In der Steinzeit ganz normal, heute völlig verdrängt: Durchschnaufen nach starker Belastung. Wie wir Regeneration wieder lernen und warum das Paradoxon weniger Training gleich mehr Leistung gar keines ist.

Klaus Molidor
Klaus Molidor


Lang und langsam, hart und schnell, Abwechslung, neue Reize, Pace-orientiert,Puls-orientiert, Training, Training noch mehr Training. Soll uns schneller, besser, fitter machen. Allein – tut es nicht. „Weniger ist mehr“, sagt der Grazer Mentaltrainer und Experte für Herzratenvariabilität (HRV) Klaus Landauf. Sprich: Regeneration ist wichtiger, als wir Hobbysportler glauben wollen. „Im Spitzensport heißt es: 40 Prozent des Gesamtaufwandes ist Regeneration.“

Jetzt im Herbst, wo die Wettkampfsaison zu Ende geht, das Wetter schlechter wird, ist eine gute Zeit, mit dem Loslassen einmal zu beginnen. „Nur einmal pro Jahr ein paar Wochen kürzer zu treten reicht aber nicht aus“, warnt Landauf. Hier gilt wie beim Training: Die Wiederholung ist die Mutter des Lernens. Wünschenswert wäre, so Landauf, gleich nach jedem Training bewusst eine Regenerationseinheit anzuhängen. „20, 25 Minuten bewusst entspannen. Hinlegen, entspannende Musik hören zum Beispiel.“ Wer einen besonders straffen Zeitplan hat, sollte lieber 20 Minuten weniger trainieren, als auf die Regeneration zu verzichten.

Ein weiterer wichtiger Tipp für das Gewohnheitstier Mensch: die Regeneration gleich in den Trainingsplan schreiben. „Dann macht man es viel eher, als wenn es nicht da steht“, sagt Experte Landauf.
Eine Initialzündung, einen notwendigen Antrieb zum Auslassen kann, ja sollte, eine Messung der Herzratenvariabilität sein. Vereinfacht gesagt zeigt sie an, wie wir aus der Sicht unserer inneren Prozesse funktionieren, ob man so weiter machen kann oder besser ein, zwei Gänge runterschalten sollte. „Das gesunde Herz schlägt im Optimalfall nämlich in zeitlich unregelmäßigen Abständen“, erklärt Landauf. „Je variabler der Abstand zwischen den Schlägen ist, desto größer ist die Reiz-Reaktionsfähigkeit. Je gleichbleibender die Abstände sind, desto weniger gut kann sich das Herz an Belastungen anpassen.“ 

Regeneration

Die Regeneration sollte 40 Prozent des gesamten Aufwandes betragen
Klaus Landauf

Qualität leidet
Meistens merken wir gar nicht, dass wir weniger trainieren sollten. Wundern uns aber, warum die Leistung stagniert, wir leicht verletzt sind oder schnell einmal kränkeln. „Mit fehlender Regeneration bringen die Leute das meistens nicht in Zusammenhang.“ Anhand der HRV kann man also schon sehen, ob man überbelastet ist. Weil das Herz auch mit dem vegetativen Nervensystem in Verbindung steht, sinkt nicht nur die körperliche Leistungsfähigkeit, auch die Feinmotorik ist eingeschränkt. Für Spitzensportler fatal. „Wenn der Marcel Hirscher nicht mehr auf sagen wir 5 Zentimeter an das Tor heranfahren kann, sondern nur auf 10, wirkt sich das aus und entscheidet über den Sieg“, erklärt es Landauf plastisch.

