an Gastgeber deutlich gestiegen. „Es gibt nicht den oder die Mountainbiker. Wir lassen uns wohl nicht gerne in eine Schublade stecken. Das ist das Spannende: Jedes Hotel kann sich spezialisieren und es wird nie langweilig.“ Bei den „Mountain Bike Holidays“-Hotels gebe es manche, wo der E-Biker-Anteil heute 80 Prozent ausmache, erzählt Baumann, auch hier seien eher sanfte Tourenerlebnisse gefragt.
Trend zur Nachhaltigkeit
Ob sanft oder sportlich – hochwertig müssen die Erlebnisse sein, und ebenso hochwertige die Kulinarik. Ohne qualitätsvolle, regionale Kulinarik könne heute kaum ein Tourismusbetrieb bestehen, sind sich Baumann, Zingerle und Nindler einig – „und der Biker, überhaupt der sportliche Gast ist hier noch einmal sensibler“, so Nindler. Schon im Jahr 2000 verfolgte der Lindenhof-Chef eine Slow-Food-Philosophie, „und das hat richtig Fahrt aufgenommen.“ In der hauseigenen Slow-Food-Greißlerei „Radlerei“ könne man die Produkte aus der Region, die man beim Frühstücksbuffet schätzen gelernt hat, kaufen und so „ein Stück Urlaub mit nach Hause nehmen“. Dass die Lindenhof-Küche haubengekrönt ist, will Nindler gar nicht herausstreichen, „aber der Radfahrer schätzt die Qualität. Auch was Riegel und Gels betrifft, ist ein ganz anderes Qualitätsbewusstsein vorhanden, über hausgemachte Riegel als Verpflegung für die Tour freuen sich viele.“ Nachhaltigkeit steht auch bei mehreren Bikehotels Südtirol schon im Mittelpunkt der Unternehmensphilosophie, so Michaela Zingerle – etwa beim Präsidenten der Vereinigung, Kurt Resch, mit seinem „Steineggerhof“, der auch Mitglied der Biohotels ist und aus Überzeugung stark auf vegetarische und vegane Küche setzt. Was gerade bei der jungen Zielgruppe sehr gut ankomme.
Ein „To-do“ für die Bike-Hoteliers
Bei einem anderen Nachhaltigkeitsthema sieht Hotelier Nindler alle Bikehoteliers wie auch die Mountainbiker selbst noch gleichermaßen gefordert: beim Thema Respekt und faires Verhalten in der Natur. Dass nicht jede Tour legal und erwünscht ist, von der sich ein Track in einem Onlineportal runterladen lässt, dafür leiste er bei seinen Gästen leidenschaftlich Aufklärungsarbeit. „Die große Herausforderung für uns als Bikebetriebe wird es sein, Konfliktpotenzial, das sich aus dem Boom des Bikens ergibt, einzufangen. Das ist in aller Interesse. Und nicht nur, weil wir am Jahresende wieder zu den Grundstücksbesitzern gehen, um die Verträge für die legalen Strecken zu verlängern.“