Kohlenhydrate sind der beste Energielieferant. ­Zugleich kursieren immer wieder ­„Low Carb“-­Empfehlungen für Alltag und Training. Sind solche sinnvoll? Nachgefragt bei der „Österreichischen ­Gesellschaft für Sporternährung“. 

Christof Domenig
Christof Domenig

Früher einmal, da hat man sich als sportlicher Mensch in der Kantine automatisch in die Schlange zum Nudelgericht eingereiht: Hauptsache Kohlenhydrate, dachte man. Und heute? Hört man immer wieder, dass nicht nur Freizeit-, sondern auch Leistungssportler generell oder zeitweise kohlenhydratreduzierte Ernährungskonzepte (Stichworte: „Low Carb“, „Train Low“ ...) verfolgen. Was ist da dran? Schauen wir uns zu Jahresbeginn – unter Mithilfe von ­Manuela Konrad, Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Sporternährung (ÖGSE), die Rolle der Kohlenhydrate im Alltag und Training von Freizeitsportern wieder einmal an und bringen unser Wissen, fakten- und forschungsbasiert, auf den aktuellsten Stand.

Ganz grundsätzlich: Unter den Makronährstoffen (Kohlenhydrate, Eiweiß und Fett) können bekanntlich Kohlenhydrate wie Fette zur Energiegewinnung herangezogen werden. Kohlenhydrate haben den Vorteil, dass erstens die erzielbare Energieausbeute bei gleicher Sauerstoffmenge höher ist. Und zweitens, dass sie anders als Fette bei niedrigen (aeroben) genauso wie bei hohen (anaeroben) Belastungsintensitäten als „Brennstoff“ herangezogen werden können. 
 

Nachteil der Kohlenhydrate? Ihre Speicher, in der Muskulatur und der Leber angesiedelt, sind begrenzt. Nach 75 bis 90 Minuten intensiver Ausdauerbelastung im Bereich der anaeroben Schwelle ist Schluss. Fettreserven sind dagegen praktisch im unbegrenzten Maß vorhanden.

Je nach ­Sportpensum
Kohlenhydrate sind also grundsätzlich der wichtigste Energielieferant im Sport, daran hat sich nichts geändert. Was die Alltagsernährung betrifft, so lesen sich die allgemeinen Empfehlungen dennoch etwas anders als in früheren Zeiten – oder genauer gesagt: differenzierter. Ein „One Size Fits All“-Konzept gibt es nämlich nicht. Von Ernährungsgesellschaften wird heute in der Regel empfohlen, benötigte Kohlenhydratmengen individuell zu sehen – abgestimmt auf die Sportart, das Körpergewicht, vor allem aber auf die Intensität und den Umfang, mit denen Sport betrieben wird. Zur groben Orientierung die Empfehlung der „Deutschen Gesellschaft für Ernährung“ (DGE): „Wenig­sportler“ finden demnach mit 3 bis 5 Gramm Kohlenhydrate pro Kilogramm Körpergewicht täglich  das Auslangen. Bei „moderaten“ Belastungen von rund 1 Stunde täglichem Training sind 5 bis 7 Gramm das passende Maß – spätestens hier finden sich wohl schon sehr viele Freizeitsportler wieder. Erst bei „hohen, kompetitiven Belastungen“ von 1 bis 3 Stunden täglichem Sport werden 6 bis 10 Gramm Kohlenhydrate empfohlen und bei extrem hohen Belastungen sogar noch mehr, bis zu 12 Gramm. 
 

Ein intensiv trainierender Leistungssportler hat also einen fast doppelt so hohen Bedarf an Kohlenhydraten wie ein moderat trainierender Gesundheitssportler. Unser Tipp dazu: seinen eigenen Bedarf einmal ausrechnen und dann eine zeitlang mittracken, was man täglich eigentlich isst. Tabellen und Apps helfen dabei, die Makronährstoffanteile in der eigenen täglichen Ernährung auszurechnen.