Eine Abnahme der Herzratenvariabilität wirkt sich aber auch bei Hobbysportlern und im beruflichen Alltag aus. „Dadurch kann man dann auch nicht mehr so gut Dinge aufnehmen oder reagieren, man kann Situationen nicht mehr richtig einschätzen, das periphere Sehen nimmt ab – Stichwort Tunnelblick – die Argumentationsfähigkeit leidet und auch die Emotionskontrolle funktioniert nicht mehr optimal.“
Faustregel, wie viel Regeneration optimal ist, lässt sich kaum eine aufstellen. „Weil wir alle unterschiedliche Individuen sind. Der Eine braucht mehr, der andere weniger Erholung.“ Und bei jedem funktioniert auch etwas anderes optimal. „In meinen Seminaren probieren wir viele verschiedene Inhalte aus. Anhand der HRV können wir erkennen, ob der Organismus beim Meditieren oder beim leichten Ausdauertraining, besonders gut reagiert.“ Ganz wichtig für die optimale Erholung ist auch der Schlaf. 7 Stunden und plus/minus 1 gelten als Faustregel. „Der Schlaf ist, das zeigen wissenschaftliche Untersuchungen, der optimale Reparateur“, sagt Landauf. Wobei auch hier nicht nur die bloße Quantität den Ausschlag gibt. „Die Qualität der Tiefschlafphasen ist wichtig, und die lässt sich steigern.“ Zum Beispiel mit Meditation vor dem Einschlafen. „Einfach bewusst über den Tag reflektieren und damit abschließen, damit wir ihn nicht mit in den Schlaf nehmen“, sagt Landauf. Das kann also Meditation sein, oder progressive Muskelentspannung, oder tiefes Atmen.

Womit wir beim dritten wichtigen Punkt in der Regeneration neben der HRV und dem Schlaf sind: dem Atmen. „Der Atem transportiert unseren Treibstoff, den Sauerstoff, und wenn wir den nicht in ausreichender Menge zur Verfügung haben, wie soll die Maschine dann rund laufen?“, sagt Landauf. Tiefes Atmen beruhigt. Wer das vor einem wichtigen Gespräch oder einer Prüfung probiert hat, wird das bestätigen. Gerade in Stresssituationen verflacht sich der Atem leicht und wir nehmen zu wenig Sauerstoff auf. „Menschen mit Burn-Out atmen auch nur noch ganz flach“, weiß Landauf, darum ist es dort eine wichtige Methode, sie zum tiefen Durchatmen zu bringen.

Und wie viel soll man jetzt in die Regeneration investieren? Nur im Herbst ist natürlich zu wenig. „Aber der Herbst kann ein Grund sein, um damit zu beginnen. Nichts tun ist ja für viele Hobbysportler ganz schwer.“ Wesentlich ist für Landauf dabei die Regelmäßigkeit, nicht der Umfang. „Lieber jeden Tag fünf Minuten als einmal in der Woche 30 Minuten. „Und die Zeit hat wirklich jeder“. 
Messen, trainineren, bewerten. Das braucht es heutzutage halt auch bei der Regeneration. Weil wir verlernt haben auf unsere Instinkte zu hören. „Herz, Organe und Organismus funktionieren schon seit der Steinzeit gleich. Wenn der Tiger gekommen ist, sind wir davongerannt und haben danach hinter dem Busch durchgeschnauft. Wenn wir heute im Job eine Stresssituation mit den Kollegen oder dem Chef haben, schnaufen wir danach aber nicht mehr durch, sondern arbeiten gleich weiter.“ Das schlägt sich dann eben in der eingeschränkten Leistungsfähigkeit nieder. Oder anders gesagt: Erholen ist angesagt, sonst frisst dich der Tiger.

Tipps zum Durchatmen

1. Tiefe Bauchatmung
Flach auf den Rücken legen und tief ein- und ausatmen. Zur Kontrolle den Daumen auf den Nabel legen. So kann man überprüfen, ob sich der Bauch beim Atmen wirklich hebt und senkt. 

2. Geh-Atem-Übung 
Atme drei bis vier Schritte ein und fünf bis acht Schritte aus. „Du konzentrierst dich aufs Atmen und musst gleichzeitig zählen. Dadurch hat der Alltag in den Gedanken keine Chance“, erklärt Landauf. 

Klaus Landauf
Klaus Landauf

ist Mentaltrainer in Graz und arbeitet mit vielen Spitzensportlern.

Web: www.landauf.com