Trailrunning findet immer mehr Anhänger. 
Wer sich laufend sicher auf Naturwegen bewegen möchte, sollte aber auch der Lauftechnik einige Gedanken widmen.

Christof Domenig
Christof Domenig

Laufen ist intuitiv, zumindest wenn man es nicht auf Bestzeiten abgesehen hat. Und auch wenn manche den folgenden Satz nicht unterschreiben werden – aber als Straßen-Freizeitläufer muss man sich über seine Lauftechnik nicht allzu viele Gedanken machen. Anders schaut es jedoch beim Trailrunning aus, das in der jüngsten Zeit immer mehr als abwechslungsreichere Alternative zum Straßenlauf mit deutlich höherem Naturfaktor entdecken – oder aber, von der anderen Seite her, als beschleunigte, modernere Alternative zum Wandern in den Bergen. Wer mit Laufschuhen auf Naturtrails und Wanderwegen unterwegs sein will, für den lohnt es sich absolut, sich ein paar Gedanken über die Lauftechnik zu machen. „Je ökonomischer, je kraftsparender man arbeitet, umso mehr Spaß hat man und umso länger kann man die Natur genießen“, sagt dazu Sibylle Schild, Top-Trailläuferin aus dem Salzburger Gasteinertal. „Hat man die Technik dagegen nicht, wird es am Berg schnell mühsam.“ Trail-Lauftechnik ist vor allem aber auch sicherheitsrelevant. „Am Berg sind häufig feuchte Stellen oder du kommst in den Regen – und wenn du dann bei Steinen und Wurzeln nicht eine gewisse Lauftechnik hast, wird es schnell rutschig und gefährlich.“

Für Sibylle Schild gehört zum guten, sicheren Traillaufen zunächst auch die Schuhwahl mitbedacht: Die Zehenbox soll groß genug sein und zugleich die Schnürung im Bereich Vorfuß und Rist gut passen – sonst rutscht man beim Bergablaufen nach vor und damit sind blaue Zehen vorprogrammiert. Zudem ist ein fester Sitz im Fersenbereich essenziell, sagt Schild, um die Stabilität im Schuh zu erhöhen. Dadurch verringert sich die Gefahr des Um- knickens auf unebenem Boden. Da jeder Fuß anders ist, gilt es, zu probieren und Beratung im Sportfachhandel in Anspruch zu nehmen, um seinen passenden Schuh zu finden.

Allgemeine Tipps
Klaus Gösweiner aus der steirischen Region Schladming-Dachstein hat in seiner Karriere legendäre Trailruns wie den GGUT (Großglockner Ultra-Trail) gewonnen und gibt nun in Trail-Camps sein Wissen und seine Erfahrung weiter. Für ihn ist der wichtigste Punkt für Spaß auf den Trails die Vorfußlauftechnik. Und damit verbunden: genügend Zeit, die man sich und seinem Körper gibt. „Wir machen in den Camps Übungen auf abschüssigen Wegen und lassen die Teilnehmer probieren, nur am Vorfuß runterzulaufen. Denn im Gelände kann man sich nur sicher bewegen, wenn man mit dem Vorfuß hinsteigt. Am Ende des Tages kommt man dabei drauf, dass es so zwar besser geht – aber man auch eine ganz andere Muskulatur dafür braucht.“ Also: Nicht zu viel vornehmen, langsam, Schritt für Schritt steigern.

Markus Reich aus dem Tiroler Pillerseetal ist unser dritter Experte im Bunde – seine allgemeinen Tipps, um im Trailrunning weiterzukommen, betreffen ebenfalls die Muskulatur: „Slacklinen hilft enorm, um die tiefliegende Muskulatur aufzubauen. Eine stabile Rumpfmuskulatur bergauf wie bergab ist sehr nützlich, ein paar Minuten Planken am Tag hilft da schon. Was ich selber auch mache: barfuß oder mit speziellen Socken, die unten einen Schutz haben, im Gelände unterwegs zu sein, um die Fußmuskulatur zu stärken.“
 

Bergauf-Lauftechnik
Trailrunning bergauf, zumindest ab einer gewissen Steilheit, bedeutet auch bei Könnern oft Gehen. Eine Message, die alle unsere Experten weitergeben: „Nur Topeliteläufer laufen wirklich steile Passagen bergauf, oft ist es effizienter zu gehen, der Puls bleibt niedriger und man ist nur unmerklich langsamer – wenn man es gut kann“, rät Sibylle Schild. Leichte Vorlage ist normal, zu intensiv sollte diese allerdings nicht sein – Rückenmuskeltraining hilft hier. „Wird es richtig steil, gibt es zwei Varianten: erstens sich mit den Händen auf den Oberschenkeln abstützen. Oder man verwendet Stöcke.“

