Weitwandern? Hat egal ob in hochalpinen Regionen oder dicht bewaldeten Gegenden seinen ganz eigenen Reiz. Wir haben uns für euch bei Experten umgehört, worauf es für einen gelungenen Einstieg ankommt.
Wie sagte es einst der Genfer Philosoph, Schriftsteller und Naturforscher Jean-Jacques Rousseau: „Wer ans Ziel kommen will, kann mit der Postkutsche fahren, aber wer richtig reisen will, soll zu Fuß gehen.“ Ein alter Gedanke, der in die heutige Zeit übertragen wohl noch an Bedeutung gewinnt. In der Hektik unserer schnelllebigen Zeit wirkt die Langsamkeit der Fortbewegung per pedes beinahe antiquiert – dabei hätte sie uns so viel mehr zu bieten. Denn nur zu Fuß lässt sich der Duft von Wiesen und Wäldern so richtig genießen, lassen sich auch die kleinen Dinge am Wegesrand entdecken, findet man die Zeit, Eindrücke und Panoramen, Land und Leute, Flora und Fauna wirklich wahrzunehmen. Viele Gründe, regelmäßig den Wanderrucksack zu packen. Aber auch gute Gründe, um sich einmal an einem mehrtägigen Weitwanderweg zu versuchen und so richtig in das Reisen zu Fuß einzutauchen.
Pro Weitwandern
Weshalb man, abgesehen eingehender philosophischer Gedanken, einmal in einen Weitwanderweg, sprich eine Wanderung mit mehreren Tagesetappen und entsprechend größeren Bewegungsradien, eintauchen sollte? Nun, da wäre einmal ganz klar das Naturerlebnis. Weitwanderwege führen oftmals durch abgelegene Regionen und Naturgebiete, die man anders als zu Fuß gar nicht erleben könnte. Hier lässt sich der Stress des Alltags abschütteln, die Schönheit und Ruhe der Natur in vollen Zügen genießen. Gerne werden Weitwanderwege aber auch als Herausforderung gesehen, können sie je nach gewählter Route doch auch sehr anspruchsvoll sein und nach einer gehörigen Portion körperlicher Kraft, Ausdauer und mentaler Stärke verlangen. Umso stolzer und zufriedener kommt man am Ziel an, hat man lange Strecken und/oder viele Höhenmeter überwunden.
Einige Weit- und Fernwanderwege sind auch so angelegt, dass sie an historischen Orten und Städten vorbeiführen oder Regionen mit jahrhunderte-, vielleicht sogar jahrtausende alter Geschichte durchqueren. Hier bietet sich die Möglichkeit neue Lebensweisen, je nach Reisebereitschaft vielleicht sogar neue Kulturen zu entdecken, lokale Köstlichkeiten zu probieren und unterwegs interessante Menschen kennenzulernen. Außerdem, und hier wären wir wieder im Philosophischen, lässt sich kaum wo besser über sich selbst und seine Prioritäten sinnieren als auf tagelangen Streifzügen durch die Berge.
Wo beginnen?
Die „ideale“ Länge einer Weitwandertour hängt bezüglich der Kilometer/Höhenmeter natürlich stark von der persönlichen Fitness ab, weiß Roland Oberdorfer, seines Zeichens bei Kärnten Werbung projektverantwortlich für den Alpe-Adria-Trail. Wer über eine gute Grundfitness verfügt und regelmäßig wandert, der darf sich erfahrungsgemäß längere Strecken zutrauen als jemand, der kaum oder wenig Erfahrung hat. Ungeachtet der Fitness ist es aber wichtig, realistisch zu bleiben und sich selbst (und „Mitgeher“!) nicht zu überfordern. Überdies gilt es in der Planung/Auswahl auch die Wegbeschaffenheit zu berücksichtigen. Höhenunterschied (viele versus wenige Höhenmeter), Terrain und technischer Anspruch der Wege sowie Wetterbedingungen haben ebenfalls Einfluss auf die realistisch zu bewältigende Streckenlänge pro Zeit.
Egal ob alleine, mit Familie oder Freunden: „Bevor man sich an seine erste Mehrtageswanderung macht, sollte man vorab Touren ähnlicher Länge wie die längste Etappe schon einmal als Tagestour absolviert haben“, rät Christina Moser vom Nationalpark Hohe Tauern, wo der Hohe-Tauern-Panorama-Trail verläuft. Als passende Gesamtlänge zum Einsteigen sieht sie eine Wanderwoche mit einem bewusst eingelegten Ruhetag dazwischen. Roland Oberdorfer rät Einsteigern ebenfalls, „klein“ anzufangen, sich erst mal kurze, leichte Etappen vorzunehmen: „15 km und 500 bis 600 Höhenmeter sollten fürs Erste reichen. Dann sieht man ja, ob man sich in den kommenden Tagen mehr zutrauen kann“, ermutigt der Kärntner zum „Tiefstapeln“. Wie Moser empfiehlt auch er bei längeren Touren unbedingt auch Ruhetage einzuplanen. „Das tut Körper, Geist und der Motivation gut.“ Als grobe Orientierung und natürlich stark vom Zeitbudget und oben genannten Faktoren abhängig darf man für die Weitwanderpremiere aber schon so an die 50 bis 100 Kilometer Gesamtstrecke in Betracht ziehen.
