Bei ausdauernden Wettkämpfen, aber auch an langen Tourentagen hängen Erlebnis und Ergebnis eng mit der Qualität der Energieversorgung zusammen. SPORTaktiv-Doc Robert Fritz weiß, ­worauf es zu achten gilt. 

Christof Domenig
Christof Domenig

Jeder Ausdauer-Trainierende hat wohl schon einmal erlebt, wie saftlos es sich anfühlt, wenn man sich nicht mit ausreichend Energie versorgt und die Kohlenhydrat-Speicher im Körper völlig geleert hat. Wer andererseits ein Rennen schon aufgrund von Magen-Darm-­Problemen aufgeben musste, der weiß, dass auch das Gegenteil keinen Spaß macht: Verdauungsprobleme, Durchfall oder Übelkeit im Wettkampf werden nicht immer, aber oft durch eine „zu gut gemeinte“ Energie(über)versorgung ausgelöst. Es gilt also, bei der Ernährung bei Wettkämpfen und an langen Tourentagen das richtige Maß zu finden. Passend zur Urlaubszeit und rechtzeitig vor den Herbst-Events widmet sich diese SPORTaktiv Doc-Folge der Ernährung immer dann, wenn mehr Energie gebraucht wird als gewohnt.

„Train the gut“
Was Sportmediziner Robert Fritz vorausschickt: Auch die Ernährung für den Wettkampf will trainiert werden – „für Wettkämpfe wie einen Marathon, einen Radmarathon, Triathlon oder gar ein Mehrtagesevent braucht neben Körper und Geist auch der Magen eine adäquate Vorbereitung“. „Train the gut“, heißt es fachsprachlich. Energieversorgung trainieren und zugleich austesten, ob man bestimmte Produkte aus dem Sportnahrungsregal gut verträgt (dies ist bekanntlich höchst individuell), kann man, indem man bei Einheiten im Renntempo öfters die Probe aufs Exempel macht. Man simuliert also die im Wettkampf geplante Ernährung mit exakt den Produkten von den Herstellern, die man dann zur Verfügung haben wird. Falls man sich an den Labestationen versorgen wird: Auf den Webseiten der Veranstaltungen gibt es immer Infos, womit diese bestückt werden.

Individuelle Bedarfsermittlung
Lange Zeit hieß es, 60 bis 80 Gramm Kohlenhydrate seien das Maximum, das der Körper pro Stunde verwerten kann. Mittlerweile werden 60 bis 120 Gramm empfohlen. Eine weite Spanne, die auch wieder individuell ausgetestet werden will: „So viel wie möglich, aber nicht mehr, als man individuell verträgt“, ist die Regel. Robert Fritz rät, mit 60 bis 80 g zu beginnen, am besten per Sportgetränk zugeführt. Allgemein gut verträglich sind Produkte, die ihre Energie aus dem Zuckergemisch Maltodextrin zur Verfügung stellen, weiß Fritz.

Um Fehldosierungen zu vermeiden, gilt es zudem zu beachten, ob man zu den „Vielschwitzern“ oder „Wenigschwitzern“ gehört. Die 60 bis 80 g Kohlenhydrate bemessen sich nicht auf den Liter Getränk, sondern auf die Zufuhr pro Stunde – was zwar den meisten bekannt ist, aber dennoch beim Ausrechnen oft verwechselt wird. Seinen persönlichen Trinkbedarf ermittelt man, indem man sich vor und nach einem einstündigen Training bei unterschiedlichen Bedingungen öfters auf die Waage stellt, damit entwickelt sich mit der Zeit ein gutes Gefühl für den eigenen Bedarf. Eine Fehlerquelle ist auch die Trinkflaschengröße: 500, 600, 750 ml? Auch darauf also beim Berechnen achten. „Eine Goldregel für erfolgreiches Versorgen in einem Wettkampf lautet: 60 bis 80 g Maltodextrin so zu verdünnen, dass ich sie dann in einer Stunde, aufgeteilt auf kleine Portionen, reinkriege“, fasst der Mediziner die bisherigen Erkenntnisse zusammen.

„Noch einfacher wäre es, zu Sportgetränken, die schon fertig gemischt sind, zu greifen. Da ist meistens eher Glukose, eine einfachere Zuckerform als Maltodextrin drin. Aber etwa zum Radfahren im Urlaub, wenn ich beispielsweise täglich vier Stunden am Rad sitze: Da reicht das Getränk mit Glucose völlig aus“, fügt der SPORTaktiv-Doc hinzu.

