SPORTaktiv begab sich auf Spurensuche des Gravelbike-Booms und entdeckte tatsächlich neue Seiten des Radsports. Im Oktober 2020 gibt es mit dem „Jeroboam Austria“ in Velden erstmalig ein Gravelbike-Rennen der Extraklasse. SPORTaktiv Geschäftsführer Alfred Brunner erzählt von seiner Erkenntnis in 4 Akten.
Erster Akt: Spielerische Freude
„Sofort runter von meinem Feld, sonst schieß ich dir die Eier weg!“. Na bumm, das sitzt. Aber zu Recht. In der spielerischen Gruppeneuphorie sind Johnny und Leo einmal zu früh illegal 45 Grad übers Feld abgebogen um die folgende legale 90 Grad Kurve abzukürzen. Das kommt schon mal vor, wenn man am Gravelbike unterwegs ist, noch dazu in einer sehr harmonierenden Gruppe. Dass uns aber exakt in dem Moment der Bauer beobachtet ist leider Pech. Sorry, kommt nicht mehr vor, zumindest nicht auf seinem Feld…
Mit Johnnys Aussage „Damit bist du nie falsch“ erklärt man den Vorteil eines Gravelbikes perfekt mit fünf Worten. Aber halt, wer ist denn dieser Johnny? Johnny Hoogerland ist ein exPro mit Teilnahmen an der Vuelta, am Giro und an der Tour de France. Für Radsportfans am prägendsten war sein Horrorsturz 2011 in den Stacheldrahtzaun, als ihn ein TV-Begleitfahrzeug regelrecht abschoss. Nach seinem Karriereende entschied sich Johnny samt Familie für den Umzug nach Kärnten und eröffnete eine gut gehende Radpension mit 30 Zimmern in Velden am Wörthersee. Nach einer kurzen Phase des körperlichen Nichtstuns mit 20 Kilo mehr auf den Rippen sitzt Johnny seit dem Frühjahr 2019 wieder am Bike. Ergebnis des Comebacks: Der Wohlstandsbauch ist schon wieder weg und Johnny steigt bei einigen regionalen Amateurrennen auf den ersten Platz des Podiums.
Zweiter Akt: Neue Wege
Als Testimonal für die italienische Edelbikeschmiede 3T lud Johnny Hoogerland gemeinsam mit Moritz Altersberger-Kenney vom neuen Radverein „The Bohemians – Southern Cyclist Club“ zu einer herbstlichen Ausfahrt mit Gravelbikes von 3T. Als begeisterter Biker begab ich mich also auf Spurensuche des Gravelbikes-Trends. Gravelbikes sind seit einigen Jahren heiße Ware auf allen Bikemessen; die Verkaufszahlen in den USA explodieren förmlich, verständlich bei den dort endlosen Schotterstraßen vor allem im Mittleren Westen. Auch in Europa berichten die Bikefirmen von ersten Community-Hotspots wie etwa in Holland oder Italien.
Grob gesagt sind Gravelbikes komfortable Rennräder mit profilierten 35-45mm breiten Reifen und Scheibenbremsen, mit denen man flotte Ausfahren auch abseits asphaltierter Straßen unternehmen kann. Für Abenteurer und Weltumrunder perfekt ist die Möglichkeit des Bikepackings, da das Gravelbike im Vergleich zum Mountainbike leichter ist und da das Rahmendreieck genügend Stauraum für mehrtägige Touren bietet. Unser Testbike 3T Exploro Team ist auf den ersten Blick ein wunderschönes Rennrad mit Mountainbike-Bereifung von WTB in der Dimension 650b x 2,0. Die Einfachkurbel, gepaart mit der elektronischen SRAM Force AXS und einer 11-50er Kassette verspricht sowohl Einfachheit als auch Komfort. Bei den Pedalen montiere ich meine MTB-Pedale, weil offroad immer wieder ein paar Meter zu Fuß am Plan stehen.
