Gerade für Gelegenheitssportler werden Bergtouren nicht selten zum Aha-Erlebnis. Weil eben auch eine vermeintlich einfache Wandertour Anforderungen an die Fitness stellt. Welche das sind und wie man sich vorbereiten kann, hat uns Sportmediziner und Runtastic-Experte Dr. Wolfgang Gleirscher verraten.
Von Christoph Lamprecht
Draußen sein, sich in der Natur bewegen, am besten hoch droben. Einfach über den Dingen des Alltags stehen. Immer mehr Menschen verspüren die Motivation, in die Berge zu ziehen – und sei es auch nur für ein paar Stunden am Wochenende. Oder einmalig im Jahr im Sommerurlaub.
Outdoor ist in, die Berge sind zum Sehnsuchtsort einer ganzen Gesellschaft geworden. Das Image von Bergaktivitäten hat sich in den vergangenen Jahren stark gewandelt – mit vielen positiven Effekten, aber auch einer negativen Begleiterscheinung: Das Mehr an Freizeitsportlern schlägt sich in der alpinen Unfallstatistik nieder. Und immer wieder zeigt sich: Herz-Kreislauf-Probleme liegen bei den Unfallursachen gemeinsam mit „Stolpern und Ausrutschen" an der Spitze. Beides Ursachen, die nicht selten mit einem mangelhaften Fitnesszustand zu tun haben.
„Gerade weniger fitte Personen stoßen bei einer ausgedehnten Bergtour tatsächlich oft unerwartet an ihre körperlichen Grenzen", weiß auch der Sport- und Flugrettungsarzt Dr. Wolfgang Gleirscher vom Runtastic-Team. Und er appelliert nachdrücklich: „Ist der Körper ausgelaugt, summieren sich die Gefahren schneller, als man glaubt. Daher gehört schon eine gewisse Grundfitness dazu, wenn man nicht nur hinauf, sondern auch wieder heil vom Berg herunterkommen will."
EIN EINFACHER SELBSTTEST
Um auf Nummer sicher zu gehen, empfiehlt Dr. Gleirscher folgenden Selbsttest: „Will man eine Bergtour mit einer bestimmten Länge bestreiten, sollte man in der Lage sein, die doppelte Streckenlänge in der Ebene zu gehen oder im Grundlagentempo zu laufen. Ist das möglich, steht auch einer Höhenwanderung nichts im Weg." Ein Indikator ist auch der Ruhepuls. Gleirscher: „Dieser liegt normalerweise zwischen 60 und 80 Schlägen pro Minute. Faustregel: Je niedriger er ist, desto fitter ist man."
Besteht in Sachen Fitness Handlungsbedarf, plädiert der Sportarzt unbedingt für ein gezieltes Grundlagentraining vor der ersten Tour: „Weil es sich bei Bergtouren um eine kontinuierliche, längere Belastung handelt, führt kein Weg an der entsprechenden Grundlagenausdauer vorbei. Dafür sollte man über mehrere Wochen hinweg drei- bis viermal für mindestens 30 Minuten laufen. Und im Idealfall gleich ein paar Höhenmeter einstreuen."
KRAFT GIBT SICHERHEIT
Neben der Ausdauer verlangen gerade längere Bergunternehmungen nach einer gezielt ausgebildeten (Stütz-)Muskulatur. Gleirscher: „Eine gute Oberschenkelmuskulatur sowie Stabilität im Core-Bereich ist für eine Bergtour durch nichts zu ersetzen." Als sehr gute Übung für die Beine empfiehlt der Runtastic-Experte den sogenannten Wandsitz (siehe Fotos unten), bei dem beide Beine einen rechten Winkel bilden. Der gesamte Rücken drückt dabei an die Wand, während der Oberkörper aufrecht ist und angespannt wird. Diese Position wird, je nach Trainingslevel, für mindestens 30 Sekunden gehalten. Auch für den Alltag hat die Übung einen positiven Effekt, denn ein starker Rücken unterstützt die Wirbelsäule und beugt damit Überlastungen vor.