Was heißt eigentlich „Low Carb“?
Üblich ist auch, die Energiezufuhr über die Makronährstoffe in Prozent anzugeben: „Für Leistungssportler und ambitionierte Hobbysportler liegt die Ernährungsempfehlung zur Kohlenhydratzufuhr bei 50 bis 65 % der zugeführten Gesamtenergiemenge“, weiß die ÖGSE-Expertin, und betont: „Für Freizeitsportler mit geringer Trainingsintensität ist so eine kohlenhydratbetonte Ernährungsform nicht zu empfehlen.“ Auch alle, die Sport in erster Linie deshalb betreiben, um ihr Gewicht zu halten oder gar welches zu verlieren, sollten sparsamer zu Kohlenhydraten greifen.

Ob eine „Low Carb“­-Ernährung für viele (moderate) Hobbysportler die bessere Wahl ist? Das lässt sich schon deshalb schwer beantworten, weil es eine einheitliche Definition für „Low Carb“ bislang gar nicht gibt. So werden manchmal einfach Ernährungsformen mit weniger als 45 Energieprozent aus Kohlenhydraten darunter verstanden. Am anderen Ende der Skala werden sogenannte „ketogene Diäten“ mit sehr geringem Kohlenhydratanteil um 10 %, dafür extrem hohem Fettanteil (60–80 %) ebenfalls mitunter unter dem Begriff „Low Carb“ subsummiert. 

Gerade solche letztgenannten extremen Ernährungsformen kann die ÖGSE-Expertin nicht empfehlen, auch wenn sie im Leistungssport manchmal angeblich praktiziert werden: „Die dort propagierte Lebensmittelauswahl widerspricht mit extrem hohen Fettanteilen diametral den allgemeinen Empfehlungen einer vollwertigen Ernährung. Eine solche soll jedoch immer die Basis einer Sporternährung darstellen“, stellt Manuela Konrad klar.
 

Ein Leistungssportler hat einen fast doppelt so hohen Bedarf an Kohlenhydraten wie ein Gesundheitssportler.

„Train Low“: Nüchterntraining
Nicht verwechseln darf man eine allgemeine „Low Carb“-Ernährung mit „Train Low“-Konzepten: „Dabei wird für ausgewählte Trainings, zum Beispiel lange Grundlageneinheiten, die eine Verbesserung des Fettstoffwechsels zum Ziel haben, die Kohlenhydratzufuhr bewusst eingeschränkt. Solche „Train Low“-Methoden können, für bestimmte Zeiträume angewendet, durchaus zielführend sein“, so die ÖGSE-Expertin. 

Die gängigste „Train Low“-Methode ist ein Nüchterntraining am Morgen: Die letzte Mahlzeit wird am Abend eingenommen, aufs Frühstück vorm Training verzichtet. Und das macht durchaus auch für Freizeitsportler zur Leistungsverbesserung Sinn – weil der Körper lernt, besser auf Fett als Energieträger zuzugreifen und die begrenzten Kohlenhydratspeicher zu schonen.

Empfehlungen für alle, die mit Nüchterntraining noch keine Erfahrung gesammelt haben: keine harten Trainings mit leeren Speichern durchführen, die Länge der Trainingseinheiten langsam steigern und dabei immer auf den Körper hören. Eine Notfallsration (Energieriegel, Stück Banane) eingesteckt zu haben, ist sinnvoll. Ein wenig aufpassen heißt es auch, weil die Konzentrationsfähigkeit leidet, Nüchternläufe lieber nicht auf anspruchsvollem Untergrund durchführen.

Und im Wettkampf?
Wer dann, wenn es wirklich drauf ankommt (also in einem Rennen), voll leistungsfähig sein will, kommt an gut gefüllten Kohlenhydratspeichern ohnedies nicht vorbei. Bei Wettkämpfen mit über einer Stunde Dauer ist auch ein Kohlenhydrat-Nachschub unterwegs ein Muss für die Bestleistung. Wie man rund um Wettkämpfe mit Kohlenhydraten in der Praxis am besten umgeht, ist eine Story für sich – damit beschäftigen wir uns in einer der folgenden Ausgaben. 

Dr. Manuela Konrad
Dr. Manuela Konrad

ist Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Sporternährung (ÖGSE), Diätologin am Institut für Diätologie der FH JOANNEUM Bad Gleichenberg sowie Lehrbeauftragte an mehreren Hochschulen.

WEB: www.oegse.at