Energie auch im Training
Es macht auch im Training Sinn, sich mit Energie zu versorgen. Auch da stehen noch junge Erkenntnisse dahinter. „Früher sind wir Einheiten nüchtern gefahren oder gelaufen – das hat sich heute ziemlich aufgehört. Man ist nämlich draufgekommen, dass der Trainingseffekt, den wir damit erreichen, gering ist im Vergleich zur Belastung, die dadurch entsteht.“ Konkret: Für lockere Einheiten bis zu einer Stunde reicht Wasser aus – ab der ersten Stunde schon 30 g Kohlenhydrate zuzuführen, ist aber auch beim lockeren Sport keineswegs verkehrt. Ab 60, spätestens ab 90 Minuten Belastung, besonders wenn diese intensiv ist („dazu gehört auch schon eine lange Bergtour“), könne man sich schon an die 60-bis-80-g-Kohlenhydrate-pro-Stunde-Regel halten, sagt Fritz.

Überzeugte langjährige Nüchterntrainierer, denen diese Trainingsform guttut, können diese natürlich trotzdem beibehalten. „Aber man weiß heute, dass man nicht nüchtern trainieren muss. Durch die Zuckersensoren haben wir gesehen, was dabei im Körper wirklich passiert – und dass das eigentlich gar nicht sinnvoll ist.“ Also: Verlangt dein Körper nach 60 oder 90 Minuten Training spürbar nach Energie? Gib sie ihm! „Die Zeiten von ,train hard, win easy‘ – die sind vorbei“, sagt Fritz plakativ.

Gel oder Riegel statt Getränk?
Immer wieder diskutiert: Wann kann oder soll es ein Gel oder auch ein Riegel anstelle eines Sportgetränks sein? Einfache Antwort: Mit dem Getränk kommt man im Prinzip immer durch. Aber auch die dickflüssigen und festen Nahrungsquellen dürfen sein. Da geht es oft um die Vorliebe oder die praktische Handhabbarkeit. Es gilt jedoch, beim Mischen mehrerer Energiequellen nicht den Überblick zu verlieren – denn natürlich zählen auch die Kohlenhydrate aus Gel und Riegel zur Gesamtsumme. Ein Gel, zum richtigen Zeitpunkt eingesetzt, kann tatsächlich einen speziellen Energiekick bringen, bestätigt der Sportmediziner. Der Schub verebbt aber auch wieder recht rasch. In der Regel wird das Gel also gegen Rennende passend eingesetzt sein.
 

Neue Erkenntnisse durch Zuckersensoren zeigen, dass die Zeiten von „train hard, win easy“ ­vorbei sind!

SPORTaktiv-Doc Robert Fritz

Carboloading, aber richtig
Bleibt noch ein Blick zur Vor-Wettkampf-Ernährung: Nudelberge (die sich wieder nur auf den Magen schlagen) zu verdrücken, wie anno dazumal praktiziert, braucht es für ein Carboloading definitiv nicht. „Die Kohlenhydratspeicher fülle ich in den letzten zwei bis drei Tagen auf, indem ich einfach auf ausreichend hochwertige Kohlenhydrate in der Ernährung achte: die Overnight Oats morgens, Kartoffeln zu Mittag – oder auch eine gewöhnliche Portion Nudeln von guter Qualität. Dazwischen eine Handvoll Cashew-Kerne und viel Flüssigkeit dazu, weil die Kohlenhydrate nur dann gut im Muskel eingelagert werden.“

Das Frühstück vorm Start sollte dann keine komplexen Kohlenhydrate und nicht zu viele Ballaststoffe enthalten. „Man muss aber gar nicht frühstücken. Viele Athleten mögen morgens am Wettkampftag kein Frühstück, sondern nehmen einfach ein Sportgetränk ein.“ In der letzten Stunde vorm Startschuss soll man dann nichts mehr zuführen. Dafür ab der ersten Verpflegungsstation sich regelmäßig versorgen. Spezialtipp für den Triathlon, wo im Schwimmen keine Energiezufuhr möglich ist: „Hier hat sich ein Gel kurz vorm Start etabliert.“

Wichtig vor allem bei Mehrtagesevents, wenn man am nächsten Tag wieder bestmöglich fit sein will: Eine Kohlenhydrat-Eiweiß-­Mahlzeit, zugeführt möglichst innerhalb von 30 Minuten nach der Zielankunft, hilft der Regeneration optimal auf die Sprünge.

Dr. Robert Fritz
Dr. Robert Fritz

Der Sport- und Ernährungsmediziner ist einer der Gründer und medizinischer Leiter einer Unit der „Sportordination“ in Wien und einer der bekanntesten Sportärzte in Österreich. Als „SPORTaktiv-Doc“ beleuchtet er kompetent in jeder Ausgabe ein Sport- oder Ernährungsthema.


Web: www.sportordination.com