Weiters rät der Mediziner zum Klassiker Liegestütze oder den sogenannten Low Planks. „Letztere sind besonders funktional, stärken sie doch den gesamten Körper. Die Ellbogen werden direkt unter den Schultern platziert, die Hüfte bleibt in einer Linie mit den Schultern. Die Körpermitte, das Gesäß und die Beine werden angespannt. Auch diese Übung hält man, je nach Trainingslevel, mindestens für 30 Sekunden." Diese und viele weitere Bodyweight-Übungen sind übrigens in der Handyapp „Runtastic Results" inklusive Video-Anleitung zu finden.
TRITTSICHERHEIT HOLEN
Auch die passende Ausrüstung ist letztlich ein „Fitnessthema": Die richtigen Wanderschuhe können etwa das Ermüden der Fuß- und Beinmuskulatur maßgeblich hinauszögern. „Anspruchsvolle Bergtouren verlangen Trittsicherheit, und um diese zu gewährleisten, ist die richtige Schuhwahl von enormer Bedeutung", weiß Gleirscher. „Auch die Koordination sollte nicht außer Acht gelassen werden. Bevor man also einen größeren Anstieg im alpinen Gelände in Angriff nimmt, gilt es, sich in einfacherem Gelände an die Belastung heranzutasten."
Unerfahrene unterschätzten auch oft den Aspekt des verminderten Sauerstoffgehalts in der Höhe. „In den ersten drei Tagen am Berg fehlt die Höhenakklimatisation. Dadurch kommt es zu einem deutlichen Leistungsabfall, was besonders auf über 2.000 m Seehöhe in Form von Kurzatmigkeit, mit einem höheren Puls oder Kopfschmerzen spürbar wird", gibt Gleirscher zu bedenken.
RICHTIG ESSEN UND TRINKEN
In jedem Bergsport ist es wichtig, mit einer gewissen Reserve unterwegs zu sein, um auch für Unvorhergesehenes gerüstet zu sein. Eine gute und genaue Tourenplanung hilft dabei und sollte für jede Unternehmung selbstverständlich sein. Was aber tun, wenn einem trotz sorgsamer Vorbereitung eine schlechte Tagesverfassung einen Strich durch die Rechnung macht? Gleirscher: „Sollte einem am Berg wirklich einmal die sprichwörtliche Puste ausgehen, ist es am wichtigsten, ruhig zu bleiben und die Nerven zu bewahren. Zunächst sollte man rasten, zusätzliche Flüssigkeit und Nahrung aufnehmen. Schnelle Energie liefern insbesondere jene Kohlenhydrate, die z. B. in Bananen oder Sportgetränken enthalten sind. Aber auch Wärme ist essentiell, um schnell wieder zu Kräften zu kommen. Prinzipiell gilt es aber, eine Tour stets so zu planen, dass man gar nicht in so eine Situation kommt."
Was man vor bzw. während einer Tour essen sollte, um gut versorgt zu sein, hängt zwar einerseits von den persönlichen Gewohnheiten und andererseits von externen Faktoren wie den Wetterbedingungen und der Außentemperatur ab. Doch ein paar Richtwerte gibt es auch hierzu: „Grundsätzlich gilt, dass man rund zwei Liter Flüssigkeit in vier Stunden trinken soll – aufgeteilt auf kleine Portionen", erklärt Gleirscher.
Und zum Essen: „Die Grundlage für die Energieversorgung sollte das Frühstück sein. Dafür eignet sich insbesondere kohlenhydratreiche Kost – etwa ein Vollkornmüsli mit Joghurt und Früchten, Haferbrei mit Banane oder ein Vollkornbrot mit Erdnussmus. Um einen Leistungsabfall vorzubeugen, sollte man alle 30 bis 45 anstrengende Minuten am Berg wiederum eine kleine Portion Kohlenhydrate, z. B. in Form eines Müsliriegels, zu sich nehmen."
Der Experte | DR. WOLFGANG GLEIRSCHER ist Allgemeinmediziner und Flugrettungsarzt mit Ordination in Stockerau (NÖ) und den Schwerpunkten Neuraltherapie sowie Sport- und Arbeitsmedizin.
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