Nicht ohne Training
Wie man sich körperlich am besten auf die erste Weitwanderung vorbereitet? Für Christina Moser hilft hier „wandern, wandern und wandern“. Ihr Tipp: „Sollte man einen Weitwanderweg in den Alpen – mit dort typischen erheblichen Auf- und Abstiegen – planen, sollten auch beim Wandern daheim ordentliche Auf- und Abstiege eingebaut werden.“ Sei dies (etwa aufgrund der Topografie am Wohnort) nicht möglich, dann könne es auch nützlich sein, „die eine oder andere Stiegensteig-Session etwa in einem Hochhaus einzubauen oder auf einem Stepper Steigungen zu simulieren. Außerdem sollte man unbedingt mehrstündige Trainingseinheiten einbauen“, rät Moser.
Ein Punkt, den es ebenfalls zu beachten gilt: Je nach geplanter Rucksackgröße und entsprechendem Gewicht sollte man vorab auch mit der entsprechenden Last am Rücken Strecken in ähnlicher Dimension wie jene der längsten Tagesetappe der Weitwanderung absolvieren. Denn ob ein kleines Rucksäckchen oder schweres Marschgepäck am Rücken hängt, macht sowohl bergauf als auch bergab einen spürbaren Unterschied.
Wer ans Ziel kommen will, kann mit der Postkutsche fahren, aber wer richtig reisen will, soll zu Fuß gehen.
Vorteil vermarkteter Touren
Die nötige Erfahrung vorausgesetzt, lässt sich jedes beliebige Wegenetz zur Weitwanderung verknüpfen, lassen sich Etappen planen und passende Unterkünfte auf eigene Faust organisieren. Einfacher und komfortabler ist es aber natürlich, auf bestehende, vermarktete Weitwanderwege zurückzugreifen. „Wenn man einen beschilderten Weitwanderweg wie den Hohe-Tauern-Panorama-Trail wählt, dann ist die Orientierung vor Ort mit Beschilderung, Wegbeschreibung und Link zur (digitalen) Route leicht. Vor allem die Orientierung über Smartphone ist sehr praktisch. Man sollte sich aber vorher ein wenig mit der App und deren Funktionen vertraut machen“, weiß Christina Moser um die Annehmlichkeiten Bescheid. Touren wie der Alpe-Adria-Trail, besagter Hohe-Tauern-Panorama-Trail oder beispielsweise der Tiroler Burgenweg bieten häufig aber noch weitere Komfort-Optionen, die man entweder im Gesamten oder in „kleinen Dosen“ buchen kann. Der „Klassiker“ ist dabei der Gepäcktransport von Quartier zu Quartier für jene, die „komfortabel nur mit leichtem Tagesrucksack gehen und sich nur aufs Wandern konzentrieren wollen“, weiß Roland Oberdorfer. „Dies ist natürlich auch mit separaten Kosten verbunden, will man hier Geld sparen oder einfach flexibler sein, auch was Unterkünfte betrifft, kann man sein Gepäck natürlich auch selbst tragen“, so der Experte.
Nochmals komfortabler laufen Planung und Wanderung über die diversen Buchungscenter ab, erklärt Thomas Pichler, Meteorologe, Glaziologe, Geograf und Wander-Guide aus der Region TirolWest: „Die Unterkünfte werden dabei so ausgewählt, dass sich diese bestmöglich in die Tour integrieren. Außerdem entsprechen die Unterkünfte den Standards für Fernwanderer, was ein gewisses Maß an Qualität in Unterbringung, Service, Versorgung und Freundlichkeit voraussetzt“, weiß der Wanderführer. Auch hier gibt es Gepäckservice, meist sogar am letzten Tag zurück zum Ausgangspunkt. Sämtliche Unterlagen und Karten für unterwegs sind hier ebenfalls inbegriffen, eigene Planungsarbeit ist nicht notwendig, man bucht sozuagen all-inclusive. „Die Trail-Hotline des Alpe-Adria-Trail-Buchungscenters bietet sogar einen Ansprechpartner für den Notfall, der ein Taxi organisiert, wenn gar nichts mehr geht oder die nächste Etappenunterkunft nicht mehr erreicht werden kann“, so Oberdorfer.
Die Sache mit dem Wetter
Was es auf jeden Fall im Auge zu behalten gilt, ist das Wetter. Hier sollte man die Startzeiten an lokale Prognosen anpassen, sich vorab informieren und auch mal auf Einheimische hören, die Tour unter Umständen sogar abändern oder gar mal durch Öffis oder Taxis abkürzen. „Bei kritischer Wetterlage ist das frühzeitige Abklären potenzieller Einkehrmöglichkeiten oder sogar Notunterkünfte essenziell“, mahnt Thomas Pichler. Entsprechend gehören für ihn auch Regen-, Wind- und Kälteschutz unbedingt in den Rucksack. Zudem sollte man sich auch immer regionale Notrufnummern im Handy einspeichern. „Wer sich den zusätzlichen Luxus eines Berg- oder Wanderführers für die Tour gönnt“, so Pichler, „der hat auch beim Thema Wetter/Tourenanpassung eine kundige Hand an seiner Seite.“ Gerade für Einsteiger bieten Guides auch zusätzliche Sicherheit, helfen beim richtigen Pacing, kennen lohnenswerte Abstecher oder sinnvolle Abkürzungen und wissen nicht nur um kulinarische, sondern auch landschaftliche Highlights Bescheid.
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