Wir starten unseren Ride in Velden und biegen gleich auf schmale Wege ein. Es geht Richtung Süden nach Rosegg um dort in den Drauradweg einzusteigen. Da die 6-Mann starke Gruppe aus erfahrenen Rennradlern besteht, ist das Tempo sehr hoch, für den oft schottrigen Drauradweg gerade Highspeed mit meist weit über 30 km/h. Nach Feistritz erwartet uns Moritz mit einem Premium-Espresso-Stopp inkl. frischen Schoko-Zwetschkenkuchen, lecker! Überhaupt ist eine Highend-Quality beim Espresso ebenso community-prägend wie lange Hipster-Bärte, wie ihn Tourkollege Andi schon in Ansätzen trägt. Die Gruppe fährt anschließend Richtung Karawanken; ich kling mich aus und düse auf Landessstraßen über den Rupertiberg retour Richtung Wörthersee. Auch am Asphalt geht die Post ab, ich erkenne kaum einen Unterschied zum normalen Rennrad. Am Straßenrad fahrend bau ich immer wieder spielerische Elemente mit kurzen Abstechern auf unbefestigte Trails ein, eben weil „du nie falsch bist“. Mein Fazit nach der zweistündigen Ausfahrt: 10 Punkte von 10!
Dritter Akt: Vom Virus erfasst
Mit meinen ebenfalls bikeinfizierten SPORTaktiv Kollegen Christoph und Arni diskutieren wir oft über das sinnvolle Einsatzgebiet eines Gravelbikes, da sich Rad-Österreich einerseits in die spitze Fraktion der Rennradler und in die breite Masse der Mountainbiker teilt. Auch hier bietet die Gravelbike Ausfahrt eine coole Erkenntnis: Noch nie bin ich auf unbefestigten Straßen wie eben auf dem Drauradweg so dynamisch und spielerisch unterwegs gewesen. Das liegt natürlich auch am spaßigen Gruppenverhalten, das zum Speeden auf der Schotterstraße anregt. Mit dem normalen Rennrad sind solche Straßen tabu, fürs Mountainbike zu langweilig, mit dem Gravelbike verweilen die Mundwinkel aber auf Nasenhöhe. Zusätzlich genieße ich natürlich, vom Autoverkehr völlig getrennt unterwegs zu sein. Die Summe der Eindrücke ist so stark, dass ich mir tatsächlich sofort ein Gravelbike kaufe. Mein geplantes Einsatzgebiet sind vor allem die Feldwege in der Umgebung, diverse Flusswege, flotte Winterrides aber auch die hippe Fahrt in die Stadt.
Vierter Akt: Jeroboam Austria
Beim abschließenden Abendessen im sehr radsport-affinen Seehotel Hubertushof präsentieren dann Moritz und Johnny noch eine Sensation für alle Gravel-Fans im Alpen-Adria-Raum. Das von 3T ins Leben gerufene „Jeroboam Bike Festival“ mit den Themen Gravelbike, Spaß, Essen und Wein wird 2020 erstmalig auch in Österreich stattfinden und zwar am ersten Oktober-Wochenende. Die Organisatoren befinden sich mitten in der Streckenplanung der vier unterschiedlichen Strecken über 300km, 150km, 75km und 37,5km, die alle in Velden starten und enden. Die lange Jeroboam Strecke über 300 km wird aller Voraussicht nach zuerst über Tarvis nach Italien führen und dann die großen Kärntner Seen Weissensee, Millstättersee, Ossiachersee und Wörthersee verbinden. Details gibt es demnächst unter Jeroboam.bike
Übrigens: Das Wort „Jeroboam“ stammt von der 3 Liter (= 300 cl) Champagnerflasche, was übersetzt in der Bikesprache dann der Extremstrecke von 300 km entspricht. :)
Wie cool das Jeroboam Gravelbike Festival ist, sieht man am besten im folgenden Video der italienischen Jeroboam Variante...
Alle Infos findet ihr unter: www.jeroboam.bike