Ähnlich äußert sich Klaus Gösweiner zum Bergaufthema – auch die Profis, zumindest im Ultrabereich, gehen im Steilen, betont auch er. Man dürfe auch nicht den Fehler machen, zu glauben, als Einsteiger gleich mehrere Hundert oder gar 1000 Höhenmeter bergauf durchlaufen zu können. Und: „Nicht am letzten Zacken oben ankommen, es braucht immer genügend Reserven zum Runterkommen.“

Stöcke? „Ich habe es am eigenen Leib verspürt, wie viel diese bringen“, sagt Gösweiner. Welche Technik wendet man dabei an? Das ist jedenfalls situationsabhängig und Pauschalaussagen sind schwierig, betonen unsere Experten. „Eine echte Diagonaltechnik wie im Langlauf ist bergauf kaum einmal möglich“, sagt der Steirer Gösweiner, der in der Jugend nordischer Leistungssportler war – er empfiehlt eine Mischung aus der Diagonaltechnik, wobei es aber nicht aufs exakte Einhalten der Schrittfolge ankomme, sowie gelegentlicher Doppelstock-Technik. Sibylle Schild verweist auf eine leicht versetzte Doppelstock-Technik als weitere Option – und darauf, dass selbst unter Profi-Trailrunnern keine einheitliche „Stocktechnikschule“ existiert.
Ein paar weitere Hinweise hat Markus Reich für die Aufwärts-Höhenmeter. Erstens – Laufen und Gehen braucht bergauf eine andere Muskulatur. Er empfiehlt, ab 30 Prozent Steigung zu gehen, und wichtig: Zwischen Gehen und Laufen immer wieder zu wechseln, um beides zu trainieren. Er selbst achtet darauf, bergauf den Atemrhythmus an den Schrittrhythmus anzupassen, dabei eine Zeit lang „nach innen“ auf den Atem zu hören und dann wieder auf Geräusche von außen, „die Kuhglocken, den rauschenden Bach“. Um so bergauf in einen Flow zu kommen. Dagegen soll man nicht zu viel auf die sich auftürmende Steigung, und auch nicht auf die Pulsuhr schauen.

Bergab-Lauftechnik
„Bergab ist es in meinen Augen die Kunst“, sagt Sibylle Schild, „kleinschrittig und mit einer dezenten Vorlage des Körpers nicht auf der Ferse zu landen. Sonst ist die Gefahr des Ausrutschens groß. Ist der Körperschwerpunkt zu weit hinten, lande ich jedoch automatisch auf der Ferse.“ Zugleich dürfe aber auch die Vorlage nicht zu groß sein, weil man damit das Tempo beschleunigen würde.

Markus Reich lässt bei seinen Camps die Teilnehmer diese Übung machen: „Auf einer Kuppe sich einfach mal nach vorne fallen lassen, bis es nicht mehr geht, und dann erst zu laufen anfangen. Meist ist bergab nämlich der Hintern zu weit hinten und damit der Schwerpunkt. Wichtig ist auch: kleine Schritte in Verbindung mit leichter Vorlage. Das klingt leichter, als es ist, und muss man immer wieder üben.“

Eine Übungs- und letztlich auch Mutsache, sagt Klaus Gösweiner, ist es auch, den Blick vorausschweifen zu lassen, vorausschauend zu laufen statt auf die eigenen Füße zu schauen. „Wie ein Scanner“ die vorausliegende Strecke im Blick zu haben, rät auch Sibylle Schild. Wird es zu schnell, könne man zum Beispiel große, stabile Steine nutzen, um dort draufzutreten und Tempo rauszunehmen. Geländeabhängig könne man auch seitlich aus dem Trail raussteigen, dort Energie durch einen Sprung in die Vertikale wegnehmen, so Reich.

All das, betont auch Klaus Gösweiner, könne man sich nur durch viel Üben aneignen. Es gilt wie stets, mit einfachen Aufgaben zu beginnen und sich langsam an schwierigere heranzutasten. Versuche mit etwas höherem Tempo unbedingt im einfachen Gelände bei festem Untergund starten – Sicherheit geht immer vor! Dabei aufs eigene Gefühl hören, wo man sich noch wohlfühlt und wo nicht mehr. Noch eines: Die Stöcke werden nicht umsonst auch vom Gros der Profis vorm Downhill weggepackt.

Lernen von Profis
Der beste Ort, sich Trail-Lauftechnik in der Praxis anzueignen, ist in einem der Trailrunning-Camps mit professioneller und kompetenter Anleitung, wie es sie mittlerweile in vielen Urlaubsregionen (unsere „Top 20 Trailrunning-Routen“ findet ihr im Anschluss) gibt. Der Profiblick von außen hilft extrem, Ratschläge können dort maßgeschnei­dert werden. „Die Community kommt in einem Camp immer dazu und ist ein ganz wichtiger Faktor“, betont Sibylle Schild. „Die Gemeinschaft, aufeinander  Rücksicht nehmen, miteinander lernen und der Spaßfaktor in der Gruppe.“ „Ultra“ sind im Trailrunning bekanntlich nicht nur oftmals die Distanzen – auch der Gemeinschaftssinn ist riesig.